Chinesisch oder nicht, Volvo ist eine Alternative

(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Eigenheiten bewahrt, Marotten über Bord geworfen. Der S60 als Fluchtauto aus dem deutschem Mainstream. Für Nostalgiker ist schon der aktuelle Beitrag für die Mittelklasse starker Tobak.

Man kann den Chinesen nur gratulieren. Für einen Betrag, wie ihn Landesbanken gern noch vor dem Brunch zu versenken pflegten, hat Geely einen europäischen Hersteller von Rang und Namen bekommen. Es hat wohl Jahre im Formtief gegeben, und auch wenn es dem alten Eigentümer Ford innert zehn Jahren nicht gelungen ist, die schwedische Marke nachhaltig zu Profiten zu führen, so wurden doch die richtigen Autos auf den Weg gebracht – etwa der XC60. Es dankt Herr Li Shufu von Geely.

Und es soll noch alles viel toller werden. In Göteborg wird unter dem neuen CEO Stephan Jacoby (Ex-VW) am Markenbild gebastelt: Sicherheit wird nicht mehr die Hauptrolle spielen, Shocking!

Für Nostalgiker ist schon der aktuelle Beitrag für die Mittelklasse starker Tobak. So gar keine Schwedenstahl-Reminiszenz hat der S60 zu bieten. Dafür kurze Überhänge, generell ausnehmend gelungene Proportionen und einen hübsch dynamischen Anstrich von Front bis Heck; Tugenden, derer sich die ausgelaufene Generation nicht rühmen konnte. Ihre Formensprache hat nirgendwohin geführt.

Entsorgtes Gerümpel

Der S60 ist zudem kein Blender. Aber beginnen wir im Innenraum, der von skandinavischer Klarheit geprägt ist und einem hohen Verständnis für Formen und Materialien. Schon die Sitzposition mit einem Lenkrad, das man sich nah zur Brust holen kann, wie man das spätestens bei einem Fahrsicherheitstraining gelernt haben sollte, lässt Gutes erahnen. Ergonomisch rangiert das S60-Cockpit unter den besten Beiträgen auf dem Markt. Das bedeutet auch, dass man altes Gerümpel entsorgt hat, etwa das unsägliche Navigationssystem, dem jederzeit das Wursteln mit Straßenkarte vorzuziehen war.

Das aktuelle Bordsystem – es schaudert uns, wenn wir an das alte denken – ist klug strukturiert und führt über einen hochauflösenden Monitor mit ansprechender Grafik durch alle Ebenen des Autos, von erstklassiger Bluetooth-Telefonie bis Klimatisierung. Eine Feinabstimmung des Klimakompressors erlaubt zum Beispiel, wovon feinfühlige Autofahrer träumen: die einmalige, weil punktgenaue Herstellung des gewünschten Raumklimas frei von Zug und eisigen Luftströmen. Das ist ebenso wertvoll wie ein Tempomat mit Abstandshalter und die automatische Notbremse, wenn sich im Stadtverkehr wer vors Auto wirft.

T5 passt gut zum sportlich abgestimmten „R-Design“ – ist aber irreführend: Die Zahlen geben bei Volvo keinen Aufschluss mehr über die Zylinderzahl. Den kernigen Fünfzylinder-Benziner gibt es im S60 nimmer, aber der sanft aufgeladene, 240 PS starke 2,0-Liter-Vierzylinder ist ein guter Trost.

Das im Sinne der Sparsamkeit lang übersetzte Sechsganggetriebe, wie bei Volvo üblich angenehm leichtgängig, führt ausgiebig übers Drehzahlband und nimmt dem Motor von der Schärfe, die er haben könnte. Doch Druck ist gut vorhanden, und die Drehfreude samt dem guten unaufdringlichen Klang verlocken zum Orgeln. Wir schlossen mit 9,4 Litern, respektabel. Im Fahrverhalten gibt der frontgetriebene S60 einen guten Schnitt aus Agilität und Langstreckenkomfort; die Dämpfung ist auf der firmen, aber nicht harten Seite.

Dramatisch besser geworden, eigen geblieben: Der S60 ist eine der drängendsten Alternativen.

Auf einen Blick

Volvo S60 T5 R-Design

Maße L/B/H 4628/1865/1484 mm. Radstand 2776 mm. Leergewicht 1617 kg. Kofferraumvol. 380 Liter.

Motor Reihen-Vierzylinder-Otto, 1999 ccm, Turbo-Aufladung.

177 kW (240 PS) bei 5500 U/min, 320 Nm bei 1800-5000 U/min. Vmax 230 km/h. 0-100 in 7,3 sec.

Frontantrieb. Getriebe: 6-Gang, manuell. CO2: 184 g/km (lt. Norm). Testverbrauch: 9,4 l/100 km.

Preis 40.621 Euro.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.06.2011)

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