Das sanfte Licht von Alicante

sanfte Licht Alicante
sanfte Licht Alicante(c) EPA (M. Lorenzo)
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Die Touristenburgen der Costa Blanca sind keine Augenweide. Da kann Alicante schon mehr: schöne Strände, eine Marina für Jachten und eine stressfreie Altstadt mit malerischen Parks und Gassen.

An diesem Spätsommertag wird die Stadt des Lichts erst am Abend ihrem Namen gerecht. Am Meer kann ein Wimpernschlag des Himmels die Szenerie komplett verändern. Ein ätherisches Hellblau liegt auf dem Wasser, während die Wellenkuppen das Orange und Violett des Abendhimmels tragen. Der Hausberg Benacantil mit der Festung Santa Barbara hat den hellen Ton des Sandes angenommen, wie er zu seinen Füßen am schönen Stadtstrand Postiguet liegt. Und die Altstadt mit ihrem Patchwork aus Kuppeln, Türmen und Häuserdächern strahlt, als hätte man ihr ein Kompliment gemacht.
Die große Mehrheit der neun Millionen Gäste, die jedes Jahr in Alicante landen, kennt von der Hauptstadt der Costa Blanca nur den Flughafen. Sie verschwindet im Shuttlebus nach Santa Pola, Calpe, Denia, Benidorm oder in eines der anderen Touristenzentren. Alicante steht nicht auf dem Programm. „Das haben wir mit Málaga und Palma de Mallorca gemein“, sagt Marina Camello vom städtischen Tourismusamt. Doch während sich der Ruf von Málaga und Palma enorm verbessert hat, schlägt sich Alicante noch mit einem beliebigen „ven cuando quieras“ herum. Der Slogan „Komm, wann immer du magst“ spielt auf das beneidenswerte Klima der Küste an. Milde Winter, heiße, aber erträgliche Sommer und das ganze Jahr über reichlich Sonne – gut, aber was kann die 330.000-Einwohner-Stadt noch?
Am nächsten Morgen ist Stadterkundung angesagt. Alicante hat einen ruhigen, fast kleinstädtischen Lebensrhythmus. Auch stellt die Liste der Sehenswürdigkeiten keine unlösbare Aufgabe dar. Man darf den Tag also entspannt angehen und mit einer Tageszeitung erst einmal die Explanada de España ansteuern. Dort bricht sich das Morgenlicht durch ein Palmendach, spiegelt sich auf sechs Millionen kleiner Marmorsteine. Verstreut stehen Klappstühle bereit, die die Stadtverwaltung Tag für Tag ankarren lässt.

Per Aufzug auf den Burgberg

Die 500 Meter lange Meerespromenade darf sich zu den schönsten ihrer Art zählen. Aus den 60er-Jahren des letzten Jahrhunderts stammen auch die zwei Hoteltürme, die etwas unmotiviert die Altstadthäuser um ein Vielfaches überragen. In jener Zeit löste sich die Franco-Diktatur aus ihrer diplomatischen Isolation. Das Land  öffnete sich für Touristen und Devisen. Benidorm, auch Klein-Manhattan genannt, wurde vierzig Kilometer nördlich aus dem Boden gestampft. Alicante bekam nicht nur seine Esplanade, man bohrte auch einen für die damaligen Verhältnisse spektakulären Aufzugstunnel in den Burgberg. Seitdem sind die 160 Höhenmeter bis zum Kastell eine leichte Übung. Der Rundblick über Hafen, Meer und das Land, das sich nach Westen und Norden hin zu einem ausgewachsenen Gebirge erhebt, wecken das Interesse an der Geschichte von Alicante. Die Griechen nannten ihre Siedlung „Stadt des Lichts“. Über das römische „Lucentum“ und das arabische „al-Lucant“ ist bis heute das Licht im Namen erhalten geblieben.
Spannender, als im Reiseführer nachzulesen, wer wann wen besiegt hat, ist es, den Pinienwald auf der Nordseite des Cerro Benacantil hinunterzugehen und im archäologischen Museum MARQ in die Geschichte einzutauchen. Generelle Bedenken gegenüber historischen Museen sind in diesem Fall unangebracht. Man muss weder trockene Gelehrsamkeit noch multimediales Spektakel fürchten. Das 2004 zum besten europäischen Museum gekürte MARQ inszeniert Geschichte anschaulich, ernsthaft und anregend. Mit dem neuen Jahrtausend ist Alicante zu neuem Leben erwacht. Nicht nur das MARQ wurde eröffnet, auch der Sporthafen mit dem Casino, den Restaurants und Bars, der Anleger für die Kreuzfahrtschiffe und der Jachthafen für den Volvo Ocean Race kamen hinzu.

Verwunschene Ruheräume

Einen dezenten, äußert gelungenen Eingriff in die Stadtlandschaft ist den Architekten Bigarnet und Bonnet gelungen. Der Ereta-Park zwischen Burg und Altstadt ist eine Parkanlage aus Trockenmauern und Terrassen, mit überraschenden Ausblicken und verwunschenen Ruheräumen und einem empfehlenswerten Panoramarestaurant. Der Ereta-Park geht unmerklich in das malerische Stadtviertel Santa Cruz über. Eigentlich ist es ein Glück, dass Alicante nicht zu den Topzielen der Spanien-Reisenden gehört. Das Viertel mit seinem üppigen Blumenschmuck, dem ungewöhnlichen und kitschigen Willen zum Dekor hat einen einzigartigen, authentischen Charakter. Folgt man den Gassen in den unteren Teil der Altstadt, lohnt ein Blick in die Kathedrale, die Basilica de Santa Marí, und das Rathaus. Dort befindet sich im Stiegenhaus eine Messingtafel, an der sich alle spanischen Höhenangaben orientieren.
Inzwischen ist es wieder Abend geworden. Die Laternen an der Explanada brennen schon, während der Himmel über den Palmen noch blau und violett leuchtet. Wer mag, flaniert wie die Einheimischen in schickem Outfit auf den rot-weiß-schwarzen Marmorwellen und imaginiert, wie es wäre, in dieser schönen Stadt zu leben, oder überlegt schon, welches der 150 Reisgerichte des Restaurants Dársena er später probieren möchte. Das stadtbekannte Fisch- und Reisrestaurant liegt an der Hafenmole hinter dem Casino, dessen Leuchtdesign Alicante auch in der Nacht zu einer Stadt des Lichts macht.

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