Phuket: Vom Regen in die Küche

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Fast wäre die traditionelle Regenwaldküche ausgestorben. Wäre da nicht Premchit Prateap: Sie kocht wie ihre Ahnen, nur Exotisches mit seltenen Zutaten.

Phuket. Frittierter Farn, gegrillte Sandflöhe, Tigerkrallensalat und Termitenpilze. Mit außergewöhnlichen Kreationen umgarnte Premchit Prateap ihren zukünftigen Ehemann. Sie dämpfte, rührte und brutzelte monatelang, ohne Kochbuch. Und ausschließlich Gerichte, die in Thailand auf so gut wie keiner Speisekarte mehr zu finden sind. Der Auserwählte kostete die kulinarischen Verführungen seiner Liebsten voll aus.

Fast ein Jahr musste vergehen, bis der Bekochte den Braten roch: „Premchit“, sagte er, „du hast jetzt fast ein Jahr lang für mich gekocht, aber immer etwas anderes. Nie gab es ein Gericht zweimal. Sag, wie viele Rezepte hast du denn im Kopf?“ Die Gefragte dachte nach und sagte ungerührt: „500? Vielleicht sind es auch ein paar mehr.“

Und es offenbarte sich noch etwas Erstaunliches: Die delikaten Speisen enthielten weder Zucker noch Fisch- oder Austernsauce – die allgegenwärtigen Geschmacksverstärker der heutigen Küche Thailands. Stattdessen viele Zutaten, die der Zukünftige nie zuvor zu Gesicht bekommen hatte.

Meeresfrüchte, Kräuter und Regenwaldfrüchte, die selbst auf den reichhaltigen Thai-Märkten mit ihrem schier unüberschaubaren Angebot nur noch schwer zu finden sind. Oder gar nicht. Weil sie vom modernen Gastro-Einerlei, das auch die Thai-Küche erfasst hat, verdrängt wurden. In den Touristenhochburgen Phukets gleichen die meisten Speisekarten wie ein Ei dem anderen. Hinzu kommen Exoten wie ägyptische Restaurants, Jamaika-Bars, bayerische Gaststuben. Auf Phuket kann man sich quer über den Globus futtern. Die traditionelle Inselküche dagegen ist ausgestorben. Fast. Denn Premchit Prateap hält die Rezepte ihrer Vorfahren hoch. Diese besiedelten südliche Teile der Provinz Phang-Nga und den nördlichen Teil von Phuket – der bis vor hundert Jahren fast aus-schließlich von Regenwald bedeckt war. Früher wurde die Insel Junk Ceylon genannt, später Thalang. Ihre Küche nennt Premchit daher Thalang-Küche.

Strandkrabben aufstöbern

Mittlerweile ist das Paar verheiratet. Norman Jones, der Ehemann von Premchit, ein weit gereister Australier, ist noch immer fasziniert vom traditionellen Essen Phukets. Vom Pflanzenreichtum der Insel und den Rezepten von Premchits Ahnen. Gemeinsam verhelfen sie den uralten Rezepten zu neuem Leben. Und gemeinsam fangen, pflücken und sammeln sie die raren Zutaten.

Etwa Sandflöhe. Am ruhigen, idyllischen Strand von Mai Khao im Norden Phukets ist es schon am Vormittag brütend heiß. Wie ein junges Mädchen hüpft Premchit Prateap über das Ufer. Klatscht vergnügt in die Hände und pflügt den patschnassen Sand mit ihren Füßen um. Sie wühlt die Verstecke der Sandflöhe auf, die dann einem Bekannten aus dem Dorf ins Netz gehen, einem der letzten Sandflohfischer von Phuket. Sein selbst gebastelter Kescher hat steinzeitlichen Charme.

Bei den Sandflöhen handelt es sich aber nicht um die gleichnamigen winzigen Plagegeister, die einen Tag am Meer in ein Martyrium verwandeln können. Sondern um eine Strandkrabbenart, die nur dort lebt, wo die Wellen an Land auslaufen. In der sogenannten Brecherzone. Ihr wissenschaftlicher Name: Emerita talpoida. Fünf bis sechs Zentimeter groß, im Geschmack wie mildes Krebsfleisch. Ein Festmahl für frühere Generationen.

Nach Farnen tauchen

Premchit hat reichlich Bedarf an exotischen Lebensmitteln. Ihre Thalang-Küche besteht fast aus-schließlich aus Zutaten, die vom Mainstream verdrängt wurden. Vor allem aus Früchten des Re-genwalds, deren Sammeln mit Mühen verbunden ist. Etwa aus einem speziellen Farn, der nur unter den Bäumen der Stinkfrucht gedeiht, nur an bestimmten Flüssen und nur während der Regenzeit. „Man muss schon ein guter Schwimmer sein, um den Farn zu kriegen“, sagt Norman Jones. Weil er einer ist, wurde ihm die Aufgabe zugeteilt.

Premchit wuchs im Dschungel auf. An ihrem fünften Geburtstag nahm ihr Vater sie mit in den Regenwald. Und danach täglich, jahrelang. Um sie in die Geheimnisse der Flora und Fauna einzuweihen. Er wollte seine Tochter früh lehren. „Uns kann jeden Tag etwas passieren“, meinte er.

Doch die Eltern blieben bis ins hohe Alter gesund und bewahrten lange ihr jugendliches Aussehen. Was wohl auch an der frischen Nahrung lag. „Mit dem, was wir im Wald gesammelt haben, haben meine Mutter und meine Großmutter unser Essen zubereitet.“ Außerdem ein Lebenselixier, einen Kräutertrunk, den sie heute in Eigenmarke vertreibt. Die 45-Jährige sprüht vor Energie und Vitalität, sie selbst ist der beste Beweis für die Kraft frischer Lebensmittel.

Seit Kurzem bereitet Premchit ihre historische Thalang-Küche auch für Touristen zu. Der Anstoß dazu kam von einem Salzburger: Dietmar Spitzer, Chefkoch im Marriott Phuket. Von einem Lieferanten hatte er die außergewöhnliche Geschichte von Premchit gehört. Er lud sie ein vorzukochen. Seitdem stellt Premchit einmal im Monat ein Thalang-Menü zusammen. „Eine außergewöhnliche Dining Experience“, nennt das Spitzer im internationalen Koch-Sprech, „es vermittelt Geschichte und ein Gefühl für Phuket.“ Das Event nennt sich „The Secret Dinner“. Tatsächlich packt Premchit nicht nur altes Wissen aus, sondern auch 200 Jahre alte Tontöpfe. „Darin schmeckt es einfach besser“, sagt sie. Ihre Rezepte sind gar doppelt so alt und absolut unverfälscht. „Ohne indische und chinesische Einflüsse“, sagt sie. „Die kamen erst viel später auf die Insel.“ Und entwickelten das, was der Tourist heutzutage unter Thai-Kitchen-Essen versteht. Sticky Mango Rice etwa, jedem Touristen vom Hotelbüfett bekannt, schmeckt aus Premchits Tontöpfen unvergleichlich besser, intensiver.

Die echte Regenwaldküche ist gesund, strotzt vor natürlichen Aromen, ist allerdings für moderne Gaumen wenig deftig. Dafür sind es die Bezeichnungen: „fak fruit“ etwa. Norman Jones betont das „k“ besonders genüsslich. Und ziert sich nicht, die Gäste beim Dinner zu fragen: „Have you had a good fak today?“ Auch ein Kraut namens „fart leaf“ klingt nach mehr. Und erst der Geruch! Beim Zerreiben des Blatts verbreitet sich ein gewisses Odeur. Mit anderem Grünzeug vermengt aber, etwa mit Tigerkralle, einem tropischen Gewächs, mundet das Furzkraut vorzüglich.

In diesem Jahr will Premchit ein Kochbuch herausbringen. Es wird das erste Mal überhaupt sein, dass sie ein Rezept aus der Regenwaldküche verrät. Fraglich allerdings, ob ihre Landsleute davon Gebrauch machen werden. „Die stehen momentan eher auf französische Küche“, sagt sie. Urlauber aus Nordamerika und Europa dagegen seien von der Regenwaldküche begeistert. „Den Thai schmeckt mein Essen nicht, weil es nicht nach Curry oder nach Kokosmilch aus der Dose schmeckt“, sagt Premchit, „und sie verstehen nicht, wieso ich mehr verlangen muss als jemand mit einer Suppenküche auf der Straße.“

Doch ihr soll's recht sein: „Es ist meine Chance, denn so habe ich keine Konkurrenz.“

Regenwald-Dinner und Dschungel-Exkursionen

Anreise: siehe Flüge der Woche Seite R 4.

Schlafen: Neben dem monatlichen „Secret Dinner“ von Premchit Prateap bietet das schicke JW Marriott Phuket einen ruhigen Abschnitt am Mai-Khao-Beach, ein Spa und einen riesigen Pool, in dem gelegentlich thailändische Lichtzeremonien stattfinden. DZ ab ca. 85 Euro www.marriott.de

Günstig und sauber: z. B. das zentral gelegene Hostel Phuket Backpacker in der Ranong Road, zwei Gehminuten vom Busterminal, DZ ab 18Euro. www.phuketbackpacker.com

Essen: Die Regenwaldküche kann bei einem „Secret Dinner“ im Marriott Phuket genossen werden – nur nach Voranmeldung. +66/76/33 80 00

Premchit Prateap und Norman Jones bieten außerdem Dschungelexkursionen an (per Minibus, Boot oder Helikopter). Das Gesammelte und Gepflückte wird an Ort und Stelle zubereitet.
www.nathalang.com

Infos: Die Kosten dieser Reise trugen Thai Airways, Marriott Hotels & Resorts und das Thailändische Fremdenverkehrsamt.
www.tourismusthailand.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.02.2013)

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