Der erste und bis dato einzige Donauhafen der Republik Moldau befindet sich in der Ortschaft Giurgiuleşti auf Flusskilometer 133,8. Doch das Projekt muss sich erst gegen die Konkurrenz aus den Nachbarländern durchsetzen.
Giurgiuleşti ist, auch wenn es zunächst nicht den Anschein hat, ein Verkehrsknotenpunkt. Das Dorf beginnt und endet mit einem Grenzübergang, einer führt in die Ukraine, der andere ins EU-Land Rumänien. Nicht weniger als drei Tankstellen sind dazwischen.
Giurgiuleşti ist der südlichste Punkt der Republik Moldau, ein Land, das sich kipferlförmig an die Ostgrenze Rumäniens schmiegt. „Man kennt uns im ganzen Land“, sagt Bürgermeisterin Tatiana Galateanu. Die Verkehrswege, die durch Giurgiuleşti führen, tragen eine internationale Nummerierung, doch es sind löchrige Dorfstraßen. „Wenn die Lastkraftwagen durchs Dorf fahren, zittern unsere Häuser“, sagt Galateanu. Sie sitzt im renovierten Bürgermeisteramt, wo der Plastikboden noch glänzt und die Fahnen Moldaus und der EU in trauter Zweisamkeit auf dem Schreibtisch stehen. Wenn die 51-jährige beherzte Frau Zeit zum Träumen hat, träumt sie von einer Umfahrungsstraße.
Nur einige hundert Meter südlich vom Bürgermeisteramt findet man den nächsten Verkehrsknotenpunkt des 2200-Seelen-Dorfs: Von außen sichtbar ist ein Stacheldrahtzaun, einige klobige Nutzgebäude, ein Schild: „International Free Port Giurgiuleşti“. Es ist Moldaus einziger Donaufhafen, nutzbar auch für Meeresschiffe. Wenn auch die Öllaster und Getreidefuhren aus dem Hafen die Bewohner aufschrecken lassen: Für Galateanu könnte es ruhig mehr Verkehr sein. In Giurgiulesţi hoffte man, dass der Hafen alle Probleme mit einem Schlag lösen werde. Der agrarisch geprägte Süden Moldaus ist die ärmste Region des Landes, viele Menschen nehmen Reißaus von hier. Galaţeanu möchte, dass sie bleiben. „Im Dorf gibt es noch immer Arbeitssuchende“, sagt sie mit Blick Richtung Hafen.
Mehr Service. Gemessen an seiner kurzen Existenz hat Moldaus Donauhafen eine recht wechselvolle Geschichte. Er wurde 1995 als Prestigeprojekt der damaligen kommunistischen Regierung in Auftrag gegeben: Moldau sollte auf seinen 460 Metern Donau einen eigenen Hafen bekommen. Später aber musste das Projekt Konkurs anmelden. Mit einem Kredit der Europäischen Entwicklungsbank (EBRD) erhielt der Hafen mit einem neuen Betreiber am Flusskilometer 133,8 eine zweite Chance. Heute arbeiten hier 120 Menschen.
Das Geschäft ist nicht einfach: Die Häfen im rumänischen Galati und im ukrainischen Reni sind eine große lokale Konkurrenz. Doch anders als die Konkurrenz ist Giurgiuleşti in privater Hand. „Wir bieten besseres Service, mit direkter Verbindung ins Land, ohne zusätzliche Zollgebühren.“ Der Deutsche Thomas Moser, 43, ein Mann mit Dreitagebart und festen Schuhen, die dem hiesigen Schlamm trotzen, leitet den Hafen. Früher war er Banker, dann kam er mit der EBRD nach Giurgiuleşti. Moser hat selbst Familie; doch Giurgiuleşti ist wie ein schreiendes Baby, das ständig Aufmerksamkeit verlangt. „Für einen Staat ist es wichtig, einen eigenen Zugang zum Meer zu haben“, sagt Moser. Er steht auf einem Hügel oberhalb des Hafens. Unten glitzert die Donau. Dort, wo sie eine sanfte Schleife nach links zieht und rechter Hand der Prut in den Fluss mündet, liegt der Hafen: Entladekräne, ein Terminal für Rohöl, Getreidespeicher, eine Anbindung ans sowjetische und (bald auch ans) europäische Eisenbahnnetz.
Malz aus Linz, Schotter aus Braila, Pflanzenöl für Italien: Moser erinnert sich an seine vergangenen Aufträge. „Früher dachte man in dieser Gegend nicht an den Fluss“, sagt er. Man produzierte Gemüse, Obst und Wein; doch die Kolchosen liegen heute darnieder. „Zugang zu neuen Märkten“ ist in diesen Tagen das Synonym für Hoffnung.
Steuerfrei. Am Hafengelände gibt es auch einen 27 Hektar großen Businesspark, noch steht er leer. Hier sollen sich Firmen ansiedeln, die von einer Steuerbefreiung bis 2030 profitieren können. Rentabel seien Projekte dieser Größenordnung sowieso erst „langfristig“, sagt Moser. Er rechnet in Jahrzehnten. Bis dahin soll aus Giurgiuleşti ein richtiger Verkehrsknotenpunkt geworden sein.
("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.04.2013)