Bäume pflanzen im Hindukusch statt Poolparty auf Ibiza

Waisenkinder
Waisenkinder(c) APA/HELMUT FOHRINGER (HELMUT FOHRINGER)
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Volunteering ist ein Trend, auch im Tourismus. Im Urlaub arbeiten erweitert die persönlichen Erfahrungen und Grenzen.

Bozen. „Berghütte statt Ballermann“ bringt Felizitas Romeiß-Stracke, an der Universität München Professorin für Tourismusarchitektur, eine neue Sehnsucht auf eine Formel. Zwar bewegt der Pauschal-Badetourismus nach wie vor Menschenmassen, aber parallel zur sozialen Bewegung in Richtung Nachhaltigkeit und Lebensqualität hat die Wissenschaftlerin einen Bewusstseinswandel auch im Tourismus beobachtet. Menschen, denen intensive, nicht exzessive Erfahrungen wichtig sind, möchten sich im Urlaub auf Land und Leute einlassen. Statt in einem artifiziellen Paralleluniversum abzuhängen, suchen sie das wirkliche Leben. Wenn dabei Gutes herauskommt, umso besser.

Freiwilligenarbeit liegt im Trend. Die einen kümmern sich um Waisenkinder in Afrika, andere pflanzen Bäume im Hindukusch. Eine überschaubare Zeit im Ausland verbringen, interessante Leute kennenlernen, helfen und dabei wenig Geld ausgeben: Ungefähr so lässt sich die Motivationslage der meisten Volunteers umschreiben. Die große Mehrheit der Freiwilligen ist jung, hat gerade die Matura gemacht und möchte Bedenkzeit, bevor sie sich beruflich festlegt. Der Altersdurchschnitt bei den gesetzlich geregelten Tätigkeiten, wie etwa dem Freiwilligen Sozialen Jahr im Ausland, liegt bei 20 Jahren. Finanziell unterstützt werden solche Auslandsaufenthalte von Kirchen, sozialen Organisationen, der EU oder den UN. Wobei sich die Angebote oft an noch nicht Berufstätige richten, häufig gilt eine Altersklausel.

Zu berücksichtigen ist, dass Freiwilligenarbeit besonders im fremdsprachigen Ausland mit einem hohen Planungsaufwand verbunden ist. Projekte, Flüge und Impfungen kann man selbst organisieren. Einfacher ist es jedoch, die Dienste einer Institution oder einer Agentur in Anspruch zu nehmen (siehe „Auf einen Blick“). Diese haben Ansprechpartner vor Ort und kennen Wege, die Reisekosten vergütet zu bekommen bzw. am Einsatzort ein Taschengeld.

Praktika und Camps

In Österreich organisiert der Verein Grenzenlos, eine gemeinnützige NGO, die sich seit 1949 der Friedensarbeit widmet, Auslandsprogramme mit dem Ziel, Menschen unterschiedlicher Kulturen, Generationen und sozialer Gruppen durch Zusammenleben und Zusammenarbeiten einander näherzubringen. Das Angebot reicht von Freiwilligenarbeit über Praktika im Ausland und geförderte Europa-Programme bis zu internationalen Camps. Eines der führenden privaten Unternehmen, die Freiwilligendienste und Praktika anbieten, ist Projects Abroad. Seit der Gründung 1992 in Großbritannien haben über 25.000 Freiwillige am Programm teilgenommen. Für alle deutschsprachigen Interessenten ist das 2001 gegründete Berliner Büro Ansprechpartner. Die Interessierten wählen Abreisedatum, Aufenthaltsort, Projektart und Dauer selbst. Die Teilnahme ist mit Gebühren für Unterkunft, Verpflegung, Versicherung und Organisation verbunden. Derzeit etwa arbeiten Freiwillige an einer Inka-Stätte in der Provinz La Convencion. Sie helfen dort bei der Restaurierung von Mauern und Terrassen, der Freilegung von Pfaden und der Kartografierung der Ruinen. Für das Projekt werden ganzjährig Freiwillige angenommen.

Auch die Tourismusindustrie hat den Trend entdeckt. Der Lonely-Planet-Verlag hat schon vor Jahren den „Volunteer: A Traveller's Guide“ herausgebracht: „Willst du echte Begegnungen mit Einheimischen? Willst du den Gastgebern etwas zurückgeben?“ wird im Klappentext gefragt. Auf knapp 300 Seiten präsentieren die Autoren Optionen, wo das am besten gelingt. Eine touristische Variante haben die Osttiroler geschnitzt: Drei-Tage- oder Wochenpraktika auf Osttiroler Bauernhöfen. Heuen, buttern, melken, Stall ausmisten oder Brennholz hacken, das alles kann man bei ausgewählten Partnerbetrieben für 195 Euro pro Woche mit Frühstück und Logis erlernen.

Volunteering ist freiwillig, aber nicht kostenlos: Je nach Destination sind Flugtickets einzuberechnen. Die Krankenversicherung im Ausland kostet zwischen 50 und 400 Euro. Dazu kommen eventuell noch Kosten für die Ausrüstung und für Impfungen. Für den internationalen Führerschein sind zwischen 50 und 120 Euro zu veranschlagen. Die Agenturen berechnen Gebühren zwischen 500 und 1000 Euro. Die Gesamtausgaben für einen Monat können somit bei 2000 bis 3000 Euro liegen.

Auf einen Blick

Voluntarism is universal: Unter dieses Motto stellte die UN, die zahlreiche Freiwilligenarbeit-projekte betreibt, den „World Day for Cultural Diversity for Dialogue and Development“ am 21. Mai.www.unvolunteers.org/

Alliance of European Voluntary Service Organisations: www.alliance-network.eu/

Grenzenlos – interkultureller Austausch: Heiligenstädter Straße 2, 1090 Wien. Postzustellungen: Latschkagasse 1/4, 1090 Wien. 01/315 76 36, Fax: 01/315 76 37
www.grenzenlos.or.at/
www.volunteering.at

Weitere Anbieter: Projects Abroad
www.projects-abroad.de

Weltweite Volunteer-Projekte ohne Vermittlungsgebühr unter www.independentvolunteer.org

Agenturen:
http://sommer.osttirol.com/de/angebote/angebote-details/items/43.html
www.volunteersouthamerica.netwww.globalvolunteernetwork.orgwww.gvi.co.uk

("Die Presse", Print-Ausgabe, 25.05.2013)

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