Coachella Valley: Die Moderne in der Wüste

Coachella Valley: Die Moderne in der Wüste
Coachella Valley: Die Moderne in der WüsteReuters
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Wüste, Kakteen, gleißendes Licht. Und doch ist es in diesem weiten kalifornischen Coachella Valley nicht so heiß wie erwartet.

Sogar im Sommer ist das Klima durch den ständigen Wind einigermaßen erträglich; im Winter ist es hier im Hauptort Palm Springs schmeichelnd warm. Und durchaus grün – es gibt genug Wasser aus den umliegenden Bergen für die Palmenhaine und die Canyons. Die Berge wirken übrigens blau und schimmern morgens und abends pink. Hollywood ist nah, Las Vegas ist auch nicht weit. Logisch, dass die Szenerie schon die Filmmenschen der 1930er-Jahre anzog.

Die Lage von Palm Springs hat etwas Besonderes, aber der Europäer kommt heute weniger der Natur, der Partys und Festivals, sondern vor allem der Baukunst wegen. Nirgendwo sonst findet sich Mid-Century-Architektur so geballt auf der Welt wie hier. Und man kann in einigen Objekten auch übernachten, shoppen, feiern, die Atmosphäre inhalieren.

Wie kam's dazu? Man schreibt die Vierziger-, Fünfziger-, Sechzigerjahre: Alle Stars dieser Welt beschließen, sich in Coachella Valley anzusiedeln, von Clark Gable bis Marilyn Monroe, von Frank Sinatra und dem restlichen Rat Pack bis zu Elvis, Einstein oder den Nixons. Und sie geben berühmten, aber auch jungen, mutigen Architekten den Auftrag: Bauen Sie! Irgendetwas, irgendwie, nur originell soll es sein. Money no object, im Gegenteil: Oft ist ostentativer Protz gewünscht. Und rasch, weitläufig, möglichst noch nie da gewesen. Und so wächst eine Stadt zwischen den Bergen, die für ihre Architektur weltberühmt wird.

Keine Motels

So eine illustre Gesellschaft braucht dann natürlich auch Golf- und Tennisklub, Tankstelle, Post und Bank, Shoppingcenter, Rathaus, einen Racquet-Klub (an dessen Pool räkelnd Marilyn Monroe angeblich entdeckt wurde), eine Bergstation für die Palm Springs Areal Tramway auf den Berg. Und Hotels (niemals Motels, dafür war man hier zu vornehm). Das steht dem Urlauber auch heute in der 45.000-Einwohner-Stadt alles zur Verfügung.

Das Tal war schon lange von Indianern besiedelt, die die heißen, mineralhaltigen Quellen nützten (wir befinden uns im Andreasgraben!). Dann kam die Southern Pacific Railroad, die Küste mit Küste verband. Man entdeckte die Gegend als wunderbare Überwinterungsgelegenheit, stylte die ersten Hotels als Ranches und spielte „wilder, wilder Westen“ wie im berühmten „Desert Inn“. Ursprünglich waren das ein paar Hütten und Zelte, die als Sanatorium für Lungenkranke dienten – die trockene, gute Luft (weniger als zehn Prozent Feuchtigkeit) zog viele hierher. Doch nach dem Tod des Arztes ließ seine Ehefrau, Nellie Coffman, ein Hotel errichten und erweiterte es immer wieder im Hacienda-Stil. Auch die Zugstation begrüßte die Gäste spanisch/mexikanisch. Gern kopierten die vielen neuen Hotels Pueblos. Nach dem Ersten Weltkrieg begann der richtige Bauboom, Lloyd Wright, Sohn des berühmten Frank Lloyd Wright, entwarf 1923 das „Oasis Hotel“, immer noch sehr spanisch, doch dann kamen die vom Bauhaus begeisterten Architekten und entwickelten den „Desert Modernism“: John Porter Clark, William F. Cody, E. Stewart Williams und der Schweizer Albert Frey.

Nicht zu vergessen Richard Neutra aus Wien Leopoldstadt, Schüler von Max Fabiani, Karl Mayreder und Adolf Loos. In New York lernte er Frank Lloyd Wright kennen und übersiedelte nach Los Angeles. In Hollywood errichtete er eines der ersten Fertigteilhäuser, eine Stahlkonstruktion, die ihn international berühmt machte. Gleichzeitig entwarf er ein Haus für die Werkbundsiedlung – ein Stück Kalifornien für Wien Hietzing. Neutra war bei seinen Auftraggebern speziell beliebt, weil er genau auf ihre Wünsche einging und sie umfangreiche Fragebögen ausfüllen ließ. 1946 errichtete er das „Kaufmann Desert House“ nahe Palm Springs in einsamer Landschaft am Fuß des Mount San Jacinto, sein berühmtestes Haus – und wohl das Beispiel für Desert Architecture schlechthin.

Shootings und Rundgänge

Palm Springs ist sich seiner architektonischen Schätze durchaus bewusst und inszeniert sie – auch viele Modelabels und Werbeagenturen kommen für Fotoshootings hierher. Regelmäßig im Februar kann der Besucher bei der Modernism Week einen wahren Veranstaltungsmarathon durch die gestylte Welt der Mid-Century-Modern-Architecture antreten. Er darf sich bei den Führungen, Konzerten, Lesungen und Dinner-Events dann fühlen wie Frank Sinatra auf seinen Partys im „Twin Palms Estate“ oder wie ein Gast im Haus des Architekten Albert Frey.

Es werden auch Rundgänge durch Häuser angeboten – etwa durch das in Abendrot-Rosa gehaltene Sunnyland-Resort der Familie Annenberg, in dem sieben US-Präsidenten, die Queen mit Familie und eine Unzahl von Hollywood-Größen zu Besuch waren. Sinatra hat hier geheiratet, Bob Hope liebte den hauseigenen Golfplatz. Dessen eigenes Haus auf einer Anhöhe nahe Palm Springs, das einem in den Bergen gestrandeten Ufo ähnelt und in dem James Bond in „Diamonds Are Forever“ seine Gegner austrickste, könnte man übrigens kaufen.

Weit weniger kostet es, eine der berühmten Villen zu mieten, vor allem im Sommer. Wie „Elvis' Honeymoon Hideaway“ mit dem rundum verglasten schwebenden Schlafzimmer, wo er mit Priscilla jahrelang Flitterwochen verbrachte. Oder „The Tony Curtis Estate“, wo Tony mit Janet Leigh lebte. „Harpo Marx Estate“, Lucille Balls „Lucy Estate“, „Bing Crosby Estate“, „Movie Colony Hidden Escape“ – alle sind perfekt renoviert und ausgestattet. Viele dieser Villen und öffentlichen Gebäude werden von der eigens gegründeten Non-Profit-Organisation Palm Springs Modern Committee erhalten, die oft Führungen und Events organisiert.

Apropos ausgestattet: Im Uptown Design District, am North Palm Canyon Drive zwischen Alejo Road und Vista Chino Drive, warten über zwei Dutzend Retroshops auf Shopper. Von originellen Kleinmöbeln bis zu grellstem Schmuck findet man nostalgische Erinnerungen an Doris-Day-Filme, aber auch schöne Bauhaus-Stücke. Und Neues, Gewagtes, Witziges. Auch ohne Kaufrausch nimmt man viel an Anregung mit nach Hause. Und spätestens jetzt ist das Interesse an Architektur erwacht.

Retroparadies

The Modern Tour – Hoteltipps:Saguaro Hotel Palm Springs, so bunt und im 1960er-Style, wie man es sich nur wünschen kann – und ein Outlet (T. J. Maxx) zum Stöbern in fünf Minuten Entfernung, thesaguaro.com

ACE Hotel & Swim Club mit
originellen Bungalows, acehotel.com

Frühstück:Norma's, oft von Stars besucht, theparkerpalmsprings.com

Pinocchio, berühmt für „bottomless Champagne“, pinocchios.com

Dinner: Lulu, grandiose Steaks und Cocktails, lulupalmsprings.com

Bartipp:Melvyn's, voller Erinne-rungen an Filmstars, inglesideinn.com

Shoppen:premiumoutlets.com

Celebrity-Tours:thebestofthebesttours.com

Villen mieten: vacationpalmsprings.com/?pl=visitpalmsprings

Die Kosten der Reise trug das Palm Springs Bureau of Tourism:
VisitPalmSprings.de

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.08.2013)

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