Zagreb: Kaiserliches innen, draußen Beton

Zagreb: Kaiserliches im innerstädtischen Grün, draußen Beton
Zagreb: Kaiserliches im innerstädtischen Grün, draußen Beton(c) www.BilderBox.com (www.BilderBox.com)
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Eine Designerin radelt mit Touristen durchs quirlige Zagreb: zu Parks, in Titos Trabantenstädte und zum renovierten k. u. k. Erbe.

Zagreb/N-ost. Wenn sie die Touristen in der Mittagshitze verschwitzt durch Zagreb stiefeln sieht, muss Alida Mezic lächeln. „Warum sich die Sohlen verbrennen, wenn man mit dem Fahrrad den Fahrtwind genießen kann?“ Seit drei Jahren bietet Mezic Stadttouren mit dem Fahrrad an. „Das habe ich zum ersten Mal in Buenos Aires gesehen“, sagt die 44-jährige studierte Designerin.

Mit maximal zwölf Gästen fährt Mesic durch Zagreb. Ab und zu bleibt die Gruppe für einen Schnappschuss stehen oder macht eine Kaffeepause. Ein Ziel ist die mächtige Zagreber Kathedrale mit ihren neugotischen Türmen. Ursprünglich im 13. Jahrhundert erbaut, wurde sie im 19. Jahrhundert im neugotischen Stil neu errichtet.

Auch der Zagreber Markt Dolac, auf dem viele Bauern, aber auch Privatleute ihr selbst gezogenes Gemüse, Honig oder in Sliwovitz eingelegte Kirschen anbieten, gehört dazu. Er ist einer der Hauptplätze in der Altstadt. Hier, auf dem benachbarten Jelačić-Platz und in den angrenzenden Vierteln, findet rund um die Uhr das öffentliche Leben statt. Man trifft sich, geht spazieren, hier ist die Promenade der Zagreber.

Feiern bis spät in die Nacht

Wer sich hier treiben lässt, der landet schnell in der Tkalčićeva-Straße. Bar reiht sich an Bar, Café an Café. Umsäumt von vielen Bäumen feiern hier die jungen Zagreber bis spät in die Nacht. „Zagreb ist eine sehr grüne Stadt – ein Zeichen der Liebe früherer Generationen für ihre Heimatstadt“, sagt Mezic und schwärmt: „Ich kenne keine andere Stadt mit so vielen Parks.“ Eine der Grünanlagen, die rund um die Zagreber Altstadt liegen, ist der Zrinjevac. In dessen gusseisernem Pavillon aus der Gründerzeit finden Konzerte statt, hier laden Springbrunnen an heißen Tagen zum Verweilen ein. In dem grünen Gürtel, der sich wie ein U um die Zagreber Altstadt rankt, stehen viele der jüngeren historischen Gebäude wie die Nationalbibliothek oder das Nationaltheater. In der Zuckerbäckerarchitektur des 19. Jahrhunderts erbaut, sind die Gebäude Zeichen der langen k. u. k Vergangenheit Zagrebs und Kroatiens, das bis zum Ende des Ersten Weltkriegs zu Österreich-Ungarn gehörte.

Doch die Altstadt ist nur ein Teil der Sehenswürdigkeiten, die Mezic den Besuchern der rund 800.000 Einwohner zählenden kroatischen Hauptstadt näherbringt. Viele interessieren sich auch für die Lebensgewohnheiten der Zagreber, weiß die gelernte Designerin. Daher führt sie die Gäste auch ins neue Zagreb auf der anderen Seite der Save. „Viele, vor allem die Vertreter der jüngeren Generation, kennen den kommunalen Wohnbau der Sechziger- bis Achtzigerjahre nicht mehr“, sagt Mezic, „die ehemaligen Ostdeutschen ausgenommen, aber die kommen selten nach Zagreb.“

Der Charme des Betons

In Titos Jugoslawien entstanden Wohnblöcke in Fertigteilbauweise. Dazu gehört das Messezentrum genauso wie die Trabantenstadt rund um den Park Bundek. Der Charme des auf dem Reißbrett entstandenen Novi Zagreb ist spröde – Betonplattenbauten neben Betonplattenbauten. Dennoch strahlen sie eine besondere Atmosphäre aus, denn jeder Block ist eine Stadt im Kleinen, mit Kindergärten, Schulen, Läden und Cafés, in denen sich die Bewohner treffen. „Dieser soziale Aspekt interessiert die Besucher besonders“, sagt Mezic.

Währenddessen lebt am Abend in der oberen Altstadt vor dem kroatischen Parlament das Flair vergangener Jahrhunderte wieder auf. Die Journalistin Sanja Panduric hat Jeans und T-Shirt gegen ein mit Rüschen und Bordüren verziertes Kleid aus dem 19. Jahrhundert getauscht. So gekleidet wird sie am Abend den Touristen und Gästen von der berühmten Zagreber Journalistin und Feministin Marija Juric Zagorka berichten. Sie wird begleitet von einem ebenfalls historisch gekleideten Zeitungsjungen, der lautstark die neuesten Nachrichten ausruft. Zagorka war Anfang des 20. Jahrhunderts die erste weibliche Journalistin in Zagreb und kämpfte gegen die gesellschaftliche Unterdrückung der Frauen und für ihre Rechte.

Nur wenige Meter entfernt vom Eingang des Parlaments schmettert Barbara Suttodolcan eine Opernarie. Die 19-jährige Studentin der Zagreber Hochschule für Musik – deren größter Traum es wäre, in der Metropolitan Oper zu singen – spielt eine Opernsängerin des Kroatischen Nationaltheaters aus dem 19. Jahrhundert.

„Wir wollen bekannte und unbekannte Zagreber Personen wiederauferstehen lassen“, erklärt Marlisa Fasaic vom Touristenbüro der Stadt Zagreb den Hintergrund dieser „Zagreber Zeitmaschine“. Schwerpunkt ist dabei die Zeit, als Zagreb als Teil der k. u. k. Monarchie noch Agram hieß. Personen aus der Nachkriegsgeschichte kommen noch nicht zu Wort – „das ist historisch noch viel zu jung“, sagt Fasaic. Fünfzehn verschiedene Charaktere, vom Kohlenverkäufer bis zum k. u. k Offizier, treten jeweils am Wochenende abends auf und lassen die Besucher an ihrer Geschichte teilhaben.

An einigen Stellen vermittelt Zagreb heute wieder den Eindruck einer Großstadt aus der Zeit der österreich-ungarischen Monarchie. In der Altstadt sind seit dem Zerfall Jugoslawiens zahlreiche Häuser von Grund auf renoviert worden. Den EU-Beitritt nimmt man hier gelassen. „Die Zugehörigkeit zur EU ist wichtig, aber wir dürfen unsere Identität nicht verlieren“, sagt Stadtführerin Mezic. Persönlich erwartet sie mehr Touristen, die die Stadt erkunden wollen. „Zagreb war bisher noch nicht wirklich ein touristisches Ziel“, lächelt sie. Jetzt werde die Stadt jedoch zu einer neuen europäischen Metropole: „Und bislang sind alle Besucher positiv überrascht.“

Zagreb auf den ersten Blick - Rad fahren, essen, Kunst und Geschichte genießen

Stadtouren per Rad

Blue Bike Zagreb. Alida Mezic zeigt Touristen auf dem Fahrrad die Altstadt, Titos Zagreb und spezielle Thementouren.

zagrebbybike.com

Restaurants

Fischrestaurant Korcula, Teslina 17, Zagreb, +385/(0)1/487 21 59

Spezialitätenrestaurant Ivica i Marica (Hänsel und Gretel), Tkalciceva 70, Zagreb, +385/(0)1/482 89 99 (auch vegetarische Küche)

Brauerei Medvedgrad, Tkalciceva 36, Zagreb, +385/(0)1/492 96 13

Museen
Museum für kroatische Geschichte. 1846 eröffnet, bewahrt und präsentiert das Museum das geschichtliche Erbe Kroatiens. In 15 Einzelsammlungen werden Exponate vom frühen Mittelalter bis heute gezeigt. Matoseva 9;
+385/(1)/485 19 00. Mo–Fr 10–18 Uhr, Sa–So 10–13 Uhr. hismus.hr

Museum der zerbrochenen Beziehungen
Das 2011 ausgezeichnete Museum zeigt, was nach beendeten Beziehungen übrigbleibt. Cirilometodska 2; +385/(0)1/485 10 21.
brokenships.com

Galeriezentrum Museum Mimara

3750 Kunstwerke unterschiedlicher Kunstrichtungen, Materialien und Kulturkreise. Um die 450 Bilder Alter Meister der verschiedensten Schulen, darunter Raffael, Velasquez, Rubens, Rembrandt und Goya, 200 Skulpturen, Objekte von der Antike bis ins 20. Jahrhundert. Rooseveltov trg 5. Di, Mi, Fr, Sa 10–17 Uhr, Do 10–19 Uhr, So 10–14 Uhr. mimara.hr/

Glypthotek (Hazu)

13.000 Werke, Bildhauerkunst vom 5. Jahrhundert v. Chr. bis heute. Medvedgradska 2, +385/(0)1/468 60 50: Di–Fr 11–19 Uhr, Sa–So 10–14 Uhr. mdc.hr/gliptoteka

Zagreber Museum für Stadtgeschichte

Auf anschauliche Weise wird das kulturelle, wirtschaftliche, künstlerische und politische Leben der Stadt Zagreb, von der Römerzeit bis heute, gezeigt. Opaticka 20, +385/(0)1/485 13 61; 485 13 62. Öffnungszeiten: Di, Mi, Fr 10–18 Uhr, Do 10–22 Uhr, Sa 11–19; So 10–14 Uhr
mgz.hr

Einkaufstipp
Haus der kroatischen Modedesigner TEA; Tkalciceva 73, Zagreb, +385/(0)1/466 79 66

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.09.2013)

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