Kanaren: Einfach wandern in stiller Größe

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Schwarz-rote Erde, grüne Pinien, der größte Erosionskrater der Erde und tolle Ausblicke: La Palma ist ein Paradies der Stille und Größe. Wanderer mögen das.

Eigentlich sollte man nicht über La Palma schreiben. Kämen viel mehr als die rund 140.000 Touristen pro Jahr, wäre es mit dem Frieden und der intakten Natur wohl bald vorbei. Außerdem hätten die Palmeros weniger Zeit, dieselbe einfach verstreichen zu lassen und ab und zu im eigenen Garten nach dem Rechten zu sehen.

Die Kanareninsel im Nordwesten des Archipels ist nicht einmal zweimal so groß wie Wien. Dennoch bringt es der 708 Quadratkilometer große Felsbrocken, der bis zu 2426 Meter in den Himmel ragt, auf fünf Klimazonen. Die Hauptattraktion ist die Caldera de Taburiente, der größte Erosionskrater der Erde.

Bei einem Durchmesser von rund acht Kilometern geht es spektakuläre 1800 Meter in die Tiefe. Auch der Lorbeerwald Los Tilos ist der größte seiner Art – zumindest auf den Kanaren. In der urzeitlich verwunschenen Vegetation werden manche Exemplare 40 Meter hoch.

Der Reiz der Insel ist aber nicht in Zahlen, in Superlativen zu messen. Und La Palma fesselt auch nicht auf den ersten Blick. Man muss der Insel Zeit geben. Die richtige Geschwindigkeit hat man beim Wandern. Während der oft steilen Auf- und Abstiege sind immer wieder Pausen notwendig. Zwei bis drei Kilometer pro Stunde – mehr ist bei diesen Steigungen nicht drin.

Da bleibt Zeit, den Boden nach einer der 80 Pflanzenarten abzusuchen, die es nur auf der Insel gibt, oder einfach in das blühende Frühlingsgrün zu schauen oder übers Meer, das sich, egal wo man ist, praktisch immer irgendwo mit ins Bild schiebt.

Wandelndes Pflanzenlexikon

Über 800 Kilometer markierter Wanderwege machen aus dem Basaltbrocken im Meer ein Paradies der Wanderer. Dabei sind nicht alle Insulaner begeisterte Fußgänger. Sie mussten es sein, denn das eigene Auto war bis vor wenigen Jahrzehnten noch die Ausnahme. Heute überlässt man das Wandern lieber den Touristen, die sich oft einem geschulten Guide anvertrauen. So erfährt man mehr über die andersartige und üppige Natur.

Die Deutsche Christiane Weigelt ist so ein wandelndes Pflanzenlexikon. Mit immer neuen Details überrascht die Wanderführerin von NaturArte, bestimmt Gagelbaum und Labkraut, Zistrose und Natternkopf und kommt doch immer wieder auf die mächtigen Pinien zurück, die zweifellos ihre botanische Lieblinge sind.

Aber sie sind ja auch beeindruckend, die mächtigen Kiefern oder Pinien wie sie etwa an der Nordküste, der sogenannten Rheumaküste tausendfach in den Himmel wachsen. Besser gesagt: in die Wolken, denn hier oben ist es oft feucht und wenn man genau hinhört, vernimmt man ein leises, stetiges Tropfen. Dunst kondensiert an den Nadeln der Pinien und fällt auf den Waldboden. Die Bäume, sagt man hier, „melken die Wolken“.

Biosphärenreservat

Die spannendsten Wanderrouten führen entlang des Kraterrandes der Caldera de Taburiente oder durchs jüngste Vulkangebiet im Süden der Insel, wo 1971 der Teneguía ausbrach. Leider sind Rundwanderungen kaum möglich. Man muss also einen Wagen am Zielpunkt abstellen oder den Busfahrplan prüfen, ob es Möglichkeiten gibt, wieder zurück ins Hotel zu kommen. Wenn die geplanten sechs Herbergen am Fernwanderweg GR130 fertig sind, der die Insel entlang der Küste umrundet, wird man endlich einen echten Mehrtagestreck machen können.

Anders als die Nachbarinsel Teneriffa ist La Palma noch nicht verbaut. Derzeit gibt es erst vier Hotelkomplexe mit mehreren hundert Zimmern – der Rest sind kleine Pensionen, Ferienwohnungen oder Hotels in Formaten, wie sie zur Insel passen. Überhaupt scheint die kleine Kanareninsel ein Vorbild für sanften und nachhaltigen Tourismus zu sein, was auch daran liegt, dass es kaum Strände gibt und sich das abschüssige Land schlecht für Großprojekte eignet. Also hat man aus der Not eine Tugend gemacht und die Bedingungen geschaffen, dass das Biosphärenreservat, das 1983 das Gebiet des Lorbeerwalds Los Tilos schützte, 20 Jahre später auf die gesamte Insel ausgedehnt werden konnte.

Der geschützte Himmel

Selbst der Himmel über La Palma genießt einen besonderen Schutz, zumindest der Nachthimmel. Damit die Forscher des astrophysikalischen Laboratoriums am Roque de los Muchachos die Tiefen des Universums untersuchen können, sind etwa Leuchtreklamen verboten. Stolz ist die internationale Forschungseinrichtung auf das Gran Telescopio Canarias, das derzeit größte Spiegelteleskop der Welt.

Auf der schmalen Bergstraße LP 403 kommt man bis zum Gipfel des Roque de los Muchachos, wobei man die Observatorien passiert. Unser Wandertipp für den Berg der Obervatorien: vom Parkplatz Rocque de los Muchachos über den GR 131 zum Pico de la Cruz (2351 m) bis zum Pico de la Nieve (1829 m). Hin und zurück sind das 18 Kilometer, für die man einen ganzen Tag einplanen sollte. Der Höhenunterschied pro Strecke beträgt immerhin 430 Meter.

Ob die Isla Bonita, die „schöne Insel“, wie die Palmeros ihre Heimat nennen, auf dem Weg des sanften Tourismus bleiben wird, ist jedoch ungewiss. Der Inselregierung liegen Bauanträge für fünf Golfplätze, eine Autobahn und neue Hotels vor.

Schluchten hinauf und hinunter

Einerseits ist es verständlich, das durchaus schmale touristische Angebot zu erweitern. Andererseits liegen Schönheit und Charakter von La Palma gerade in ihrer unverbauten Natur und der sympathischen Art ihrer Bewohner. Man ist weltoffen, pflegt aber einen ruhigen und gemächlichen Alltag. Lebensqualität ist keine Frage des Konsums. Vielmehr kommt sie aus dem Vertrauten, den Freunden, der Familie, den Früchten des eigenen Gartens.

Auch die rund 8000 Ausländer, von denen 5000 Deutsche sind, suchen den Rhythmus des einfachen Lebens, den es in ihrer alten Heimat schon lange nicht mehr gibt. Das ist einer der Gründe, weshalb die Giris, wie die Residenten manchmal abschätzig genannt werden, insgesamt gut aufgenommen werden. „Sie wollen so leben wie wir“, erklärt Oscar, der als Busfahrer schon in Madrid und auf Teneriffa gearbeitet hat. Aber wie so viele Palmeros konnte er ohne seine Insel nicht sein und kam wieder zurück.

„Es ist nirgendwo schöner als auf La Palma“, sagt Juan Rodriguez. Der rührige Manager des Hotels Romantico im Norden der Insel hat eine Zeit lang in Deutschland und in der Schweiz gelebt. Und um seine Gäste von den Vorzügen der Insel zu überzeugen, wandert er mit ihnen wie vor 22 Jahren, als er mit dem Hotelbetrieb begann, „die Schluchten hinauf und wieder runter“.

LA PALMA – ISLA BONITA: die Schöne für die Guten

Anreise: von Wien via Nürnberg oder Berlin mit Fly Niki/Air Berlin, mit Austrian oder Spanair via Madrid und Teneriffa, mit Lauda Air nach Teneriffa und weiter mit Spanair.
www.aua.com
www.flyniki.com;
www.laudaair.com
www.spanair.com

Infos: Spanisches Fremdenverkehrsamt Wien, 01/512 95 80, www.tourspain.es
www.lapalmaturismo.com

Wandertouren: Rhomberg Reisen bietet im aktuellen La Palma-Katalog Hotels und Ferienwohnungen, Wander- und Ausflugsprogramme, geführte Wanderwochen und Mietwagenrundreisen. Flüge ab Wien bis 30. 4. und ab 6. 5. jeden Mittwoch. 05572/22 420-53, www.rhomberg.at

Hotel La Palma Romantica La Llanadas, 38726 Barlovento, 0034/922/186 221,
www.hotellapalmaromantica.com
Hacienda San Jorge, 38712 Breña Baja, 0034/922/181 066 www.hsanjorge.com
Parador Nacional Isla de La Palma,
Ctra. De El Zumacal 15, 38712 Breña Baja, 0034/922/435 828, www.parador.es
Aparthotel Las Olas
, Playa de los Canalejos, Breña Baja, 0034/922/433 015, www.hotellasolas.es

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2008)

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