Auf zwei Rädern bis ans Ende Europas

Per Fahrrad. Johann Lust hat im Alter von 70 Jahren seine Liebe zu ausgedehnten Radtouren entdeckt: Seither ist er mehr als 16.000 Kilometer quer durch Europa gefahren.

Zum 60. Geburtstag bekam er sein erstes „gutes“ Fahrrad geschenkt. Im Alter von 70 Jahren machte er sich erstmals auf eine ausgedehnte Fahrradreise – von Österreich an die französische Atlantikküste. Und mit 74 Jahren hat Johann Lust aus der 1600-Einwohner-Gemeinde Haugsdorf (NÖ) mehr als 16.000 Kilometer auf seinem Rad zurückgelegt. Einmal per Fahrrad nach Frankreich und retour; das nächste Jahr über die Pyrenäen nach Spanien, den Pilgerweg entlang bis Santiago de Compostela; im Vorjahr durch Italien bis nach Rom – seine kürzeste Tour – und heuer der Donau entlang bis ans Schwarze Meer.

Rund zwei Monate nimmt sich der pensionierte Weinbauer jedes Frühjahr frei, um sich auf den Sattel zu setzten. Rund 100 Kilometer fährt er pro Tag. Pausen legt er je nach Witterung ein, ein Mittagsschläfchen, oft am Straßenrand, muss jeden Tag sein. „Zimmer, Kuchl, Kabinett habe ich mit“, sagt er, „damit ich überall übernachten kann, wo es nötig ist.“ Meist bleibt er aber auf Campingplätzen für die Nacht, ab und zu im Hotel.

„Umdrehen gibt's nicht“

Rad gefahren ist Johann Lust schon immer gern, die Zeit für lange Reisen hatte er aber nie. Da war die Arbeit in den Weingärten und auch seine schwer kranke Frau, die auf ihn angewiesen war. Als sie im Rollstuhl saß, baute sich Lust ein spezielles Fahrrad, um gemeinsam mit ihr die Gegend zu erkunden, „so 30 bis 40 Kilometer sind wir jeden Sonntag gefahren“. Erst nach ihrem Tod entdeckte er das Langstreckenfahren – bei jeder Witterung. „Als ich zur Atlantikküste unterwegs war, hat es fast einen Monat lang geschüttet.“ Umkehren wollte er aber trotzdem nicht. Und als er heuer durch Rumänien unterwegs war und seinen Regenmantel suchte, musste er feststellen, dass er ihn rund 200 Kilometern vorher hat liegen lassen. Da müsse man halt einfach weiterfahren, sagt er, bis man ein Geschäft finde, das Pelerinen verkaufe. Mental anstrengend wird für ihn die Ebene – bei Gegenwind: „Du trittst und trittst und kommst nicht vom Fleck.“ Gebirgige Strecken seien da nur halb so wild: „Irgendwann ist ja jeder Berg zu Ende.“

Die nächste Tour für kommendes Jahr steht jedenfalls schon fest. „Eine Himmelsrichtung fehlt mir noch. Da fahr ich hin.“ (zoe)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.06.2014)

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