Endlich a Tiroler, der gscheit überholt

Lotus Super Seven
Lotus Super Seven(c) Wikipedia
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Oldtimer-Tour. Mit einem weitgehend komfortfreien Replika-Roadster von Tirol zum Nordkap. Wer sich ein solches Abenteuer gönnt, hat reichlich Fahrspaß und lernt viele Leute kennen.

Wieso tust du dir das an? Warum nimmst denn kein Wohnmobil? Nein. Er wollte kein Wohnmobil. Und er wollte sich genau das antun. Mit seinem betagten Minimalisten-Roadster, einer Replika des in den Sechziger- und Siebzigerjahren gebauten Lotus Super Seven, hatte er sich das Nordkap vorgenommen. Keine Autobahnen, nur Bundesstraßen und Landstraßen. Vier Wochen und über 10.000 Kilometer. Harte Schalensitze, keine Klimaanlage, der Beifahrersitz als Kofferraum, ein dünnes Stoffdach über dem Kopf. So fährt einer zum Badesee oder zum nächsten Oldtimertreffen. Aber zum Nordkap? Doch Peter Kronthaler aus Erl wollte einmal raus aus dem Alltag und etwas machen, was anders war.

Am 28. Juni startete der Inhaber einer Autowerkstatt im Tiroler Inntal. „Bei Dauerregen ging's auf Landstraßen durch Bayern Richtung Sachsen.“ Kronthaler fuhr jeden Tag so lang, wie es eben ging oder er Spaß hatte. Auf Reservierungen verzichtete er. „Das setzt einen nur unter Druck. Am zweiten Tag bin ich durch die Lüneburger Heide mit traumhaften Alleen“, erinnert sich Kronthaler. Das war alles nur zum Aufwärmen. Genauso wie der dritte Tag rauf nach Dänemark, bis Kopenhagen, dann auf der knapp acht Kilometer langen Öresundbrücke nach Malmö. Abends erreichte er Göteborg, doch das war ihm noch nicht genug. „Ich bin die Nacht durchgefahren und war um Mitternacht in Oslo.“ Sein Plan war eine Rundtour auf der E6 von Oslo im Landesinneren von Norwegen vorbei am Olympiaort Lillehammer durch den Rondane-Nationalpark bis Trondheim und weiter Richtung Norden. 400 bis 600 Kilometer Tagespensum. „Mehr als ein Schnitt von 60 Kilometern pro Stunde ist nicht drin, weil die Straßen schlecht und Geschwindigkeits-überschreitungen extrem teuer sind“, verrät Kronthaler. „Nur die Lastzüge sind schneller – und die lässt du besser vorbei. Die verstehen keinen Spaß.“ Mit einem alten Auto, das kaum Fahrkomfort hat, gewöhnt man sich auch schnell die entschleunigte Fahrweise an. Pausen machte Kronthaler an den Tankstellen, die meist mit einer Jausenstation ausgestattet sind. Pølse, die skandinavische Version der Frankfurter Würstel, wurden zum Grundnahrungsmittel. „Wenn ich an der Tankstelle einen Stopp eingelegt hab, gab's fast immer einen kleinen Auflauf“, sagt Kronthaler. Das ungewöhnliche Fahrzeug mit einem österreichischen Kennzeichen begeisterte japanische Bustouristen, deutsche Wohnmobilfahrer und vor allem die Einheimischen. „Manchmal hab ich mich mit einem Kaffee ein wenig abseits gesetzt und zugeschaut, wie sie um mein Auto rumgestanden sind.“

Kaiserwetter am Nordkap

Vielen Norwegern scheint Österreich vertraut zu sein. „Ah, Österreich, Zillertal, Ski fahren“, rief einer voller Entzücken. Übernachtet wurde in Hütten auf Campingplätzen, was für Alleinreisende eine unökonomische Angelegenheit ist, weil die Preise pauschal für mehrere Gäste gelten. Dafür war die eine oder andere unterhaltsame Einlage inklusive. „Einmal hab ich mich geduscht, die 10 Kronen reingeworfen, bis die Dusche zu Ende war und ich eingeseift dastand und keine Münze mehr hatte. Als ich rausgesprungen bin, stand eine Frau daneben und hat laut aufgeschrien.“

Über Narvik kam Kronthaler auf der E6 weiter bis Alta, der letzten größeren Stadt vor dem Nordkap. Wenige Kilometer vor dem Ziel löste sich wie in einem Filmdrehbuch das tendenziell schlechte Wetter auf – Kronthaler stand bei Kaiserwetter am Nordkap. Der Traum ging in Erfüllung. Mittlerweile war die Hinterachse des Super Seven etwas lädiert, was in einer kleinen Schiffswerkstatt mit umfangreicheren Schweißarbeiten behoben wurde. „Mit meinen exotischen Auto hat das gut geklappt. Das hat die Leute einfach interessiert. Mit einem normalen Wohnmobil wär das schwieriger geworden“, meint Kronthaler. Am Nordkap bist du natürlich nicht allein. Das moderne Besucherzentrum zieht Kolonnen von Bussen, Wohnmobilen und Autos an. Neben dem obligatorischen Fotomotiv mit dem Globus gibt es zum Zeitvertreib Restaurants, Bars, ein Museum, ein 3-D-Kino und einen Souvenirshop.

Für den Rückweg wählte Kronthaler eine kurvenreichere Variante an der Küste mit Ausflügen auf die Vesteralen und Lofoten, traf unterwegs eine Radfahrerin aus Oberösterreich und auf einer Fähre einen schwedischen Bus, dessen Passagiere recht vertraut klangen. „Hearst, da is er, da Rennfahrer“, hieß es auf Wienerisch, und eine Tirolerin juchzte: „Wenigstens a gscheiter Tiroler, der amal richtig übahoid.“ Kronthaler ließ sich Zeit, besuchte ein Wikingermuseum in Borg auf den Lofoten, das Hurtigrutenmuseum mit dem alten Schiff Finnmarken in Stokmarknes, das Lofotenmuseum in Kabelvåg und hatte jeden Tag Begegnungen mit Menschen, die an seinem Super Seven einfach nicht vorbeikonnten. Da waren drei Bayern, die mit ihrem Boot einen 130-Kilogramm-Fisch an Land brachten, das norwegische Ehepaar, das ihn gleich auf einen Kaffee eingeladen und ausgefragt hatte, und der türkische Mechaniker, der ein Leck an der Kupplung repariert hatte und dafür kein Geld nehmen wollte. Eine weite Runde an der Südküste über Kristiansand brachte ihn nach Oslo, dann ging's wie auf der Hinfahrt über Kopenhagen zurück nach Deutschland und auf Landstraßen Richtung Heimat. Nach der letzten Übernachtung bei Heilbronn wartete die Gastwirtin morgens beim Frühstück auf ihn. Sie hatte sein Auto gesehen und wollte unbedingt seine Reisegeschichten hören.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2014)

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