Finnischer Crashkurs in Nordlichtfotografie

NORWAY AURORA BOREALIS
NORWAY AURORA BOREALIS(c) EPA
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Finnland/Schweden/Norwegen. Für Aurora-borealis-Hunting braucht man eine gute Kamera, ein Stativ, Zeit und Wetterglück. Wie im Vorjahr sind zyklusbedingt auch heuer noch in den polaren Regionen starke Nordlichter zu erwarten.

Die Fotomotive sind grandios. Unberührt liegt die Tiefschneeschicht über der Wildnis Finnisch-Lapplands über dem Polarkreis. Die Bäume sind zu bizarren Schneeskulpturen erstarrt. Die Äste trotzen ächzend dem Gewicht der frostigen Last. Nur das Standlicht der Schneemobile wirft ihre verschnörkelten Schatten in den Schnee, während das Örtchen Hetta in der Ferne mit einem sanften Schimmer in die Polarnacht glimmt.

Die Touristengruppe drückt die Stative in den Schnee und macht sich mit den Kameras über den fotogenen Zauberwinterwald her. Nur Guide Kari Anunti schaut sich in aller Ruhe um. Erst links, dann rechts. „Nicht viel Verkehr heute Abend“, kommentiert der Same die Menschenleere. Nein, an diesem Abend ist niemand unterwegs. Aber was noch viel entscheidender ist: Der Himmel ist wolkenverhangen, keine Chance für Nordlichter, die auch heuer besonders zahlreich über den nächtlichen Polarhimmel geistern sollen. Hoffentlich sind die nächsten Nächte wolkenlos, dann kämen auch die Tipps, die es in den vergangenen Tagen gab, zum Einsatz. Einfach draufloszuknipsen funktioniert nicht. „Die Polarlicht-Fotografie ist anspruchsvoll, weil man im Dunkeln und in der Kälte fotografiert“, hatte Antti Pietikainen zu Beginn der Reise in Muonio erklärt. Geschätzt über 200.000 Aufnahmen hat er bereits gemacht. Nun gibt er sein Wissen an Touristen weiter.

Vollformat-Kamera

Auch heute will er ein paar Ratschläge mit auf den Weg geben. Die mitgebrachte Ausrüstung liefert schon einmal eine gute Grundlage: eine Spiegelreflexkamera, in diesem Fall eine Vollformat-Kamera, also mit großem Sensor, und ein lichtstarkes Objektiv mit Weitwinkel. Weil die Fotos nachts mit langer Belichtungszeit entstehen, ist auch ein Stativ eingepackt. Ein Ersatzakku, SD-Karten mit ausreichend Speicherplatz und ein Fernauslöser, der Verwacklungen durch das Auslöser-Drücken an der Kamera verhindert, komplettieren die Grundausrüstung.

Pietikainen empfiehlt, Orte mit Lichtverschmutzung zu meiden. Weil es dann aber stockfinster ist, sollte man seine Kamera gut kennen. „Benutzt man ein Licht, um die richtigen Knöpfe zu finden, müssen sich die Augen danach wieder an die Dunkelheit gewöhnen.“ Und noch ein Rat: „Die Fotos werden interessanter, wenn man das Polarlicht mit einem anderen Motiv kombiniert, der Landschaft oder einer Person.“

Die Internet-Forecasts aurora-service.eu/aurora-forecast und swpc.noaa.gov/ovation geben auch an diesem Abend kaum Hoffnung. Bewölkung. Dennoch bleibt es bei der Schneeschuhwanderung am nächsten Tag, bei der die Grundvoraussetzungen für die Nordlichtjagd ideal wären. Gareth Hutton wartet bereits in Kilpisjärvi im Dreiländereck zwischen Finnland, Schweden und Norwegen. Er ist kein finnischer Naturbursche, sondern Neuseeländer, der für ein Freiwilligenprogramm in einer Huskyfarm nach Lappland kam. Der Liebe wegen blieb er und gründete eine kleine Outdoor-Safari-Firma. Hutton zieht mit Touristen durch die Wildnis und kombiniert die Touren mit Crashkursen in Sachen Polarlichtfotografie. 16 Kilometer führt die Schneeschuhwanderung hin und wieder zurück durch die hügelige, tief verschneite Fjell-Landschaft inklusive einer Übernachtung in einer Hütte. Weil es bereits am frühen Nachmittag dunkel wird und der Himmel ohnehin bewölkt ist, stapft die Gruppe mit den Kunststofflatschen erst einmal los. Erst abends, während ein Feuer die Hütte aufheizt, geht es wieder um die Polarlichtfotografie: Blitzen ist sinnlos, auch den Autofokus sollte man ausschalten, weil er in der Dunkelheit nicht funktioniert. Gareth empfiehlt eine Kamera, bei der alle Einstellungen manuell vorgenommen werden können. „Man stellt die Schärfe auf ,unendlich‘ und eine offene Blende ein, damit möglichst viel Licht auf den Sensor fällt“, sagt der Nordlichtfotograf.

Da jedes Polarlicht anders ist und sich unterschiedlich schnell bewegt, muss man mit den ISO-Werten, also der Lichtempfindlichkeit, und der sekundenlangen Belichtungszeit experimentieren. „Hat man ein lichtstarkes Objektiv mit einer Blendenzahl von 2.8 oder kleiner, ist die Belichtungszeit kürzer“, sagt er. „Und man muss nicht mit allzu hohen ISO-Werten arbeiten, die je nach Kamera ein mehr oder weniger starkes Rauschen im Bild erzeugen könnten.“

RAW-Format statt JPG

Hutton fotografiert nicht mit dem geläufigen JPG-, sondern dem RAW-Format, bei dem die Bilddaten unbehandelt und verlustfrei gespeichert werden. „Das erfordert zwar deutlich mehr Speicherplatz, ich habe damit aber mehr Möglichkeiten bei der Nachbearbeitung“, sagt er, während das Brennholz im Ofen knackt. „Mit JPG hat man eine Bilddatei, die bereits komprimiert ist und bei der alle weiteren Nachbearbeitungen zu einer verringerten Bildqualität führen.“

Als Gareth mit seinen Erklärungen fertig ist, lassen auch die Schneeböen, die um die Hütte pfeifen, nach. Der Himmel reißt auf, die Sterne funkeln hell und klar. Kurz vor Mitternacht ist meist eine gute Zeit für Polarlichter – doch heute ist nichts zu sehen. Einfach auf gut Glück macht Hutton eine Aufnahme – und siehe da: Was die Augen nicht ausmachen können, hat die Kamera entdeckt. Ein Polarlicht! Ein grünes Band legt sich auf seinem Foto über den Sternenhimmel, ist dabei aber so fein, dass der Wow-Effekt trotzdem ausbleibt. Obwohl es sich immer um Variationen eines Motivs handelt, sind Nordlichter für Hutton immer noch spannend. „Selbst, wenn man immer an derselben Stelle fotografiert, sehen sie jedes Mal anders aus“, sagt er. „Und wenn dann noch andere Orte und die unterschiedlichen Jahreszeiten dazukommen, hat die Langeweile keine Chance.“

NORDLICHTJAGDEN UND SCHNEESCHUHWANDERUNGEN

Touren: Fintouring bietet bequeme Lappland-Komplettpakete unter fintouring.de und 0664/4464626. Eine zehntägige Reise ins Dorf Hetta, die teilweise von Gareth Hutton begleitet wird und u. a. eine Nordlicht-Schneeschuhwanderung und einen Fotoworkshop beinhaltet, kostet ab 1149€ p. P. (polarlichtexpress.de/Gareth). Über adventurebydesign.fi kann man individuelle Schneeschuhwanderungen und Naturexkursionen mit Foto-Crashkursen bei Hutton direkt anfragen. Auch Hetta-Safaris bietet Möglichkeiten zur Nordlichtjagd an – etwa mit dem Schneemobil (hettasafaris.com).
Der Autor wurde unterstützt von Fintouring. (fintouring.de)

Hotels:
Mitten im Pallas-Yllästunturi-Nationalpark direkt am Torassieppi-See bietet das Hotel Torassieppi neben acht Zimmern auch ein kleines Dorf aus acht Ferienholzhäusern, mit Restaurant, Schneehotel und Sauna (zumindest im Winter) mit Eislochzugang. DZ ab 80 Euro pro Nacht. Eine Hütte mit Privatsauna für bis zu sechs Personen ab 160Euro/Nacht (torassieppi.fi).

Übernachten im Glasiglu: Man muss nicht unbedingt draußen in der frostigen Winterlandschaft unterwegs sein, um einen Blick auf den Nachthimmel werfen zu können. In den komfortablen Glasiglus am Rand des Skistädtchens Levi, die mit Bad und kleiner Küchenecke ausgestattet sind, kann man die ganze Nacht vom Bett aus die Sterne und Nordlichter beobachten. 399Euro pro Nacht im Superior-Iglu für zwei Personen. leviniglut.net

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.09.2014)

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