Kaiman-Inseln : Eine Bank in der Karibik

Kaiman-Inseln
Kaiman-Inseln (c) Die Presse (Fehrmann)
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Ein schöner Platz für Postfächer, Konten und Einkäufe. Noch steuerfrei.

Es herrscht hektisches Treiben im Bankenviertel von George Town: gackern, krähen – überall zwischen den Gebäuden streunt Federvieh herum, in den Rabatten, unter Palmen, Hibiskussträuchern und den Bänken, auf denen die Banker in der Mittagspause ihre Sandwiches verdrückt haben. Nach den Krumen picken die Hühner nun, so emsig, als schwante ihnen, dass auch für sie künftig weniger abfallen könnte.

Willkommen im fünftgrößten Finanzzentrum der Welt. In der Schweiz der Karibik, wie die Cayman Islands zuletzt oft apostrophiert wurden. Keineswegs in rühmender Absicht. Vielmehr als Anspielung, dass das britische Überseegebiet als Hort steuerflüchtiger Unternehmen gilt. Als sündige Steueroase, die nach Ansicht der US-Steuerbehörden, des deutschen Finanzministers und des Papstes „ausgetrocknet“ gehört.

Postfachdasein

Vor Ort indes, im Licht der tropischen Nachmittagssonne, ist von großer Finanzwelt wenig zu sehen. Stattdessen offenbart sich Beschaulichkeit. Nicht nur in Form frei laufenden Geflügels. Das Bankenviertel des Hauptstädtchens entpuppt sich als spärliche Ansammlung dreistöckiger Bürobauten. In deren Schatten kauern schiefe Holzhütten in traditionellem Weiß, Rosa und Türkis. Aus einem Cafè um die Ecke weht Reggae herüber, zusammen mit dem Geruch von scharfer Muschelsuppe. Auch landschaftlich zeigt sich diese „Schweiz der Karibik“ wenig helvetisch. Nur ein paar Kilometer sind es von George Town zur Seven-Mile-Beach, einer perlweißen Sandsichel, die zu den schönsten Stränden der Karibik zählt.

Hohe Berge gibt es, doch werden sie hier vom Gipfel aus erobert: mit Schnorchel oder Sauerstoffflasche. Die an sich flachen Inseln sind Spitzen eines mächtigen Unterwassergebirges, das die Gewässer rund um Grand Cayman und ihren kleinen Schwestern – Little Cayman und Cayman Brac – zu einem berühmten Tauchrevier macht. Steil und kilometertief fallen die Felswände ab, mit Korallenriffen und üppiger Meeresfauna, darunter jene Seeschildkröten, deretwegen Kolumbus die Inselgruppe bei ihrer Entdeckung „Las Tortugas“ nannte.

Ihren zweifelhaften Ruf haben die Cayman Islands freilich nicht ohne Grund. Das Bankgeheimnis ist hier so heilig wie die Finanzaufsicht großzügig. Außerdem gibt es keine Steuern, Unternehmen zahlen lediglich Meldegebühren. Und so kommt es, dass auf den drei Inseln mit ihren 50.000 Einwohnern heute rund 80.000 Firmen gemeldet sind, darunter 500 Versicherungen, 400 Banken und 2000 Fonds. Doch wer sie in George Town sucht, wird wenig finden, außer zahllosen Schließfächern an der Fassade des kleinen Postamts. Kaum eine Firma fristet hier mehr als ein Postfachdasein.

Überhaupt wirkt George Town weniger wie ein Ort des Geldanlegens als des Geldausgebens. An der Hafenpromenade reiht sich Shop an Shop, verzweigen sich Passagen mit Läden, in denen zoll- und steuerfreie Ware angeboten wird: Schmuck, Kameras, Schweizer Uhren. Auch Kunden gibt es reichlich, Touristen, leicht erkennbar an Einkaufssackerln, aber auch an ihren knappen Shorts und T-Shirts. Der Insulaner dagegen hält noch auf britische Etikette und ist auch bei großer Hitze weitgehend bedeckt.

Einkaufskreuzfahrt

Die meisten Touristen sind auf der Durchreise. Sie kommen auf dem Seeweg, in Horden, vor allem aus den USA. Ihre Kreuzfahrtschiffe liegen vor George Town vor Anker, Ungetüme, die alle Gebäude auf Grand Cayman überragen, und doch den Wohlstand der Inseln sichern helfen. Etliche Kreuzfahrten machen Station in George Town, rund zwei Millionen Touristen gehen jedes Jahr an Land.

Neben den Finanzgeschäften ist es der Fremdenverkehr, von dem die Insulaner heute leben. Notgedrungen, denn die Inseln sind überwiegend sumpfig und landwirtschaftlich kaum nutzbar. Jahrhundertelang hielt man sich mit Fisch- und Schildkrötenfang über Wasser, oder mit dem Drehen von Seilen aus den Blättern der Silberpalme. Lange konnten sie auch von der Steuerfreiheit nicht profitieren. Die war ihnen angeblich 1794 von König George III. gewährt worden, nachdem die Insulaner die Besatzung eines gekenterten Schiffs gerettet hatten, darunter einen Verwandten des Königs. Erst in den 1970er-Jahren ließen sich erste Banken nieder, entstanden Hotels und mehr Jobs. Heute verzeichnen die Inseln den höchsten Lebensstandard der Karibik, das Pro-Kopf-Einkommen ist höher als im Mutterland Großbritannien.

Einen bescheidenen Beitrag dazu leistet auch eine kleine Fabrik am Rande von George Town. Hier wird der berühmteste Exportartikel hergestellt. In der Produktionshalle hängt Rumgeruch, der hunderten gugelhupfartigen Kuchen entströmt, die frisch gebacken in einer Ecke abkühlen. Gegenüber fließt aus Eichenfässern Zuckerrohrschnaps in Bottiche mit Kuchenteig. Es ist hauseigener Rum, aber nicht hausgemachter.

Bevor der Inhaber ins Rumgeschäft einstieg, gab es hier keine Rumproduktion. Er witterte die Marktlücke und ließ aus Jamaika- und Barbados-Rum neue Sorten mischen, die er dann als Kaiman-Insel-Rum vermarktete. So gut lief es jedoch nicht, dass er nicht noch Rum für den Rumkuchen seiner Frau übrig gehabt hätte. Der wurde schließlich zum Verkaufsschlager. Heute laufen täglich bis zu 10.000 „Tortuga Rum Cakes“ vom Band. Sie werden auf Barbados und den Bahamas in Lizenz gebacken, von Miami aus vertrieben, via Internet in aller Welt geordert. Oder vor Ort verkauft. In der Rumkuchenfabrik drängeln sich Touristen zum Verkosten. Schließlich öffnen sie, leicht berauscht, ihre Börsen, um hier, in der Steueroase, ihr Geld zu lassen. Für Rumkuchen. Ausnahmsweise.

GELDKÜSTE

■Hauptreisezeit: Dezember–April. Wirbelsturmrisiko: Juni–November.

■Anreise u. a. mit British Airways mehrmals pro Woche von Wien via London nach Grand Cayman.

■Eldemires Guesthouse: eine der preiswertesten Unterkünfte auf Grand Cayman. DZ ab 110 €/ Nacht, www.eldemire.com
Ritz-Carlton: Luxus pur am Seven Mile Beach. Ab 430 €/Nacht, www.ritzcarlton.com

■Info: www.caymanislands.ky

■Name: Kaimane standen für die Caymans Pate. So darf man auch Kaiman-Inseln zu ihnen sagen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.02.2009)

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