Härrlich, ne – wat is dat schön!

Koeln Sessionseroeffnung am 11 11 in Koeln Auftakt der Karnevalssession 11 11 Koeln 11 11 2014 Koe
Koeln Sessionseroeffnung am 11 11 in Koeln Auftakt der Karnevalssession 11 11 Koeln 11 11 2014 Koe(c) imago/Chai von der Laage
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Mit einem köllsche Mädsche der Comedy-Tour und dem Lachexpress geht es ziemlich humorvoll durch Köln – nicht die übelste Vorbereitung auf den Karnevalwahnsinn am Rhein.

So, Schätzeleins, ihr Lieben“, sagt das resolute köllsche Mädsche, das seit einer Stunde durch den Bus auf- und abtigert, „jetzt wird es leider dunkel. Wir kommen auf die Schäl Sick, in die DDR von Köln. Alles ist hier grau, selbst die Blumen sind hässlich. Und seht euch bloß mal die Menschen an den Haltestellen an: Alle stehen mürrisch herum, alle sind unzufrieden, alle gucken sie mit großen Augen auf die andere Seite und wollen eigentlich nur eins: Nix wie rüber!“
Die 50 Zuhörer brüllen vor Lachen – draußen scheint die Sonne, und die Leute wirken geradezu glücklich, dass sie auf der rechten Seite des Rheins zu Hause sind und sich nicht drüben durch das Touristengetümmel rund um Dom und Hohe Straße schlagen müssen. Jessica Sinapi aber macht das gut.

(c) Die Presse

Spiel mit Klischees und Ironie

Die Schauspielerin mit den italienischen Wurzeln, die die Comedy-Tour durch ihre Heimatstadt begleitet, bombardiert ihr Publikum mit einer Mischung aus Anmache, Gags, Spielen und Mitmachtheater. Sie dosiert ihren weichen rheinischen Singsang so weit, dass auch die Münchner und Lübecker im Bus sie verstehen, und schwört sie ein auf das, was sie „dat Kölle-Jeföhl“ nennt. Es ist ein Spiel mit Klischees, bei dem man nie sicher sein kann, wo die Grenze zwischen Heimatverklärung und Selbstironie verläuft.
Es werde keine Sightseeing-Tour, hat sie gleich zu Beginn angekündigt, sondern eine Reise ins Herz der köllschen Lebensart. Dafür müssen die Gäste zunächst einmal Entzücken auf Kölner Art einüben: „Härrlich, ne, wat is dat schön!“ „Härrlich . . .“ hat nun immer wieder zu ertönen.
Es folgen Bilderrätsel, ein Crashkurs „Wie beleidigt der Kölner richtig?“, Kölsch in Flaschen wird herumgereicht, und man trinkt nicht auf die Heiligen Drei Könige, deren Reliquien Köln reich gemacht haben, nicht auf den einstigen Oberbürgermeister Konrad Adenauer und nicht auf den Fußballer Lukas Podolski, sondern auf – die Liebe!
Bald singen und schunkeln alle mit, der Zeremonienmeister, die Klugscheißerfamilie, der Pressesprecher, das Geburtstagskind und alle anderen auch, die ihre Rolle für diese Tour weghaben. „Drink doch ene met“, heißt die Ballade der Bläck Fööss, und sie handelt vom armen Mann, der ohne Geld in die Kneipe kommt und dennoch an der Theke freundlich aufgenommen wird. „Aber versucht das besser nicht in Wirklichkeit!“, warnt die Köllsche. Sie kennt ihre Köbesse, die doch eher rauhbeinigen Kellner Kölns.
Jessica Sinapi leistet Schwerarbeit. Sie gönnt sich keine Pause, hat keinen Hänger und ihr Publikum fest im Griff. Die beiden Pärchen aus dem befeindeten Düsseldorf dürfen bleiben, auch wenn sechs waschechte Kölner fröhlich krähen: „Schmeißt se russ!“ – und irgendwann ahnt man, dass es sich mit dieser Tour so ähnlich verhält wie mit dem Karneval: Sie nehmen einen einfach mit, die Kölner, und man lässt sich entweder darauf ein, oder man lässt es von vornherein.
90 Prozent der Hiesigen, scheint es, sind zum Frohsinn geboren und sehen ihre Berufung darin, die übrige Welt anzustecken. Die restlichen zehn Prozent wohnen auf der Schäl Sick. Ganz allmählich stellt es sich jetzt ein, det Kölle-Jefühl. Es ist eine Mischung aus Fröhlichkeit und Melancholie, aus Sentimentalität und Schnoddrigkeit, eine Atmosphäre, an der man schon zuvor im „Gaffel am Dom“ kurz schnuppern durfte: In der weiten Bierhalle saßen Massen von Frauen und Männern in weiß-roten Trikots an langen Tischen und sangen selig: Der 1. FC hatte wieder einmal gewonnen, der Aufstieg aus der Zweiten Liga steht fest. Tätowierte Bodybuilder schnieften verstohlen, die Köbesse rempelten sich mit ihren vollen Tabletts mittendurch und knallten wortlos Kölsch auf Kölsch vor die Gäste. Ist ja auch klar: Solange kein Bierdeckel auf dem Glas liegt, kommt Nachschub. Und es trinkt sich ja so schnell weg, eines nach dem anderen, das süffige, helle Bier in den schlanken, kleinen Gläsern – „Urinprobe“ nennt es einer der Düsseldorfer im Bus in selbstmörderischer Absicht. Dann gehen eineinhalb Stunden Stand-up-Comedy zu Ende. Es war „ne-wat-schön“, aber von der Stadt, die draußen vorbeigezogen ist, hat man wenig erfahren. Geht das auch anders? Wie macht es etwa die Konkurrenz von der Lachexpedition?

Lokaltypisches Getränk

Edno Bommel heißt hier der Chef an Bord, ein Sachse in Köln, ein Zugereister, wie jeder, der nicht mindestens fünf Ahnengenerationen auf dem Melatenfriedhof liegen hat. Beim Dom erzählt er, dass von 1248 bis 1880 daran herumgewerkelt wurde, am Geschäft von 4711, dass das Duftwasser nach der Hausnummer benannt wurde, die die französischen Besatzer vergaben.
Es geht vorbei am „gläsernen Walfischbauch“, den Renzo Piano für eine Textilkette errichtet hat, und an der zehn Meter hohen, knallbunten Eistüte, die die Pop-Art-Künstler Claes Oldenburg und Coosje van Bruggen an ein Gebäude am Neumarkt geklebt haben. Hier fand 1823 auch der erste Rosenmontagszug statt, „immer im Kreis herum“, und im Übrigen, meint Bommel, der Mann im hellbraunen Cordsakko, finde sich „historisch kein Beleg, dass dieser Platz je schön gewesen wäre“.
Am Millowitsch-Theater erzählt er von der Puppenspielerdynastie, aus der der geliebte Willi hervorging, auf dem Melatenfriedhof von den Halsbandsittichen, die sich hier angesiedelt haben. Im neureichen Düsseldorf gebe es sie übrigens auch: „Halsbänder von Swarovski.“ Und natürlich wird auch in diesem Bus immer wieder heftigst lokalem Liedgut gehuldigt: „Ich mööch zo Fuß noh Kölle gonn“, schrieb der schon todkranke Sänger Willi Ostermann 1936, ein letztes lokalpatriotisches Bekenntnis, ehe er aus dem Kreis der Jecken auf Erden ausschied. „Und alle!“, befiehlt Bommel. Ein Tribut an die meistbesungene Stadt der Welt.
Angekommen auf der Schäl Sick dürfen die Teilnehmer sogar aussteigen, erhalten ein „lokaltypisches“ Erfrischungsgetränk und dürfen den massiven Klinkerbau der Kölner Messe bewundern, in dem RTL residiert. Schäl Sick heiße die rechte Rheinseite im Übrigen, weil den Pferden, die die Schiffe zogen, die Sonne in die Augen schien, worauf sie nur noch „schäl gucken“, schielen, konnten.
Nach einer Stunde und 45 Minuten ist der Bus zurück am Ausgangspunkt vor der Sion-Brauerei. Wer mehr über die Stadt erfahren wollte, hatte bei Bommel richtig gebucht. Lustiger war's mit Jessica bei der Comedy-Tour. Aber wie auch immer: Ein paar echte Kölner, und der eine oder andere wagemutige Düsseldorfer, sollten schon mit an Bord sein.

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