Ein Platz an der Sonne, ein Platz vor der Hütte

Knuttenalm im Reintal
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Südtirol III. Ausblick mit Gipfeln, Idyllen mit Altholz, Küche über allen Erwartungen. In vielen Hütten hinter dem Brenner kann man so gut sitzen und staunen wie essen und trinken. Fünf Exemplare.

Almwirtschaft ist in Südtirol eine Grundfeste bäuerlichen Lebens. Mit Sommerbeginn öffnen sich auf manchen Almen auch die Hüttentüren für Gäste, die dann draußen auf Holzbänken das Panorama bestaunen. Während drinnen die Wirtsleute Hunderte von Knödeln rollen, meterweise Nudel- oder Strudelteig walken und mit Gemüse, Käse, Speck oder Erdäpfel füllen. Die Familie hilft zusammen: Die Schlutzkrapfen (gefüllte Teigtaschen) zum Beispiel bekommt Michael Ebenkofler, der mit seiner Schwester die Knuttenalm am Talschluss des Reinbachs betreibt, von der benachbarten Durraalm herübergeliefert. Auch sonst noch ist viel zu tun für die junge, lässige Crew in der kleinen Hüttenküche, weil ihr Anspruch an die Qualität hoch und an sonnigen Tagen die ansehnliche Almwirtschaft sehr gut besucht ist. Denn für manche ist der Weg zur Knuttenalm das Ziel einer gemütlichen Wanderung im Naturpark Riesenferner Ahrn.

Man folgt hier dem kristallklaren, mäandernden Bach, und marschiert, sofern man nach der Hütteneinkehr noch motiviert ist, ein Stück weiter zum See am Kamml hinauf. Andere, Sportlichere, legen in der Jausenstation einen kurzen, ergiebigen Stopp ein, hier führt eine beliebte Mountainbikeroute über das Kammljoch ins Defereggental nach Osttirol.

Gostner Schwaige

Unter Südtirol-Freunden ist die Gostner Schwaige kein Geheimtipp, genauso wie die Seiser Alm keine verschwiegene Landschaft ist. Dass beide von Urlaubern gern frequentiert werden, tut weder der Qualität der kleinen Hütte wie der Schönheit von Europas größter Hochalm keinen Abbruch. Glück soll man teilen. Und so sucht man die Gostner Schwaige am besten früh heim (sonst sollte man reservieren). Für den Gastro-Laien ist es kaum vorstellbar, dass aus Franz Mulsers Miniaturküche so viel Erstaunliches hinausgeht: hocharomatische Blumenarrangements, exzellente Fleischgerichte. Drin werkt er still und konzentriert, Musik schwebt durch den Raum. Die Stimmung überträgt sich auf Stüberl und Terrasse. Die Idee, Hof und Schwaige zu übernehmen, ließ Mulser die Zelte in der Spitzengas-tronomie (bei Obauers in Werfen, bei Hans Haas in München) abbrechen. Großteils kommt das Fleisch vom Hof der Familie, vieles, was das Typische von Mulsers Küche ausmacht, wächst vor der Hütte. Kräuter und Blumen vertragen sich gut mit Milchlamm, Ravioli oder Ochsenstelze in Lagrein. Unwiderstehlich ist der Blütensalat mit Dahlien, Malven, Dill und Gewürztagetes. Um dann noch ein Enzian-Safran-Eis draufzusetzen. Fast wünschte man sich einen Regentag, dann nämlich könnte man die Einladung der fantastischen Hochalmlandschaft ausschlagen, sitzen bleiben, durchkosten. Andernfalls heißt es: weitermarschieren. Wieder einkehren – auf der Seiser Alm stehen einige empfehlenswerte Hütten, die übrigens Baita heißen.

Rungger Schwaige

So eine Baita ist die Rungger Schwaige, eine niedrige alte Hütte vor großartiger Kulisse: An kaum einem Fleck ist der Wanderer dem Charakterberg der Seiser Alm, dem Schlern, näher. Die Wirtsleute Anni und Max Marmsoler betreiben in diesem besonders urigen Exemplar von Hütte seit Jahren authentische Almgastronomie. Was auf den Tisch kommt, schmeckt unprätentiös, fein. Dazu gehört zum Beispiel die Rollgerstensuppe, nicht unähnlich dem kärntnerischen Ritschert. Man sollte hier auch nicht aufbrechen, ohne den Zirbenschnaps gekostet zu haben, für den Max und Anni die Zapfen sammeln.

Schutzhaus Tschafon

Ein paar Gipfel und ein Tal weiter steht der Tschfon. Nach einem steilen Anstieg durch den Wald ist der Wanderer froh, wenn er oben beim Schutzhaus im Gastgarten sitzt und beobachtet, wie sich im Abendrot das Rosengarten-Massiv gegenüber fast überirdisch verfärbt. Der Berg war ein Kultplatz, dass auf 2000 Metern Salat und Tomaten wachsen, hat allerdings mit Josef Lungers Geschick zu tun, einen riesigen Gemüsegarten neben dem Schutzhaus zu kultivieren. Seine Mutter hat einst mit einem drei mal drei Meter großen Beet angefangen, Lunger hat stark erweitert und versucht, Neues anzusetzen – Salat, Lauch, Fenchel, Suppenkräuter. Auf dem alten Sparherd bereitet Lungers Frau ein kultverdächtiges Omelette mit Spinat und Brennnesseln, Mangold und wildem Heinrich zu. Dass vieles in der Höhe funktioniert, erklärt Lunger mit Naturbeobachtung, nicht nur beim Gemüse, sondern etwa auch beim Kuhauftrieb. Ins Tal kommen die Familienmitglieder in der Sommersaison nur manchmal – wenn sie Nachschub von ihrem Bauernhof holen. Oder Gäste, darunter manchen Manager, der in der Einfachheit der Schutzhütte auf Tauchstation geht.

Schatzerhütte

Andere Ecke von Südtirol: bei Brixen, am Abhang der Plose. Der Hunger kann nicht vom Gehen kommen, denn der Weg vom Parkplatz zur Schatzerhütte ist mehr ein Spaziergang. Ernsthafte Touren liegen vielmehr gegenüber: Aferer Geisler, Peitler Kofel, Pfannspitz, sehr fotogene Dolomitengipfel. Auf der Plose gedeihen Tomaten – weil der Wirt und Koch, Franz Pernthaler, ein Händchen dafür hat. Seine Schatzerhütte ist ein Idyll, fast wie 1926, als sein Großvater diesen Prototyp von Alm errichtet hat. Ein kleines Häuschen, daneben ein zweites. Wenige Holzbänke draußen, das ist kein Großbetrieb, obwohl der Onkel schon in den Fünfzigern bekannt gut gekocht hat.

Tagsüber funktioniert Hüttenbetrieb mit regionaler Kost meist aus eigener Erzeugung. Abends werden die Portionen kleiner, die Teller mehr, die Schatzerhütte mutiert zur gehobenen Adresse. Der Gast weiß nicht, was Pernthaler, der bei Heinz Winkler in München sein Handwerk gelernt hat, sich einfallen lässt: venezianische Sardinen, Eierschwammerlrisotto, Hirschrücken. Die Weinbegleitung dürfte kein Problem für den Rückweg sein, denn Pernthaler hat drei kleine Holzhütten aufgestellt, die man mieten kann.

Einkehr

Genannte Hütten: Knuttenalm im Reintal (Seitental des Ahrntals), www.knuttenalm.it.

Gostner Schwaige auf der Seiser Alm, +39/0347 /836 81 54.

Rungger Schwaige auf der Seiser Alm, +39/0471/70 74 59

Schutzhaus Taschfon im Tiersertal: www.schutzhaus-tschafon.com

Schatzerhütte auf der Plose (unweit Brixen): www.schatzerhuette.com

Weitere Almhüttentipps: In der Gattererhütte auf der Fane Alm in Vals in der Almenregion Gitschberg-Jochtal kann man gut Knödel essen – vor allem mittwochs. www.gattererhuette.it

Auf der Hühnerspielhütte bei Gossensass im Südtiroler Wipptal gibt es Kunst und Bioprodukte, www.huehnerspielhuette.it

Im Rifugio Fanes im Naturpark Fanes-Sennes-Prags nahe St. Vigil in Enneberg kehrt man in stimmige Architektur aus den End-Zwanzigern ein. Gute Stimmung, gute Küche, viel historischer Bezug. Ausgangspunkt für Touren zu bedeutenden Dolomitengipfeln. www.rifugiofanes.com

Regionen: Die Ferienregion Kronplatz reicht vom Ahrntal über Bruneck im Pustertal bis in die Dolomiten, www.kronplatz.com

Die Region Seiser Alm umfasst neben Europas größter Hochalm Orte wie Kastelruth, Völs und Seis und nun auch Tiers am Rosengarten. www.seiseralm.it

Im Eisacktal wächst nicht nur hervorragender Wein, sondern dort liegen mit der Plose, der Almregion Gitschberg-Jochtal oder dem Villnösertal auch feine Wandergebiete, www.eisacktal.com

Info: www.suedtirol.info. Weitere Berichte und Bilder auf dem Südtirol-Online-Dossier der Presse: www.diepresse.com/suedtirol

Tipp: „Die Presse“ veranstaltet im Herbst eine Genussreise nach Südtirol, www.diepresse.com/abo/presseclub

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.07.2015)

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