Käse und Apfelbrandy im Flachmann

Themenbild
Themenbild(c) www.stanthorpetou.com.au
  • Drucken

Queensland. In den Darling Downs nascht man alle paar Kilometer bei Winzern, Käse- und Saftmanufakturen.

Crows Nest. Hinter dem Hügel auf einmal Weite: tiefblauer Himmel mit schwarzen, regenprallen Gewitterwolken am Horizont. Und darunter ein 180-Grad-Panorama in sattem Grün, Weiden mit Pferden, im Wind wogendes Getreide. Daneben ein Schild in warmem Braun: „Darling Downs“. Und die ganze Szenerie von der Sonne in Whisky-farbenes Spätnachmittags-Licht getaucht. Also rechts ran mit dem Wohnmobil, aussteigen und genießen in der Gewissheit, hier in einer Ecke Australiens angekommen zu sein, die ganz anders ist. Kein cooler Surfstrand, kein schwüler Regenwald, keine rote, staubtrockene Outbackwüste. Sondern fruchtbares Land mit kulinarischen Überraschungen.

Der New England Highway, eine zweispurige Straße, führt mitten hinein. Einst Hinterland-Transportweg zwischen Sydney und Brisbane, sind hier heute fast nur noch Autofahrer aus der Region und Touristen unterwegs, was gemächliches Cruisen mit Sightseeing-Stopps ermöglicht. Und abruptes Abbiegen. Etwa, wenn die Hinweisschilder auf Weingüter, oft reichlich zugewachsen, erst im letzten Moment sichtbar werden – so wie bei der Harrington Glen Winery. „Unbedingt besuchen, da gibt's ne Überraschung“, riet der Tankwart im Örtchen Crows Nest vor einer halben Stunde. Schon an der Ecke der vom New England Highway zum Weingut abzweigenden Nebenstraße ist ein Stopp fällig – bei einer alten Dorfschule von 1915. Das geduckte Holzhaus mit ziegelrotem Dach ist heute Heimat einer Marmeladenmanufaktur. Jamworks of Glen Aplin von Sue und Peter – mit Nachnamen stellt sich hier keiner vor. Aus Sydney zogen sie hierher in die abgelegenen Darling Downs gezogen, um näher an den Obstplantagen zu sein, von denen der Rohstoff kommt für ihre Eigenkreationen: Feigen-Chili-Marmelade, Kürbis-Chutney oder Rhabarber-Macadamianuss-Paste.

Überraschung auf dem Hügel

Mit dieser Grundlage im Magen nun aber weiter die kurvige Townsend Road hinauf zum Harrington-Glen-Weingut. Rebstöcke stehen schnurgerade am Hang, darüber thront das Gutshaus. Und die Überraschung? „Gehen Sie ganz hinauf“, sagt Winzer Stephan Oliver. Moment: Steht da ein Haus? Oder eine U-Bahn? Beides! Den 23 Meter langen, silbrig glitzernden Zug kaufte Oliver in Melbourne und baute ihn zu einer Luxusherberge um und in ein Haus ein – mit Küche, Parkettböden und einer Terrasse, die den schönsten Panorama-Blick über die Darling Downs bietet. Da gerät Olivers Wein fast in Vergessenheit, aber bald steht einer seiner preisgekrönten Cabernet Sauvignons oder Merlots auf dem Tisch.

Zurück auf den New England Highway in Richtung Stanthorpe. Blickfang der 4300-Einwohner-Stadt sind der historische Turm des Postamts und viele, liebevoll restaurierte, verschnörkelte Holzfassaden aus der Zinn-Minen-Gründerzeit des Ortes im späten 19. Jahrhundert. Mittendrin, zwischen Videothek und Asia-Imbiss: Brinx Deli, eine Kreuzung aus Tante-Emma-Laden, Delikatessentheke und Plaudertreff: Hier gibt‘s Schoko-Walnuss-Brownie-Kekse einzeln aus der Glasdose, die Birne-Pistazien-Torte wird zwischen den Regalen serviert an abgewetzten, bunten Tischen, von denen man die selbst gebastelten, mit den Schwänzen wackelnden, Tier-Wanduhren (Hund, Katze, Vogel) oder das Gewusel im Laden in Ruhe beobachten kann.

Kurz hinter dem Ortsausgang von Stanthorpe macht ein Schild am New England Highway stutzig: „The Summit 10 Km“. Ein Gipfel im Hügelland? Nun ja, es ist der höchste Punkt dieser Gegend, immerhin mehr als 800 Meter über dem Meer. Im Winter kältester Punkt Queenslands mit minus zehn Grad und im heißen Sommer noch frisch genug, damit das Obst gedeiht. So wie auf den Plantagen von Suttons Juice Factory, direkt am Highway, auf dem Summit. In einer Wellblechhalle bieten grauhaarige Damen in Kittelschürzen an, was Sutton's so kreiert aus Pink Lady, Granny Smith und anderen Apfelsorten: klaren oder naturtrüben Saft, etwa mit Zitrone- und Ingwernote in bauchigen Glasflaschen, Apfel-Cider-Essig oder – besonders gut: Apfelbrandy in Flachmännern. Schade nur, dass die Damen sich ein Einkaufslimit von 20 Dollar ausgedacht haben, unter dem der Kunde bitte nicht bleiben möge . . . Bestimmt gibt's die Säfte auch woanders.

Bei Rosco und Karen etwa, in der Granite Belt Dairy, einer Käsefarm, zehn Minuten entfernt. Zum Apfelsaft stellt Karen im Hofcafé eine Best-of-Platte ihrer Käsehits zusammen: Thulimbah – nach dem Heimatort benannt, soft und cremig, Pepato, eine australische Variante des italienischen Romano mit ganzen Pfefferstücken. Und Summit Sunset, Karens ganzer Stolz, ein Käse mit einem Feuerwerk vom Geschmacksnoten, den es angeblich nur hier gibt. Sämtliche Sorten hergestellt aus der Milch eigener Kühe, von denen Karens Mann Rosco gerade zurückkehrt und schwärmt: „Meine Supermodels – klasse Figur, schöne Gesichter und große Euter . . .“ (S. Brünjes)

KULINARISCHER HIGHWAY

Erleben: Die Tour durch die Darling Downs kann man bequem auf eigene Faust zusammenstellen. Dabei hilft u. a. die Webseite strangebirdwines.com.au. Die beschriebenen und weitere empfehlenswerte Ziele: Jamworks of Glen Aplin, Ecke New England Highway/Townsend Road, Glen Aplin, Tel.: + 61/(0)746 834

171, jamworks.com.au.

Weintouren: Wer nicht selbst planen möchte, kann Luxus-Weintouren buchen: Camilla Brose hat Platz für bis zu zwölf Gäste im luxuriös ausgebauten Bus mit eingebauter Bar. Für die „Highland Vineyard Tour“ mit einer Flasche Wein pro Person, dem Besuch von vier Weingütern und einem gemütlichen Picknick-Lunch zahlt man ca. 71 Euro pro Person. Mindestteilnehmerzahl: fünf Personen. Stanthorpe Tours, + 61/(0)437 707 765, stanthorpetours.com.au.

Allgemeine Infos: granitebeltwinecountry.com.au

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2015)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

Reise

Sonnenbaden beim Weihnachtsfestival

Citymap. Franz Lerchenmüller verschlug es in Australien auch nach Perth, in die nicht so bekannte, aber sehenswerte Metropole Westaustraliens.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.