Thailand: Nacht der Lichter, Nacht der Träume

Loi Krathong
Loi Krathong Reuters
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Zum ersten Vollmond nach dem Monsun schicken die Thais beim Loi-Krathong-Fest ihre Sehnsüchte auf imaginäre Reisen. Auf kleinen, prächtig geschmückten Flößen reisen ihre Hoffnungen in Richtung Meer.

Im Juni war der Monsun wieder nach Thailand gekommen, er blieb für Monate, wie jedes Jahr. Oft steht der Regen dann wie eine Wasserwand zwischen Himmel und Erde. Blitze zucken in den Wolkentürmen, Donner und Gedröhne überall. Wochenlang können ganze Landstriche unter Wasser stehen – bis hinein nach Bangkok, wo der Chao Praya in Hotelgärten, über Piers schwappt und Seen hinterlässt.

Aber wenn sich Bangkok an diesem Novembermorgen aus dem Dunkel der Nacht löst, ist das alles vorbei. Es ist der Morgen des Vollmonds im zwölften Monat des Mondkalenders – Ende der Regenzeit. Heute wird alles anders sein, heute ist Loi Krathong. Zu den Flüssen werden sich die Thais aufmachen, ans Meer, zu Seen, Teichen und Kanälen, um dem Wasser und den Gottheiten ihre Geheimnisse anzuvertrauen. Auch in Bangkok. Schon am frühen Morgen sind sie unterwegs, wie Chai, ein junger Thai. Zum nahen Tempel eilt er, dessen goldene Chedi in der Sonne funkeln. Anstelle von Masten erheben sie sich aus dem Rumpf einer Dschunke, die König Rama III. 1835 in dieser Klosteranlage Wat Yannawa hat erbauen lassen. Sie sollte seine Untertanen daran erinnern, dass sie ihren Wohlstand dem Wasser und den Schiffen verdanken. Damals, als es nur Wasserstraßen in Bangkok gab.
Chai hat Gaben für die Mönche dabei – tam bun, Gutes will er tun und hofft auf Verdienste für sein Karma und das seiner Eltern, Reisbauern im Norden Thailands, die bei der großen Flut vor drei Jahren alles verloren haben. Chai hat in einem safranfarbenen Eimer Waschmittel, Seife, Zahnpasta, Rasierschaum, Kekse, was ein Mönch im Kloster halt so braucht. In Supermärkten gibt es solche Spendeneimer für den Mönchsbedarf. Die Hoffnung auf Gnade, auf Entlohnung nach dem Tod gibt es nirgends umsonst.

Danach geht Chai zur Arbeit. Von seinem Verdienst als Masseur leben auch seine Eltern, obwohl es für ihn oft allein schon kaum reichte in den letzten Jahren. Weniger Reisende kamen, und damit weniger Kunden. Es war unruhig in Thailand, die Wirren um Macht und Geld, der Hass zwischen Rothemden und Gelbhemden, der Riss zwischen Land und Land und Land und Stadt, durch Dorfgemeinschaften und Familien.

Nebenan gellen die Pfiffe der Schiffsjungen über den Pier. „Olli-en-tell“, ruft der uniformierte Sicherheitsmann, als das Hotelshuttle des Oriental mit seinen Pagodendächern auf den Pier zu tanzt, um Gäste abzuholen. Andere warten auf das flache Expressboot. Die Blumengebinde am Bug sollen Glück bringen, die Göttin der Reisenden, Mae Yanang, gnädig stimmen. Hoch steht das Wasser, die Pontons der Piers ächzen und quietschen im Auf und Ab der Fluten, und das Land scheint zu schwanken. Die Thais, das Wasser und der Reis – es war immer eine innige Beziehung. Mahlzeit heißt Gin kâo in Thai: Reis essen. Die Thais wissen, ohne den Chao Praya hätte es ihre Zivilisation Siam nicht gegeben. Ihm verdanken sie alles, dem Mae Nam Chao Praya, dem „Strom der Könige“. Bei jeder Überschwemmung befruchten seine Sedimente das Land. Gnadenlos können die Naturgewalten aber auch alles nehmen. Doch ohne sie gäbe es keinen Reisanbau, mit seinem Fischreichtum ist der Chao Praya auch Nahrungsquelle.

Wie offene Lotosblüten

In den Straßen, an den Piers bauen Händler Tische auf. Ganze Familien falten Bananenblätter zu kleinen Kunstwerken mit einem Boden aus dem Pflanzenstamm. Die Gebinde sind einer offenen Lotosblüte nachempfunden. Andere sind aus Brotteig geformt oder Kokosnussschalen. Orchideen- und Lotosblüten, Tagetes und Kugelamaranthen sind darin verflochten, Räucherstäbchen und Kerzen. Ab fünfzig, sechzig Baht, 1,50 Euro, kostet die kleine Investition in einen großen Traum. Flöße, Schiffchen sind es, die abends die Thai-Seelen wandern, ihre Sehnsüchte auf Reisen gehen lassen sollen. Loi heißt Schweben, schwimmen, es gibt sie in allen Größen und leider auch aus Styropor. Mehr und mehr Menschen eilen nun an den Fluss.

Milchig steht ein weißer Vollmond am Himmel. Chai hat sich mit Freunden am Klongsan Pier verabredet. Vorbei an Wolkenkratzern, wuseligen Marktgassen, üppigen Gärten, Luxushotels und schneeweißen Villen im Kolonialstil sind es mit der Fähre dorthin zehn Minuten vom Central Pier. Längs des Flusses wimmelt es von Menschen. Jung und Alt, viele festlich gekleidet, manche der Kleinsten kommen wie Prinzessinnen und Prinzen daher. Familienpulks halten Krathongs zwischen gefalteten Händen wie zum Beten empor und schauen andächtig ins Kerzenlicht. Dann lassen sie ihre Seeleninseln mit flackernden Kerzen und qualmenden Räucherstäbchen auf den Strom gleiten. Manch einer legt dem Schiffchen ein Haarbüschel bei, ein Stück Fingernagel, irgendetwas von sich, oder Münzen – als Dank an das Wasser, den Fluss, die Göttin des Wassers Pra Mae Khong-Khaa, für die einen. Für andere an Pra Mae Thorani, die Buddha erlöste, in dem sie ihre nassen Haare auswrang und seine Feinde ertränkte. Chai dankt, dass der Monsun dieses Jahr seiner Familie kein Unheil gebracht hat und hofft, dass in Thailand alles gut wird.

Und die Hoffnung der Thais reist mit. Möge das Wasser die Sorgen und Sünden forttragen, möge es die Seele reinigen. Das können selbst die Buben nicht verhindern, die in den nachtschwarzen Fluss springen, um Münzen aus den Sehnsuchtsarchen zu stibitzen. Etwas weiter fischen junge Männer verloschene Krathongs mit Netzen heraus. In einer schummerigen Ecke machen sich Mädchen, Frauen und Greisinnen behände ans Werk, sie aufzufrischen und wieder zu verkaufen.

Liebespaare geben ihrem Schiffchen einen gemeinsamen Stoß und schwören so ewige Treue. Der Wind hat sich gelegt, alles fließt ruhig dahin. Leuchtskulpturen schweben auf dem Wasser, ein Feuerwerk glitzert am Himmel, die Ufer sind längst eine lange Tafel, es brutzelt in Garküchen, Schwaden von Fischsauce, Knoblauch und Chili hängen in der Luft – das Leben ist ein Fest. Tage wird es dauern, bis Müllboote die gestrandeten Seelenarchen entsorgt haben werden. Rund eine Million Krathongs erleuchteten 2014 die Wasser Bangkoks, über neunzig Prozent aus natürlichen Materialien wird die Stadtverwaltung später verkünden.

LICHTER ÜBER DEM WASSER

Loi Krathong in Bangkok, am Fluss:
ÖPNV: BTS (Skytrain) Station Saphan Taksin für Central Pier/Sathorn Pier
bts.co.th
Chao Praya Bootsverkehr: Von Central Pier oder Sri Phraya Pier nach Khlongsan Pier mit der Fähre; chaophrayaexpressboat.com
Ein sehr beliebter Ort in Bangkok zu Loi Krathong ist der See im Lumphini Park, erreichbar per MRT (Metro), Stationen Silom und Lumphini, BTS (Skytrain), Stationen Sala Daeng und Ratchadamri
Loi Krathong 2015 am 25. November

Infos: Tourismusthailand.at
Millennium Hilton: Auf der Thonburi-Seite direkt am Chao Praya gelegen mit grandiosen Aussichten auf die Skyline der Megacity ( Zimmer mit Aussicht zum Fluss buchen ). Sehr gutes Dinner-Buffet. Terrasse zum Fluss.
Adresse: 123 Charoennakorn Road, Bang Lamphu Lang, Khlong San, Bangkok 10600, +66/2/442 2000
www.hiltonhotels.de/Bangkok

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