Kuba: Mitten in der nächsten Revolution

Kuba
Kuba(c) ©florianalbert.net
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Es existiert noch, das Klischee, wie wir uns den Insel-Staat vorstellen: aus der Zeit gefallene Straßenzüge, abblätternde Fassaden, dutzendfach lackierte Oldtimer. Aber die sozialistische Gesellschaft ist im Umbruch. Wer findig ist, kann es zu etwas bringen im neuen Kuba. Andere fühlen sich zurückgelassen.

An manchen Ecken wirkt Havanna immer noch wie aus der Zeit gefallen. Wenn man in der feuchten Hitze durch die schmutzigen Straßen des Centro Habana spaziert, eines einigermaßen unscheinbaren Viertels hinter der historischen Altstadt, zwischen baufälligen Kolonialbauten, von denen die Dutzendste Farbschicht abblättert, dann hat die kubanische Hauptstadt noch diesen morbiden Charme. Wie eine längst ausrangierte Theaterkulisse, vor der Kinder auf der Straße Fußball spielen, alte Damen aus dem Schaukelstuhl im ebenerdigen Wohnzimmer mit Nachbarinnen plaudern, ein Mann an der Ecke salzige Kekse im Plastiksack verkauft, ein anderer grünschalige Orangen und Papayas.
Alle paar Minuten klingelt sich ein Fahrradtaxifahrer den Weg frei, Autos fahren hier so gut wie keine. Eher schon stehen da ein jahrzehntealter Chevrolet, ein Moskwitsch oder Lada, aufgebockt und komplett ausgehöhlt, bereit für die nächste von ungezählten Lackschichten in Gelb, Petrol, Pink. Aus drei Wohnungen dröhnt dreimal unterschiedliche Salsamusik, und als eine Handvoll Halbwüchsiger betont lässig vorbeischlendert, aus einem Ghettoblaster auch noch Reggaeton. An der Eingangstür eines Geschäfts, in dem die Kubaner subventionierte Lebensmittel kaufen können, steht mit Kreide: „Heute ist keine Milch gekommen.“
Doch dann überquert man den Boulevard San Rafael und plötzlich stehen da auf einem Platz Dutzende Kubaner mit ihren Smartphones und surfen. Ein junger Mann blickt über die Schulter seiner Frau ins Telefon. Eine Familie sitzt mit Laptop auf den Knien auf einem Bänkchen und skypt. Seit Juli hat Kubas Regierung öffentliche WLAN-Hotspots eingerichtet. Für zwei CUC – also zwei Dollar – pro Stunde können Kubaner jetzt ins Netz.

Neue soziale Unterschiede

Der sozialistische Karibikstaat ist im Umbruch. Und das zeigt sich zumindest an jeder zweiten Ecke, nicht nur an den iPhones, die anscheinend nicht einmal der Sozialismus aufhalten kann. Um den zu retten, setzt Raúl Castro – der jüngere Bruder des Revolutionsführers Fidel, der auf Kuba keinen Nachnamen braucht – auf Reformen: auf ein sozialistisches Modell, aber angereichert mit immer mehr marktwirtschaftlichen Elementen. Tausende Staatsbedienstete wurden entlassen, dafür dürfen sich die Kubaner jetzt selbstständig machen, Geschäfte eröffnen, mehr als ein Zimmer an Touristen vermieten, Häuser verkaufen und kaufen.
Im Touristenörtchen Viñales im Westen der Insel dampfen die ungeteerten matschigen Straßen frühmorgens vom Regen, die Hühner scharren unter Palmen und Bananenstauden, in einem Verschlag grunzt ein Schwein, ein Mann mit Jeans und Cowboyhut lenkt seinen Ochsenwagen um die tiefen Schlaglöcher herum. „Die Komitees zur Verteidigung der Revolution sind wachsam“, ist da auf ein Schild gepinselt. Keine zehn Meter weiter steht ein fast neuer Kia in der Garage. Der junge Privatzimmervermieter, der von einer Karriere als Sänger träumt, gibt selten sein nagelneues Smartphone aus der Hand. Wer findig ist, kann es zu etwas bringen im neuen Kuba.
So wie Claudia (31) im Kolonialstädtchen Trinidad, die schon einige Jahre in Europa verbracht hat. Jetzt importiert sie mit Freunden Klimaanlagen, die sie mit enormem Gewinn verkauft, wie sie erzählt. Oder, zurück in Havanna, Yeney (33), die eigentlich seit zehn Jahren in Italien lebt und vor gut einem Jahr mit Freunden ein Lokal in der kubanischen Hauptstadt aufgesperrt hat. Hier könnte sich das lohnen, meint sie. Dort, in der Bar El Patchanka, schildert Tony (41) seine Sicht auf das Land. „Ich liebe Fidel und Raúl“, versichert er. „Aber ich kritisiere sie. Jetzt gibt es große soziale Unterschiede.“

„Gibt keine Revolution mehr“

Da ist zum Beispiel Jesús, ein abgekämpfter 71-Jähriger, unter dessen zerknittertem weißen Hemd bunte Perlen hervorblitzen: Er ist Priester der Santería, der afrokubanischen Religion auf der Insel. Eigentlich ist Jesús in Pension, aber die reicht nicht zum Leben. Also fährt er jetzt Taxi. „Ich habe für die Revolution gekämpft“, sagt er. „Und wofür? Dafür, dass ich jetzt arm bin.“ Oder Mario. Der 27-Jährige hat an der Uni Havanna Jus studiert, so wie Fidel. Aber als Taxifahrer mit seinem himmelblauen Lada verdient er an einem Tag so viel wie im ganzen Monat in der Kanzlei – und außerdem Pesos convertibles, Touristendollars, die man auch als Kubaner dauernd braucht. Nicht nur, wenn man ins Internet will, sondern auch für eine Reihe von Konsumgütern. Angesprochen auf die Revolution grinst Mario nur schwach. „Hier gibt es keine Revolution mehr.“
Nun, zumindest nicht die Revolution, die in dem Heft dargestellt wird, das die Buchhändler in der Altstadt von Havanna verkaufen: ein Sammelalbum der kubanischen Revolution um Fidel Castro, Che und Camilo Cienfuegos, das die Kubaner in den 1960er-Jahren voll geklebt haben. 268 Kärtchen von 1952, als sich Fulgencio Batista an die Macht putschte, bis zum triumphalen Einzug von Fidel Castro in Havanna am 8. Jänner 1959. Aber die andere Revolution, die Veränderung Kubas, lässt sich nicht mehr aufhalten.
Der Wandel spiegelt sich auch in den Fassaden der Altstadt von Havanna wider: Überall wird gestemmt und gestrichen. Ein koloniales Gebäude nach dem anderen wird renoviert. Bis zum 500. Stadtjubiläum im kommenden Jahr soll Havanna glänzen. Und diesmal soll nicht nur wieder die nächste Schicht Farbe drübergepinselt werden wie bisher, das wünscht sich zumindest der Stadthistoriker: Es soll diesmal ordentlich renoviert werden. Manches ist auch innen schon ganz neu. In der Nähe des Kapitols – das gerade von einer deutschen Firma renoviert wird –, unweit von Werkstätten, in denen an alten Amischlitten herumgeschraubt wird, sitzen plötzlich junge Männer und Frauen auf Holzkisten in einer Bar. Die meisten sind Touristen, aber auch der eine oder andere Kubaner, der es sich leisten kann, ist hier.

Hipsterlokal in Havanna

El Chanchullero ist ein Hipsterlokal, wie es auch in Berlin, Wien oder Barcelona stehen könnte. „Hier gibt es kein WLAN. Sprecht miteinander“, steht da in Kreide. Oder: „Hemingway war nie hier“ – überall anders scheint der Schriftsteller getrunken zu haben. Und an der Decke, ebenfalls in Kreide, ein Zitat des kubanischen Nationalhelden José Martí. „Jede Reform löst eine Veränderung aus und jede Veränderung verletzt Interessen.“ Manchen kann er gar nicht schnell genug gehen, der Wandel Kubas. Aber wie sagte Martí auch: Reformen greifen erst dann wirklich, wenn sie den Geist der gesamten Bevölkerung durchdringen. Das wird die große Herausforderung für Raúl.

Kuba pauschal oder per mietwagen selbst erfahren

Reisezeit. Kuba ist grundsätzlich ein ganzjähriges Reiseziel. Die beste Zeit, die Insel zu bereisen, ist aber zwischen November und April. Die Durchschnittstemperaturen liegen dann in Havanna tagsüber meist um die 27 Grad. Im Rest des Jahres ist es wärmer und feuchter. Von Juni bis Oktober ist Hurrikansaison. Vereinzelt können Wirbelstürme auch über die Insel ziehen.

Anreise. Condor bietet einen Direktflug ab Wien in den Badeort Varadero an (jeden Freitag). Außerdem via Frankfurt dreimal wöchentlich nach Varadero und viermal pro Woche nach Havanna. Via München fliegt Condor zweimal pro Woche nach Varadero. condor.com

Rundreisen. TUI bietet Rundreisen ab zwei Personen an. Etwa die wichtigsten Kolonialstädte – Havanna, Cienfuegos, Trinidad – in vier Nächten ab 429 Euro oder eine langsame Rundreise über die gesamte Insel ab 1139 Euro. tui.at

Selbst fahren. Möglich sind natürlich auch Reisen auf eigene Faust – mit dem Mietwagen. TUI bietet sieben Nächte ab 349 Euro an. Die Unterkünfte sind reserviert. Übernachtung entweder in Privatzimmern, sogenannten Casas privadas, oder in Mittelklassehotels.

Natur. Das Viñales-Tal im Westen der Insel mit seinen berühmten Kalksteinfelsen (Mogotes) gilt in puncto Natur als eine der schönsten Gegenden der Karibik. Außerdem ist die Region bekannt für den Tabakanbau.

Revolution. Einen Abriss über die Geschichte der kubanischen Revolution findet man im Revolutionsmuseum in Havanna. Unter anderem steht dort die Jacht Granma, mit der 82 Revolutionäre 1956 von Mexiko nach Kuba übersetzten. In Santa Clara befindet sich das Che-Guevara-Mausoleum.

Baden. Varadero bietet sich für eine Badeverlängerung zum Abschluss an. Eine Woche im Resort Paradisus Princesa del Mar (fünf Sterne, all-inclusive) gibt es ab 858 Euro pro Person.

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