Finnland: Regenbogen über dem Wurstkiosk

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In Nordkarelien, der östlichsten Spitze des Landes, haben sich die traditionelle Kultur, die russisch-orthodoxe Religion, die Musik und die Küche der Menschen aus dem Osten am lebendigsten erhalten.

Granaten krachen, Soldaten robben durchs Unterholz, eine Sanitäterin weint – der Krieg ist zurück in Möhkö im äußersten Osten Finnlands. Die jungen Männer sind wieder mit Begeisterung dabei, und die Lottas, die Frauen, die freiwillig Verwundete versorgen, stehen nicht dahinter zurück. Aber sie alle wollen diesmal nicht fürs Vaterland sterben, sondern hinterher mit herzlichem Beifall gefeiert werden.

Denn dieser Krieg ist nur Theater. „Motti Mestari – der Meister der Umzingelung“ ist der Titel, und es geht um den finnischen General Erkki Raappana, der sich in den beiden Kriegen gegen die Sowjetunion besonders hervorgetan hat, genau hier, in Nordkarelien.

Pohjois-Karjala, das ist für viele Finnen immer noch das Herz ihres Landes. Nüchtern betrachtet ist Nordkarelien heute ein Landstrich von der Größe Hollands. Es ist flaches, manchmal leicht hügeliges Land, dessen Gesicht vom Wald geprägt ist: Erlen, Kiefern und Weiden, Fichten und Ebereschen. Die Kriege gegen die Sowjetunion sind hier immer noch präsent. Nach wie vor stößt man zwischen Nurmes und Kitee auf Geschütze, Denkmäler, Informationstafeln, die damalige Truppenbewegungen erklären. Im Kämpferhaus in Hattuvaara, einem Bau in passendem Feldgrau, recken wohlerhaltene finnische, russische und deutsche Geschütze ihre Rohre hoch.
Das Ergebnis der Auseinandersetzungen war verheerend. Ein Drittel Nordkareliens fiel 1947 an die Sowjetunion. 420.000 Flüchtlinge strömten nach Westen. Finnland baute für sie 101.000 neue Höfe, erfährt man im Museum Carelicum in Joensuu. Von A wie Armbrust bis zu U wie Universität, die 1984 in Joensuu gegründet wurde, lässt das Zentrum kaum Fragen zum Leben in Karelien offen. Der Schamane Pekka Tuovinen singt vom Band einen alten Vers, mit dem Schlangen abgewehrt wurden. Die Band Leevi and the Leavings schwärmt 50 Jahre später vom Regenbogen über dem Wurstkiosk.

In Nordkarelien haben sich die russisch-orthodoxe Religion, die Musik und die Küche der Menschen aus dem Osten am lebendigsten erhalten. Die Kantele, ein Zupfinstrument, war früher in jeder Stube zu finden. Taneli Kemppi spielt sie im Sängerhaus von Ilomantsi für die Touristen.
Im Restaurant Parppeinpirtti ist ein karelisches Büffet aufgebaut: Pilzsalat, Sauerkraut in Roter Rübe, geräucherte Rotaugen und karelischer Fleischtopf. Das eigentliche kulinarische Erbe aber sind die Piroggen, von denen es rund 20 verschieden Arten gibt.

Elche, Bären und Maränen

Es ist ein schönes, sehr leises Land, Karelien. Zwischen den Bäumen erstrecken sich moosige Sümpfe mit Krüppelbirken, hin und wieder blitzen schilfgesäumte Seen durch. Elche sind hier unterwegs und Bären, die in beerenarmen Sommern bis in die Gärten von Möhkö kommen. Joensuu, das Zentrum, wartet mit einer Sportbar, einem Kino und sogar einer Einkaufsmeile unter Glas auf. Im Stadttheater, vom berühmten Architekten Eliel Saarinen entworfen, serviert das beste Restaurant der Stadt gegrillte Maränen mit Avocadocreme und Wildschweinwurst an Rhabarerkompott.

Gilt Karelien als das Herz Finnlands, ist Koli wiederum die Seele Kareliens. Glatt geschliffene Granitkuppen krönen einen gerade einmal 347 Meter hohen Bergrücken. Über die Spitzen von Fichten gleitet der Blick auf den Pieleinen-See, dessen Spiegel von schmalen Inseln durchbrochen wird. Ende des 19. Jahrhunderts zog es Maler, Musiker und Schriftsteller hierher, weil sie hier eine besondere Kraft zu spüren meinten, sozusagen das Raunen ihrer Heimat. Aber auch die harte Arbeit der Bauern schien ihnen den Charakter Finnlands widerzuspiegeln. Der Blick rundum zeigt Wald – Wald unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Höhe. Er ist das Ergebnis der Brandrodung.

Jedes Jahr wurde eine bestimmte Fläche abgeholzt, ein Jahr später setzte man das Gestrüpp in Brand, in die Asche streute man Roggen. Nach zwei, drei Ernten überließ man das Gelände wieder sich selbst, es wucherte zu, und erst nach zehn Jahren legte man es erneut frei.
Damit das Wissen um diese alte Kulturtechnik nicht verloren geht, bearbeitet das finnische Forstamt jedes Jahr eine bestimmte Fläche auf diese Art. Freiwillige des WWF kommen aus ganz Europa und helfen mit, entbuschen Geländestücke, reißen Bäumchen aus und brennen am Ende das im vorangegangenen Jahr vorbereitete Areal kontrolliert nieder. Dann säen sie. Und es wächst neues Leben aus der Asche.

PER AUTO UND SCHIFF

Anreise. Da es sich empfiehlt, in den Weiten Kareliens mit dem Auto unterwegs zu sein, ist die Anreise per Schiff die beste Alternative. Finnlines verkehrt zwischen Lübeck-Travemünde und Helsinki. Die Preise sind saisonabhängig. Zum Fahrpreis für Pkw (ab 132 Euro, einfache Strecke) und Insassen (ab 120 Euro) kommen die Gebühren für die Kabine nach Wahl (ab 240 Euro). Im Sommer verkehren die Fähren täglich, sonst sechsmal pro Woche.
Finnlines, +49/4502 805 443, passagierdienst@finnlines.com, finnlines.de

Unterwegs. Von Helsinki sind es etwa 500 km bis Joensuu. Die Straßen werden ziemlich flächendeckend von Kameras überwacht. Auf Geschwindigkeitsbegrenzungen achten!

Übernachten.
Pension Möhkön Rajakartano: DZ 100 Euro, F 15 Euro. Mustakorventie 11, Ilomantsi, teskva@sci.fi
Scandic Gran Marina: DZ ab 91 Euro.
Katajanokanlaituri 7, Helsinki, grandmarinba@scandichotels.com Hotel Green Star: DZ ab 69 Euro. Frühstück sieben Euro. Torikatu 16, Joensuu

Essen und Trinken:
Theatteriravintola, Ratakatu 20, FIN 80100 Joensuu, Tel.: 010 231 42 50 (Vorspeisen ab 7 Euro, Hauptspeisen 12–28 Euro)
Ravintola Parppeinpirie 4C, FIN 82900 Ilomantsi, Tel.: 010 239 99 50 (Finnisches Buffet: 22 Euro p. P.)

Infos: visitfinland.com/de

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