Panama: Analoge Technoparty

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Auf dem Fischmarkt und in der spanisch-kolonial geprägten Altstadt - und bei den Indigenen, die so leben können, wie sie wollen, weil Touristen kommen.

Träge schlängelt sich der Chagres-Fluss durch den dichten Regenwald von Panama. Francisco steht im hinteren Ende seines Kanus, beim Motor. Seine Haut ist dunkel, er trägt nur einen Lendenschurz, der ihm vorne bis zu den Knien hinunterhängt, und ein paar Ketten um den Hals. Vorn im Boot hockt seine Frau Escolatica, eine lange Holzstange auf ihren Beinen, mit der sie Francisco die Richtung anzeigt, in die er lenken soll.

Der Wasserstand im Chagres ist so niedrig, dass die beiden mit ihrem Kanu kaum bis zu ihrem Dorf kommen. Der Chagres speist den Panamakanal – und der Kanal ist das Herz des Landes. Immer wieder muss Francisco den Motor abstellen, Escolatica schiebt das Boot mit der Stange durch's Wasser. Wenn der Motor abgestellt ist, hört man nur noch das Plätschern des Wassers, das Tschirpen der Vögel und Trommelschläge. Sie kommen aus ihrem Dorf. Francisco und Escolatica gehören zur Ethnie der Emberá. Ihr Dorf besteht aus zwei Dutzend Hütten, die sich im Nationalpark Chagres auf einer höher gelegenen Stelle am Flussufer verteilen. Sie stehen auf Stelzen, die Dächer sind mit Palmblättern bedeckt. Das Dorf ist das exakte Gegenteil der Metropole Panama-Stadt, die nur eine Autostunde entfernt liegt.

„Allein wohnen ist ungesund“

Rodrigo lebt in Panama-Stadt. Der Student arbeitet nebenher als Touristenführer. Viel Zeit hat er nicht, denn er muss seine Großmutter noch zum Arzt bringen. „Meine Familie hat beschlossen, dass allein wohnen ungesund ist. Deshalb ist meine Oma nach dem Tod meines Opas bei mir eingezogen“, erzählt er und lacht, während wir an der Skyline vorbeibrausen. Er redet ununterbrochen, einen Panama-Hut solle man sich ja nicht kaufen, der stamme aus Ecuador, und ob man eigentlich schon Kokosmilch probiert habe. Eine Antwort wartet er nicht ab, stattdessen hält er am Straßenrand und verschwindet in den Gassen der Altstadt. Eigentlich gibt es drei verschiedene Panama-Städte. Die erste entstand im 16. Jahrhundert, kaum zehn Kilometer vom heutigen Zentrum entfernt, mehr als ein paar Ruinen sind davon aber nicht mehr übrig. Der berüchtigte Pirat Henry Morgan hat sie niedergebrannt, da war sie gerade einmal 150 Jahre alt. Die Spanier errichteten im 18. Jahrhundert eine neue Stadt, mit dicken Stadtmauern auf einer kleinen Halbinsel, weil sie das Gold der Inkas außer Landes bringen wollten. Heute gehört diese Altstadt zum Unesco-Weltkulturerbe. Es wird viel gewerkelt dort, die alten Kolonialbauten mit den großen hölzernen Lamellentüren, die es drinnen kühl halten, werden restauriert. Viele werden in Hotels umgewandelt. Diese Altstadt ist gewuchert, besonders seit Beginn des 20. Jahrhunderts, als man den Kanal zu bauen begann. Nur knapp 80 Kilometer trennen dort den Pazifik vom Atlantik. Am Pazifikufer reiht sich heute ein in der Sonne glitzernder Wolkenkratzer an den nächsten – von den oberen Stockwerken aus kann man die Sonne über dem einen Ozean auf und im anderen wieder untergehen sehen.

Fisch in Limettensaft und Chili

Rodrigo kehrt zurück mit zwei basketballgroßen Kokosnüssen, aus denen ein Strohhalm ragt. Die wässrige Milch ist erfrischend. „Schade, dass du meine Oma nicht kennenlernen wirst“, sagt er, „denn sie macht das beste Ceviche der Welt.“ Ceviche ist eine Art Nationalgericht, Fisch eingelegt in Limettensaft und Chili. Es ist fast erfrischender als die Kokosmilch. Das zweitbeste Ceviche gibt es auf dem Fischmarkt, unten in der Nähe des Hafens, wo die Häuser türkis und rosa gestrichen sind und aus den Radios Reggae-Beats dröhnen. In Panama-Stadt leben viele Nachfahren der karibischen Sklaven, die einst beim Kanalbau halfen. „In jedem Panameño steckt irgendetwas von einer anderen Nation“, sagt Rodrigo zum Abschied.

Auch Francisco und Escolatica sind eingewandert, aus Darien, einer Provinz nahe Kolumbien, als der Kanal gebaut wurde und Panama-Stadt einen großen wirtschaftlichen Aufschwung erlebte. Er hält bis heute an: 40 Schiffe schieben sich täglich durch den Kanal, acht Stunden pro Durchfahrt. Viele andere warten, bis sie dran sind. Seit 2007 wird der Kanal erweitert, im Mai sollen die Arbeiten beendet sein. Es fasziniert, an einer der Schleusen zuzuschauen, wie die Riesen millimetergenau in das Betonbecken steuern und ganz langsam auf das niedrigere Wasserniveau sinken.

Der Chagres-Fluss ist der Hauptzufluss des Kanals, deshalb ist nun, im Frühjahr, das Wasser so seicht, dass Francisco und Escolatica mit den Stangen nachhelfen müssen, um ihr Boot bis zum Dorf zu steuern. Ins trockene Flussufer sind Stufen geschnitten, oben steht „Bienvenidos“ auf einem Torbogen. Dahinter, in einer großen Hütte, warten einige Männer, die aussehen wie Francisco, im Lendenschurz und mit Ketten. Sie trommeln, spielen auf Flöten und rasseln mit Nüssen. Die Musik ist minimalistisch, wie eine analoge Technoparty. Dazu tanzen die Frauen, sie tragen Röcke aus buntem Stoff und bauchfreie Oberteile, die mit silbernen Münzen besetzt sind. Eine Frau singt, andere Frauen wiederholen ein paar Worte. Für westliche Ohren klingt es nach einem Sprechgesang: beschwörend und ermüdend zugleich. Zwischendurch klingelt irgendwo ein Handy. Die Emberá tanzen für die Touristen. Heute sind es Amerikaner und Holländer, die mit einem Kreuzfahrtschiff in Panama haltmachen, manchmal sind es auch Spanier und Engländer. Meist sind es Kreuzfahrtpassagiere, bis Mai kommen fast täglich Schiffe, danach weniger. Die Männer tragen Shorts und Tennissocken, die Frauen haben große Hüte und viele gold- und silberglitzernde Armbänder und Ketten. Schweißflecken zieren die Hemden aller.

40 Grad am Nachmittag

Nun bekommen sie erklärt, wie man die Fasern der Chunga-Palme färbt, lernen einen Tanz und, aus welchem Holz man die schönsten Figuren schnitzen kann. Körbe und Masken aus Palmfasern stehen zum Verkauf, ebenso kleine geschnitzte Frösche, Schlangen und Iguanas. Ein paar Amerikaner haben Spielzeug für die Kinder mitgebracht: Seifenblasen, Aufkleber und Luftballons, einige andere haben Tüten mit Schulheften, Buntstiften und Kulis dabei. Am frühen Nachmittag, wenn das Thermometer auf rund 40 Grad Celsius klettert und man allein von der Anstrengung des Atmens schwitzt, kehren sie zurück auf ihr Schiff, das am Tor zum Panama-Kanal vor Anker liegt, und die Emberá in ihre Hütten, in denen sie so traditionell leben können, weil täglich Touristen kommen. Mit den Einnahmen aus den Besuchen können sie ihre Kinder in die Schulen schicken und ihr Leben fristen.

Infos

Anreise: Lufthansa fliegt ab Frankfurt direkt, KLM über Amsterdam nach Panama-Stadt, Iberia über Madrid. Für Hin- und Rückflug zahlt man um die 700 Euro, egal, welche Strecke man wählt. lufthansa.com, klm.com, iberia.com

Einreise: kein Visazwang, Rückflugticket und Reisepass genügen. Der Pass muss allerdings noch sechs Monate über das Reisedatum hinaus gültig sein.

Klima und Reisezeit: Panama liegt nur wenige Breitengrade nördlich des Äquators, das Klima ist daher tropisch mit Temperaturen um 30 Grad tagsüber und rund 20 Grad nachts an den Küsten. In den Höhenlagen wird es allerdings kühler, man sollte immer etwas Langärmeliges dabeihaben, auch zum Schutz vor Moskitos. Die Jahreszeiten werden nach Trocken- und Regenperioden unterschieden. An der karibischen Küste im Norden des Landes herrscht von Januar bis April Trockenzeit, im westlichen Teil der Karibik, die an Kolumbien angrenzt, gibt es auch im September und Oktober eine kleine Trockenzeit. An der südlichen Pazifikküste ist von Mai bis November Regenzeit.

Unterwegs im Land: Panama hat ein gut ausgebautes Busnetz, doch die Straßen sind nicht immer im besten Zustand. Wer wenig Zeit hat, sollte besser fliegen. Air Panama oder Copa Airlines bieten täglich Flüge von Panama-Stadt aus in andere Provinzen und zu den Inseln an.

Sprache: Wer nicht wenigstens ein paar Brocken der Landessprache Spanisch beherrscht, der wird im Land nicht weit kommen. Denn abgesehen von Panama-Stadt und den größeren Touristenregionen wie Boquete und Bocas del Toro spricht kaum jemand Englisch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.03.2016)

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