Prozession auf dem Meeresgrund

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Themenbild(c) Museo Atlantico
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Kanaren. Das spektakulärste Unterwassermuseum Europas, das neue Museo Atlantico, liegt vor Lanzarote. In zwölf bis 15 Metern Tiefe scheinen Menschen einem Ziel zuzusteuern.

Lanzarote, bisher eine Destination für Liebhaber der Kunst César Manriques, ist ab Beginn des nächsten Jahres um eine Attraktion reicher: Der britische Künstler Jason deCaires Taylor, der den Skulpturenpark im Musa (Museo Subacuático de Arte) in der Nähe von Cancun in Mexiko geschaffen und 450 Skulpturen im Meer aufgestellt hat, hat nun den Auftrag von der Inselregierung bekommen, 300 Skulpturen für ein Unterwassermuseum anzufertigen, die vor der Südspitze der Insel an der Playa Blanca auf einem Areal von 2500 Quadratmetern in einer Wassertiefe von zwölf bis 15 Metern versenkt werden.
Die erste der sechs Figurengruppen steht bereits auf dem Meeresgrund, bis Juli wird der Künstler alle Figuren fertiggestellt haben. Das erste Unterwassermuseum Europas löst jetzt schon, Monate vor seiner Eröffnung, einen Boom aus, mit dem in Lanzarote niemand gerechnet hat. „Wir werden von Anfragen förmlich überrollt“, sagt Daniel Morales García, Marketingmanager des neuen Museums. Derzeit wird überlegt, wie die Touristen zum Museum gebracht werden sollen. Es werden Glasboden- und U-Boote benötigt – auch Taucher sollen zum Museum hinunterkönnen. „Das ist gerade für die nautische Industrie auf Lanzarote eine große Sache“, sagt Morales, „sie lag bisher brach. In den USA gibt es Jachthäfen, die täglich von so vielen Schiffen angelaufen werden wie Lanzarote in einem Jahr.“ Dass man Jason deCaires Taylor für das Projekt gewinnen konnte, sei einer Kette von Zufällen zu verdanken, sagt Morales. „Der Künstler hat ohnehin vorgehabt, auf den Kanaren zu arbeiten, es scheint, als ob ihm das Projekt auf den Leib geschneidert wurde.“ Taylor arbeitet in einem Atelier auf Lanzarote, das ihm für zwei Jahre von der Inselregierung zur Verfügung gestellt wird.

Von Meer-Lebewesen bevölkert

DeCaires Taylor beschäftigt sich seit mehr 18 Jahren mit dem Leben unter Wasser und seiner Bewahrung. Seine Skulpturen legt er so an, dass sie dem Meeresgrund nicht schaden, sondern dazu beitragen, dass wie in Lanzarote leblose Küstenstreifen unter Wasser von seltenen Fisch- und Pflanzenarten bevölkert werden.

Einige der jetzt abgesenkten Skulpturen sind mit Rillen versehen, in denen sich eine spezielle Alge ansiedeln soll, die wiederum Fischreichtum vor die Küste der Insel bringen soll. Die Installation „El Rubicón“ mit sechs Figurengruppen, die der Künstler vor der Küste der Insel absenkt, ist zeitgenössischen Themen gewidmet. „El Rubicón“ zeigt eine Prozession auf dem Meeresgrund: eine Gruppe von 35 Personen marschiert scheinbar auf ein gemeinsames Ziel zu, von dem sie nicht mehr wiederkehren werden, dem Point of no Return. Die Installation „Balsa de Lampedusa“ zeigt ein Schlauchboot mit Flüchtlingen – das Arrangement der Personen orientiert sich dabei an dem rund 200 Jahre alten Gemälde „Das Floß der Medusa“ von Théodore Géricault, einem französischen Maler der Romantik. Weitere Installationen thematisieren soziale Medien oder zeigen einen Garten aus Mensch-Kaktus-Mischwesen.

Für die Figuren standen Menschen der Insel Lanzarote Pate, die vom Künstler mit einer Modelliermasse eingegipst wurden. Nur die Nasenlöcher blieben offen. In die Formen der Modelle goss der Künstler einen pH-neutralen Beton von einer Konsistenz, auf der sich Meereslebewesen ansiedeln können und Biomasse produzieren sollen. Wie die Natur will Jason deCaires Taylor Leben schaffen und wieder zerstören – wie das Leben ist seine Kunst eine permanente Verwandlung von allem.
In einem Interview meint der Künstler, er wolle mit seinem Werk eine Brücke zwischen der unbekannten Unterwasserwelt und unserer bekannten Welt schaffen und das gesamte Leben in einen größeren Kontext stellen. Seine Figuren seien wie verpuppte Larven, die sich in steter Metamorphose unter Wasser zu einer neuen Existenz entwickeln. Die Idee von Jacques Cousteau – das zu bewahren, was wir lieben – hat auch Jason deCaires Taylor beeinflusst.

tourismolanzarote.com

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