In Pisten beißen, im Powder surfen

Skiers are on the slope on a sunny winter´s day at the ski resort of Flachau
Skiers are on the slope on a sunny winter´s day at the ski resort of Flachau(c) REUTERS (LEONHARD FOEGER)
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Skifahren. In und rund um Flachau dreht sich fast alles um ein Thema: Rennen, Skier und Schnee – gebügelt bis ungezügelt.

Ja, es ist tatsächlich Ferdinand Hirscher, der vor den Schleifmaschinen steht, ein Paar Skier für seinen Sohn in Empfang nimmt und gleich wieder entschwindet. Bissige Latten, mit denen kein Normalskifahrer auf der Piste glücklich werden dürfte. Wir vermuten: Diese Skier sind für Kitzbühel. Auch das schwere Gerät, das für Hermann Maier seinerzeit in der Atomic-Fabrik in Altenmarkt customized wurde, war alles andere als mehrheitsfähig. Gleiches gilt für die Skier von Mikaela Shiffrin, Max Franz oder Lokalmatadorin Michaela Kirchgasser. Naheliegend, dass auch Annemarie Moser-Pröll der Skimarke aus Altenmarkt verbunden war.

Gemein hat das Rennmaterial mit dem Qualitätsski allerdings das Verfahren, wie sich bei einer Besichtigung dieses Werks der Amer-Sports-Gruppe zeigt: In Sandwichbauweise werden Skier aus vielen Komponenten zusammengefügt – Oberfläche, Laminat, Seitenwangen, Skikern, Belag, Kanten, je mehr, je besser. Von der Materialseite her gibt es große Ähnlichkeiten zwischen Ski- und Flugzeugbau, erklärt Site Manager Johann Kalchhofer. Insgesamt zig Handgriffe braucht es, bis diese zig Einzelteile exakt in ihrer Form liegen, um gepresst zu werden. „Skier werden gebacken“, so Kalchhofer.

Man ist darauf bedacht, dass die neuen Modelle nicht ins Bild rücken, die in Kürze bei der Ispo in München präsentiert werden. Aber den Roboter in der Minus-30-Grad-Zelle darf der Besucher sehen: Jede neue Konstruktion wird unter extremen Bedingungen getestet. Wobei der Markt weit weniger Skier braucht als noch vor zehn Jahren, dafür differenziertere: Breite für den Ausritt von der Piste in den Tiefschnee. Rennskier für engere und weitere Radien. Superleichte Tourenskier. Langlauflatten. Skier für den Park. Neu ist, dass man sie selbst designen kann, Motive liegen bereit, oder man kommt gleich mit eigenen Bilddaten.

Beinharte Kurvenkombis

Der Skirennsport ist in und rund um Flachau omnipräsent: Der Nachtslalom der Damen auf der Hermann-Maier-Weltcupstrecke liegt ein paar Tage zurück, über 12.000 Zuschauer waren bei dem Flutlichtereignis zugegen, viele auch beim Rahmenprogramm. An diesem Wochenende werden sich einen Berg weiter, in Zauchensee, Ilka Štuhec, Lara Gut und Lindsey Vonn bei Abfahrt und Kombi in die Tiefe stürzen. Die Dramatik der Kälberloch-Strecke lässt sich vom Lift aus nachvollziehen, die S-Kurven-Kombinationen machen Zauchensee wohl zu einer der härtesten Bandagen für die Weltcup-Damen. „Vom Start weg in der Hocke zu fahren, ist zwar technisch keine große Kunst. Aber wenn man innerhalb von ein paar Sekunden auf 125 km/h beschleunigt, dann gehört dazu schon eine große Portion Überwindung“, meinte der Abfahrtsweltmeister und Hausherr Michael Walchhofer im Vorfeld (die Walchhofers betreiben Hotel und Skischule in Zauchensee).

Damit sich die steilen Pisten in Flachau und Zauchensee in beinharte, selektive Weltcupstrecken verwandeln, schaufeln viele Freiwillige tagelang den Neuschnee hinaus, rutschen, um den Belag zu festigen, und arbeiten Pistengeräte an der Seilwinde, weil das Gefälle mitunter 70 Prozent beträgt.

Flach und fluffig

Wobei das mit dem Gefälle in diesen zusammenhängenden beziehungsweise durch Skibus verbundenen Skigebieten so eine Sache ist: In Flachau, das ist allerdings ein sprachlicher Zufall, sind die Pisten tatsächlich etwas flacher, moderater, breiter als in Zauchensee, wo die Pistenmarkierungen mehr ins Rot oder Schwarz tendieren und es für den gut Vorbereiteten und Ausgerüsteten etliche Möglichkeiten gibt, in den fluffigen Tiefschnee hinauszufahren.

In Flachauwinkl wiederum wurden topgrafische Eigenheiten für ganz spezielle Zwecke genutzt. Auf dem sogenannten Shuttleberg Richtung Kleinarl gibt es zum Beispiel eine Piste, die die 20 Prozent Gefälle nicht überschreitet. Damit nämlich der Skinachwuchs beziehungsweise der (Wieder-)Beginner nicht im Tal herumrutschen muss, sondern ebenfalls das Erlebnis Berg hat, sobald er einigermaßen auf den Skiern stehen kann, erklärt Gerhard Wolfsteiner von der Region Salzburger Sportwelt.

Wilde Wesen im Wald

Zugleich spricht dieser Shuttleberg die Jungen und die Furchtlosen an: Der Absolut-Park ist mittlerweile eine internationale Größe in der Freestyle-Szene – dank einer Superpipe von 160 Metern mit 5,6 Meter hohen Walls und einer Halfpipe, die von dem Neuseeländer Jamie Kennerley, einer Koryphäe auf diesem Gebiet, geshaped wird. Um überhaupt einmal in die Nähe dieser akrobatischen Kunststücke zu kommen, die die Boarder und Freeskier darauf vollführen, gibt es im Park auch eine Kickerline, über die sich ein geübter Skifahrer drübertraut. Zaghaft, aber doch.

Ganz eingebettet zwischen Geländekuppen und tief verschneiten Nadelbäumen wurde hingegen der Burton Stash Park – ein großes, natürlich angelegtes Areal, wie es eines auch in Jackson Hole oder in Northstar in den USA gibt. 80 Obstacles aus Holz stellen sich in den Weg des Mutigen. Man kann aber auch einen Bogen drumherum machen. Originelle geschnitzte Waldwesen schauen einem dabei zu, wie geschickt man sich im Tiefschnee und in der Luft anstellt. Oder in Ersterem herumkugelt. Und damit man zum Stash Park hinfindet, markiert ein großes Tor mit einem Totem den Eingang. Dezent passt sich der Rest am Hang dem Freeski-Thema an: Liftstützen wurden in Animalprint eingepackt, vor dem Chill House bei der Talstation stehen Kunststoffsofas im Schnee, beladen mit Rucksäcken und Jacken in XL. Hier hängt man ab, muss nichts konsumieren.

Freilich, der Skifahrer will genau das: nach ein paar Stunden Sport einkehren, Elektrolyte nachladen, hausgemachten Kaiserschmarrn essen. Die Hüttendichte rund um Flachau ist hoch, immer mehr Einkehren werden den anspruchsvollen Gast nicht enttäuschen. Schon gar nicht eine wie die Burgstall in Zauchensee, eine kleine, alte Hütte, geführt von einem engagierten Wirtepaar. Hier steht der O-Power-Suppentopf auf der Karte, eine kräftige Tafelspitzsuppe mit Gemüse, Linsen, Nudeln – die berühmten Gebrüder Obauer, Vier-Hauben-Köche in Werfen, haben das Rezept kreiert. Zum Digestif bringt die Wirtin nicht unbedingt Schnaps, wenn auch ein Stamperl weltmeisterlicher Marillennektar passt.

Aktive Denkmalpflege

Weltmeister gibt es in der Gegend scheint's mehr als anderswo in den Alpen. Und Heroen wie Hermann Maier, von dem einige Konterfeis als Kunstwerk im öffentlichen Raum stehen: Ein riesenhafter Herminator steht bei der Straße, ein Metall-Maier in Egger-Lienz'schem Stil auf dem Hermann-Maier-Platz. Seit Kurzem ist Maier noch präsenter im heimatlichen Flachau: Im Foyer des Tourismusbüros wurde am Montag die neu adaptierte Hermann-Maier-Galerie eröffnet. Gezeigt werden die Trophäen wie die Kristallkugeln für den Gesamtweltcup, die Kitzgams, Startnummern, spektakuläre Fotos, aber auch der lange Nagel von der OP nach dem Motorradunfall. Bei der Eröffnung zeigte sich Maier ziemlich gesprächig und ließ sich zu lockeren Aussagen hinreißen. Dass er mehr Zeit beim Babylift verbrächte als auf „seiner“ Piste. Und nein, nicht so glücklich wäre, würden seine Kinder Rennsportler werden wollen. Aber keine Sorge: Nächste Sieger aus Flachau lassen sicher nicht lang auf sich warten.

MITTEN IM SILICON VALLEY DES SKISPORTS

Skifahren: Rennstrecken in Flachau (Hermann-Meier-Weltcupstrecke als Austragungsort des Nachtslaloms der Damen) und in Zauchensee (Kälberlochpiste im Einsatz an diesem Wochenende für Abfahrt und alpine Kombination der Damen; der FIS Ski Weltcup feiert heuer 50-Jahr-Jubiläum). Areal für

Freestyler: Absolut-Park am Shuttleberg in Flachauwinkl. www.flachau.com

Einkehren auf dem Berg: Burgstallhütte in Zauchensee, Tipp: O-Power-Suppentopf (kreiert von den Vierhaubenköchen Rudi und Karl Obauer aus Werfen). Fein ist auch der Heidelbeerkaiserschmarren. Die Hütte findet sich nebst anderen auf der Via Culinaria für Hüttenhocker. www.burgstallhuette.com

Essen im Tal: Zum Holzwurm in Flachau: Restaurant an der Hermann-Maier-Strecke. Gute Küche, beste Aussicht auf die Events auf der Piste.

Schusterhäusl in Flachau: Uraltes Haus eines früheren Schustereibetriebs mitten im Ort. Guter Platz für Steaks. www.schusterhaeusl.at

Hermann-Maier-Galerie: im Foyer der Tourismusinfo in Flachau, Hermann-Maier-Platz 1.

Ski: Atomic, Solomon und andere werden in Altenmarkt produziert. Bei Atomic gibt es die Möglichkeit, den Skibelag selbst zu designen. Zudem Shop eigens für Rennläufer und FIS-Mitglieder.

Info: TVB Flachau.www.flachau.com,

www.salzburgerland.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.01.2017)

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