Azoren: In Allwetterkluft zum Vulkan

Schwarzer Strand, originelles Wetter auf den Azoren.
Schwarzer Strand, originelles Wetter auf den Azoren.Imago
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Sie stehen für ein Hoch, spielen aber mehrmals täglich Wetterroulette. Die neun portugiesischen Inseln im Atlantik sind ein Ziel für gut ausgerüstete Spaziergänger bis Bergwanderer.

Da hinten wird's schon wieder hell“ – einer der meistgebrauchten Sätze im Urlaub auf den Azoren. Der Archipel aus neun Inseln bietet eine Menge Abwechslung. Das gilt auch und vor allem fürs Wetter: Man kann an einem einzigen Tag alle Jahreszeiten auf einmal erleben. Gut, den Winter einmal ausgenommen. Neben einer großen Portion Flexibilität gehört unbedingt allwettertaugliche Kleidung ins Gepäck. Das bekannte Azoren-Hoch heißt einfach nur so, weil es weit und breit keinen anderen Fixpunkt in seinem Entstehungsgebiet gibt. Auch in diesen Punkten muss Klarheit geschaffen werden: Die Azoren gehören zu Portugal. Trotzdem sind sie nicht Madeira, sie sind keine typische Massentourismusdestination – und dennoch gibt es Sehenswürdigkeiten zu entdecken. Eine Reise lohnt sich vor allem wegen der Natur. Wer Ruhe sucht, kann auf den Azoren stundenlang in üppigem Grün wandern. Auch in den kalten Monaten. Die Orientierung ist dank perfekter Wegmarkierung kinderleicht: Zwei parallele Striche bedeuten „Hier geht's lang“ und zusätzliche Kreuze heißen „Hier nicht“, sodass man nie lang rätselt oder sich in Gedanken versunken vertun kann.

Landschaftspuzzle

Wegen des feucht-milden Klimas und des fruchtbaren vulkanischen Bodens wächst so ziemlich alles. Wahrzeichen sind im Sommer Millionen blau blühender Hortensienbüsche. Wie im Jurassic Park (nur ohne Dinosaurier) ist eine zutreffende Beschreibung für alle Inseln, die gemeinsam eine kleinere Fläche ergeben als Mallorca. Liebliches Hügelland mit saftigen Wiesen und den Azoren-typischen schwarz-weißen Rindern, waldreiche Berghänge, gewaltige Kraterkessel und hübsche Küsten – das erinnert an Österreich, Island, Neuseeland, Irland, ein bisschen Ostsee und Hawaii und kann hinter der nächsten Kurve – davon gibt es reichlich – schon wieder anders sein. Dank der überschaubaren Größe sind alle Punkte der Hauptinsel, São Miguel, per Mietwagen schnell zu erreichen und damit kurzfristige Planänderungen jederzeit möglich. Zwei Standorte bieten sich an: Furnas für den Inselosten und Rabo de Peixe, um im Ostteil unterwegs zu sein.

Furnas ist eine sympathische Mischung aus Kurort und verschlafenem Bauerndorf. An vielen Stellen brodelt es aus kochend heißen Quellen. Selbst im Winter kann man im Terra Nostra Garden, einer der schönsten Parkanlagen, in dem von heißen Quellen gewärmten, eisenhaltigen Badesee schwimmen. Das eisenhaltige Wasser hat eine nicht so schöne bräunliche Farbe, deshalb lieber keine hellen Badesachen tragen.
Insgesamt 22 Quellen – Caldeiras – dampfen und blubbern bei Furnas. Es riecht nach Schwefel. Kochen im Vulkan: Am Kratersee Lagoa das Furnas wird das Nationalgericht Cozido zubereitet, und das ist echtes Slow Food: Ein Eintopf wird frühmorgens in den Erdlöchern der heißen Quellen am Seeufer vergraben. Keine fünf Stunden später ist das Essen fertig! In der Zwischenzeit lohnt es sich, um den nahezu unverbauten See zu spazieren oder zum Aussichtspunkt Pico do Ferro oberhalb des Gewässers zu wandern – ein Traumausblick.

Sollte der in Wolken stecken, einfach ein paar Minuten weiterfahren an die Nordküste und einen Abstecher zur Teeplantage Chá Gorreana bei Ribeira Grande machen. Endlos grün erstrecken sich die Felder. Seit 1883 wird dort Tee hergestellt. Ernte ist zwischen März und Oktober – jährlicher Ertrag: 40 Tonnen. Man kann dann bei der Produktion zusehen, die zum Teil noch mit uralten Maschinen aus England funktioniert. Früher gab es hier 14 Teefabriken, heute sind es zwei. Die Ostküste wiederum präsentiert sich schwarz-felsig. Als Highlight schmücken die malerischen Kraterseen Lagoa Azul und Lagoa Verde die Reiseführer und Broschüren. Mittendrin das kleine Dorf Sete Cidades. Ruhig und ein wenig verschlafen außerhalb der Sommersaison. Eine beliebte Tour zu Fuß verläuft entlang des Kraterrandes bis hinunter zum Uferrand und Dorf. Aussichtpunktklassiker ist der 300 Meter oberhalb gelegene Vista do Rei.

Tourismus-Ruine

Was dort so gar nicht ins Bild passt, ist die Ruine des einstigen Hotels Monte Palace auf diesem Traumplatz. In den Achtzigerjahren gebaut, war es seiner Zeit zu sehr voraus und die Azoren noch nicht touristisch erreichbar wie heute. Mehr als 170 Betten gab es einst, ein Jahr nach Eröffnung war es bereits Geschichte. Das Haus ist frei zugänglich, ungesichert und ein wenig gruselig. Lobby, Wendeltreppe, Aufzugsschacht – vieles ist noch vorhanden. Von den Balkonen der Suiten im Obergeschoß ist der Ausblick auf die Seen wunderbar. Sollte der Berg noch wolkenverhangen sein, gilt die Azoren-Taktik: flexibel sein. Und ein kurzer Blick auf die Webcams der Küste zeigt schnell, wo es schon wieder heller wird.

Mitten im Atlantik

Schlafen:

Pico de Refugio in Rabo de Peixe. Stylische Apartments & Lofts in altem Gemäuer. www.picodorefugio.com

Furnas Lake Villas: verstecktes Hideaway in Furnas, moderne Apartments in Holzwürfeln mit großen Fensterfronten. www.furnasboutiquehotel.com

Essen: Restaurant der Lake Villas: im alten Kurhaus, www.furnaslakevillas.pt

Drink: An der Praia de Santa Barbara bei Ribeira Seca: coole Strandbar Tuka Tula.

Info:www.visitazores.com/de

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.4.2017)

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