Dubrovnik: Schrille Schreie über der Bilderbuchstadt

Dubrovnik Schrille Schreie ueber
Dubrovnik Schrille Schreie ueber(c) AP (Diether Endlicher)
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Wie der einstige Gegner Venedigs, Ragusa, die stolze Republik in Süddalmatien, zu einem lebenden Museum geworden ist: allerfeinstes Mittelalter, aber so pur und kompakt wie nirgendwo sonst an der Adria.

Früher hielten die zwei Kilometer langen und bis zu sechs Meter dicken Steinmauern rund um die Stadt feindliche Truppen davon ab, Ragusa zu erobern. Sie waren so wichtig, dass sogar Papst Pius II. Geld schickte, damit die Mauern im Jahr 1459 verstärkt werden konnten.

Heute halten die Mauern einen anderen Feind vom historischen Stadtzentrum fern – die Kakophonie der Blechlawine, die sich tagtäglich durch die Außenbezirke des beliebten dalmatinischen Touristenziels schiebt. Während in der Vorstadt die Motoren brummen, hört man innerhalb der Stadtmauer von Dubrovnik vor allem das Geschrei der Mauersegler, die im Sommer die Lüfte über der Stadt beherrschen.

Dubrovnik, das alte Ragusa, heißt nicht umsonst „Perle der Adria“. Die auf einer Halbinsel gelegene Stadt, die 1991 unter serbischem Beschuss stand und schwer beschädigt wurde, zählt bereits seit 1979 zum Unesco-Weltkulturerbe. Während ihrer Blütezeit, bis zum Jahr 1708, verließ sich die Republik Ragusa, die durch den Seehandel an der Adria und durch ihre guten Kontakte zu den Osmanen, denen sie Schutzzoll bezahlte, zu großem Wohlstand kam, aber nicht allein auf den Schutz durch die altehrwürdigen Stadtmauern.

Gegenspieler Venedigs

Seit sich die Stadt 948 gegen die Venezianer verteidigen konnte, schwört man in Dubrovnik auch auf den Schutz des heiligen Blasius, dessen Statuen die Stadttore und Kirchen zieren. Eine der drei Kirchen wurde nach ihm benannt, jedes Jahr Anfang Februar zieht St.Blasius zu Ehren ein Prozessionszug über den Stradun, die Hauptflaniermeile der Innenstadt.

Auch die im 15. und 16. Jahrhundert mächtige Handelsflotte des Stadtstaats segelte unter einer weißen Fahne mit den Initialen S. B. – Sanctus Blasius. In den besten Zeiten der Republik, im 15. und 16. Jahrhundert, waren etwa 200 Handelsschiffe unter der Flagge Dubrovniks unterwegs – sie durchsegelten das gesamte Mittelmeer und zum Teil auch den Atlantik. Doch auch der heilige Blasius, der ebenso der Schutzpatron der Maurer, Schuster und Schneider ist und außerdem vor Halsbeschwerden, Zahnschmerzen und der Pest schützen soll, konnte nicht verhindern, dass Dubrovnik von 1205 bis 1358 von den Venezianern beherrscht wurde.

Nachdem die Stadt ihre Unabhängigkeit wiedererlangt hatte, stellten die Bürger im Jahr 1419 eine Roland-Statue auf dem Luža-Platz auf, dem Hauptplatz der Stadt. Der Dubrovniker Roland – oder Orlando – war für die Bürger eine Art Gegensymbol zum Löwen der Venezianer. Sankt Blasius und Roland vulgo Orlando waren für die Bürger der Stadtrepublik ein Symbol der Freiheit. Und die wollten die Stadtbewohner für kein Geld der Welt verkaufen.

Staatschef für 30 Tage

Charakteristisch für die reiche und stolze Stadtrepublik war das System der Herrschaft auf Zeit. Der Bürgermeister oder Doge – in Dubrovnik Rektor genannt – wurde vom Rat der Adligen für jeweils nur dreißig Tage gewählt. Für diese Zeit zog er in den Rektorenpalast und bekam dort auch die Stadtschlüssel, mit denen das Pile- und das Ploce-Tor allabendlich abgesperrt wurden. In seinem Mantel aus rotem Damast wirkte der Rektor, der aus den Reihen des „Kleinen Rats“ stammte, durchaus fürstlich – auch wenn seine Aufgabe eher das Repräsentieren war. Denn die Gesetzgebung und die Wahl des 41-köpfigen Senats oblag dem „Großen Rat“, dem so gut wie sämtliche Patrizier und Edelleute des Stadtstaates angehörten.

700-jährige Klosterapotheke

„Obliti Privatorum Publica Curate“ heißt es in Stein gemeißelt über einer Tür des Rektorenpalasts: „Vergesst eure persönlichen Angelegenheiten, kümmert euch um das Wohl der Öffentlichkeit“. Der von Arkaden gesäumte Stadtpalast, der ein Museum beherbergt, gehört zu den Hauptsehenswürdigkeiten der Adriastadt.

Dubrovnik erschließt sich für den Besucher recht einfach: Entlang der Hauptstraße Stradun finden sich vor allem Cafés und Eissalons, in der parallel gelegenen Prijeko-Straße reiht sich ein Restaurant an das nächste, und die weiter westlich gelegene Od Puča ist die Straße der Läden. Natürlich stammt nicht jedes Souvenir tatsächlich aus der Stadt. Denn in der Hochsaison strömen tagtäglich Touristenmassen durch die Straßen der Stadt. Viele der Gäste sind nur Tagesbesucher, die auf einer Mittelmeerkreuzfahrt hier kurz Station machen oder Badeurlauber auf Stippvisite. Klar, dass die Händler eher an das schnelle Geschäft als an den mühsamen Aufbau einer treuen Stammkundschaft denken.

Eines der ältesten und sehenswertesten Geschäfte der Stadt befindet sich in der Nähe des Pile-Tors im alten Franziskanerkloster. Bereits seit knapp 700 Jahren mischen die Mönche hier Elixiere, anfangs nur für den Eigenbedarf, später versorgte ihre Apotheke auch die Bevölkerung.

Heute ist die Klosterapotheke, in der heute noch Crémes nach alten, eigenen Rezepten verkauft werden, eine der Hauptattraktionen der Stadt. Leider wurde das Franziskanerkloster, wie auch die gesamte Stadt, mehrmals durch Erdbeben schwer beschädigt. Nach dem bislang schwersten Beben im Jahr 1667, bei dem die Hälfte der Stadtbevölkerung ums Leben kam, sollen aus dem brennenden Kloster, das für seine Kirchenschätze berühmt war, regelrecht Bäche aus Gold geflossen sein. Auch heute kommt es übrigens gar nicht so selten vor, dass in Dubrovnik die Tee- oder Kaffeetassen leise klirren – kleinere Erdbeben gibt es in Süddalmatien immer wieder.

Trotz aller Katastrophen – Erdbeben und Kriege, zuletzt 1991 – ist Dubrovnik noch immer eine Bilderbuchstadt mit extrem kompaktem mittelalterlichen Flair. Fast immer, wenn ein Gebäude zerstört worden ist, hat man es möglichst originalgetreu wieder aufgebaut. Nur die grandiose Dach- und Turmlandschaft, die von der Stadtmauer aus überblickt werden kann, ist dabei ein bisschen eintöniger geworden: Den Terrakottaziegeln sieht man an, dass sie neu und industrieller Herkunft sind.

Aber das sind nur kleine Schönheitsfehler – abends, auf einem Rundgang auf der Stadtmauer, wenn die Abendsonne die 16 Wehrtürme und die Dächerlandschaft mit einem sanften orangefarbenen Licht überzieht und die hyperaktiven Mauersegler sich mit schrillen Schreien in ihre Nester verabschieden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.05.2010)

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