Griechenland: Küste, Kurven und Kentauren

(c) Homolka
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Griechenland ist um die Mitte herum ein bisschen grüner, üppiger, unbekannter. Der Pilion, der lang und gebirgig in den Pagasäischen Golf ragt, hat was von einer Insel.

Der Flughafen Nea Achialos am Golf von Volos bringt Urlaubern eine Destination näher, die vom Massentourismus noch nicht vereinnahmt wurde. Dabei hat ganz in der Nähe eine der ersten All-inclusive-Reisen der Geschichte ihren Ausgang genommen: Von Iolkos aus sind sie in See gestochen, Iason, Kastor, Pollux und Konsorten. Auf der Suche nach dem Goldenen Vlies haben sie gleich einmal am Pilion haltgemacht, um sich des Wohlwollens der Kentauren zu versichern. Dieser Zug ist zwar längst abgefahren, doch den Pilion zu erkunden ist jedenfalls ein guter Grund, nach Volos zu fliegen.

Apropos Zug: Im Sommer schleppt eine alte Dampflok kleine Waggons ins Gebirge. Die unlängst sanierte historische Trasse hat übrigens Avaristo de Chirico entworfen, der Vater des berühmten vorgeblich italienischen Malers, der sich seiner griechischen Herkunft gar nicht hätte schämen müssen. Immerhin gilt die Höhle unter der eindrucksvollen Stahlbrücke kurz vor der Endstation in Milies als Wohnort der Kentauren – die sind ja auch nicht von schlechten Eltern. Cheiron, der dort Hof hielt, war immerhin Zeus’ Bruder!

Heutzutage bietet sich die Taverne „Palio Stathmos“ in der Endstation an, um sich von den Strapazen der Fahrt zu erholen. Typischerweise mit einer herzhaften Portion Spetsofai, einem Eintopf aus Paradeisern, Paprika und kräftigen Würsten.


Löffelweise Frühling.
So ein Schienenstrang hat allerdings auch einen gravierenden Nachteil: Man erreicht nur Orte, die direkt am Gleis liegen. Und da dieser Zug hier endet, heißt’s nun zurück zum Start. Macht aber gar nichts, in Volos gibt’s ausreichend Geschäftsstellen seriöser Autoverleiher. Und in der Nähe des Flughafens hat der österreichische Charteranbieter Egger Yachting die Gunst der Stunde genutzt und eine Basis eröffnet, von der aus sich die Bucht von Volos und die Küsten des Pilion gemütlich erkunden lässt. Wer aber die abwechlungsreiche Halbinsel näher kennenlernen will, tut dies am besten auf eigener Achse.

Gleich hinter der Stadt am Golf winden sich Serpentinen den Hang hinauf, um alle paar Kurven einen Ort zu erschließen. Man braucht erst gar nicht zu versuchen, zügig voranzukommen, man versäumt sonst zum Beispiel Klimaktaria, das Dorf wird „Balkon des Pilion“ genannt und macht seinem Namen alle Ehre.

Der Blick schweift vom Hauptplatz über den Pagasäischen Golf, ganz unten erkennt man sogar Trikkeri, das Inselchen, das wie ein Schlusspunkt der Halbinsel vor- oder eben nachgelagert ist. Der Hauptplatz wird von einer mächtigen Platane beschattet, die mit ihren Ästen über all die hübschen Steinhäuser ihr Blätterdach ausbreitet. Bunte Akzente setzen die Auslagen der kleinen Läden, die Gläser mit typischen Löffelsüßigkeiten und in Essig eingelegtem Gemüse anbieten. Botanische Analphabeten haben die Gelegenheit zu sehen, was die Natur der Halbinsel alles hervorbringt. Im Frühling führt das zu einer unglaublichen Blütenpracht, der Kenner weiß, welche Farbe zur jeweiligen Obstsorte gehört, der Gourmet deckt sich hier mit Gläsern ein und genießt die Natur zu Hause ein zweites Mal.


Ganz oben: ein Skilift.
Die nicht nur für griechische Verhältnisse üppige Fruchtbarkeit verdankt der Pilion seinem Wasserreichtum, unzählige Quellen sprudeln an dem Ort. Jene neben der Johannes dem Täufer geweihten Kirche heißt passenderweise „Athanatos Nero“, unsterbliches Wasser. Dass mit landwirtschaftlichem Erfolg einst auch materieller Wohlstand einherging, bezeugen die Ausstellungsstücke im Museum für Volkskunst und Geschichte. Untergebracht in einem liebevoll renovierten Herrenhaus, lässt es erahnen, woher der Lokalpatriotismus und Stolz der Pilioriten rührt.

Wenige Kilometer weiter bietet sich das Hotel Filoxenia in Portaria als stilvolles Quartier an. Es galt um 1900 als das luxuriöseste auf dem ganzen Balkan, behauptet man hier. Damals jedenfalls war der Ort das Handelszentrum der Region, mit seinen 24 Gemeinden wird er auch „Pforte zum Pilion“ genannt. Von dieser geht’s wieder bergauf in Richtung Passhöhe, die kurz hinter Hania mit Überraschungen aufwarten kann. Dem aufmerksamen Reisenden wird nicht verborgen bleiben, dass in den kleinen Läden, neben den üblichen Souvenirs, auch Skiausrüstungen feilgeboten werden. Beim Verlassen von Hania zieht der Gipfel des Mount Pilion die Aufmerksamkeit auf sich. Und tatsächlich, das ist die Bergstation eines Skiliftes, da oben auf dem Gipfel!

 Zugegeben, wegen der Pisten kommt hier nur her, wer ohnehin den Winter in Volos oder Larissa verbringt. Aber die Aussicht ist jederzeit atemberaubend. Während einen die archaische Aufstiegshilfe gemächlich nach oben schüttelt,  fällt der Blick erst links auf die Sporaden. Über einen Sattel erspäht man kurz darauf rechterhand den Pagasäischen Golf, um schließlich auf dem Gipfel mit einem 270-Grad-Panorama auf Ägäis, Euböa und den ganzen Pilion belohnt zu werden.

Genug der Gipfel, wir wollen endlich hinunter ans Meer! Gar nicht so leicht, wieder Kurven ohne Zahl, bis der erste Strand entdeckt ist.



Liebe oder Gnade. Die schlechte Erreichbarkeit schützt vor touristischen Invasionen, hatte einen vergleichbaren Effekt aber auch schon zur Zeit der osmanischen Herrschaft. So fanden die türkischen Landungstruppen keinen geeigneten Hafen, um die Bewohner zu belästigen. Und ihre Behausungen haben die schlauen Pilioriten oben im Landesinneren verborgen, war also nicht leicht für die Eroberer, lohnende Ziele für Überfälle oder Besteuerung zu finden. So blieb dem weisen Sultan fast nichts anderes übrig, als den Pilioriten Autonomie und Steuerprivilegien einzuräumen.

Einen ganz vorzüglichen natürlichen Hafen gibt’s aber dann doch, der ist den genuesischen Seefahrern nicht verborgen geblieben. Oder sie hatten eine romantische Ader. Jedenfalls haben sie ihre kleine Festung malerisch auf einen Felsen zwischen die beiden perfekt geschützten Buchten gesetzt, Spuren davon kann man noch entdecken. Auch der Name ist vermutlich genuesisch. „Ntamouchari“ steht auf der Karte, klingt irgendwie arabisch. Wie immer ergibt die Recherche in Griechenland mehrere Ergebnisse. „D’amour chari“, „Der Liebe gedankt“, soll es bedeuten, versichern die Romantiker, „dos mou chari“, „Gib mir Gnade“ heißt es, meinen die Religiösen.

Viele neigen ersterer Version zu, auch der Location Scout der Verfilmung des Musicals „Mamma Mia“ lässt die glückliche Hochzeitsgesellschaft hier bei Mamma Meryl Streep an Land gehen. Zum Glück kennt den Ort kaum jemand, weswegen man das Hotel Kleopatra Miramare getrost als Honeymoon-Geheimtipp bezeichnen darf. Direktor Apostolos sammelt alles, was das Meer angeschwemmt hat, putzt, bastelt und färbelt, bis die Stücke Dekorationstauglichkeit erlangt haben. Klingt gefährlich nach Kitsch, doch Apostolos fügt den Kram zu einem echten Gesamtkunstwerk zusammen.



Das Öl der Krise. Mehr oder weniger zufällig entstanden ist hingegen ein Projekt weiter unten an der Küste in einem Ferienhaus nahe Kastri. Margit und Richard Schweger saßen dort im Olivenhain – der Plan, einen Fonds aufzulegen, aus dessen Gewinnen sie karitative Projekte untestützen wollten, hatte das Börsenunwetter zerschlagen –, als aus heiterem Himmel eine ganz naheliegende Idee geboren wurde. Der Pilion ist ja voll mit Oliven, Millionen knorriger Bäume stehen da herum, hauptsächlich werden Oliven der Sorte Amphisia kultiviert. Die ist fast zu schade zum Pressen, wird vorwiegend als Speiseolive geschätzt. Nur mit der Vermarktung hat es bislang gehapert.

Mittlerweile hat der Idealismus der Beteiligten das Olivenöl unter der Marke „Noan“ hervorgebracht, die heurige ist bereits die zweite Ernte, die vermarktet wird. Dottore Duccio Morozzo della Rocca, renommierter Oliologe aus der Toskana, bescheinigt dem Öl außergewöhnliche Qualität. Auch vom Enthusiasmus hat er sich anstecken lassen, wie der Großteil der organisatorischen Mitarbeiter stellt er Zeit und Wissen honorarfrei zur Verfügung. So ist schon im ersten Jahr ein nennenswerter Betrag in Kinderhilfsprojekte geflossen, außerdem kommen die lokalen Bauern endlich in den Genuss fairer Bezahlung. Nach anfänglicher Skepsis unterwerfen sich die Bauern den strengen Anforderungen und Qualitätskontrollen. Schnell hat sie die Begeisterung erfasst, und sie anerkennen die Initiative der „Xenous“, der Fremden. „Das Projekt bringt Hoffnung auf den Pilion“, erklärt ein knorriger Bauer beim Beladen des Pick-ups, der die Ernte zur Presse bringen soll. Chauffieren wird ihn übrigens Wolfgang, auch so ein Freiwilliger aus Österreich. Er ist intensiv mit der Produktion beschäftigt, zur Erntezeit 18 Stunden unterwegs und kann ein Lied von den Anfangsschwierigkeiten singen. "Erst wenn die Einheimischen das Gefühl haben, du lässt ein Stück deiner Seele am Pilion, vertrauen sie dir. Aber dann öffnen sie auch ihre Seele für dich und plötzlich wird alles möglich. Ist ein magischer Ort, der Pilion."

GRIECHENLAND-INFO


Auskünfte
www.visitgreece.gr, Stand Ferienmesse Wien: A0507

Anreise
www.lauda air.com, Stand Ferienmesse WienA0435

Unterkunft
Hotel Filoxenia/Portaria: Tel.: 0030/24280/99160
Hotel Miramare/Damouchari: www.pelion.com.gr/damouchari
Palio Stathmos Hotel/Milies: www.paliosstathmos.com

Kulinarisches
Noan, www.noanoliveoil.com

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