Tiberius’ Lusthöhle: Gaetas Geheimnis

Zwischen Neapel Gaetas Geheimnis
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Die Küste rund um die Stadt Gaeta bot den römischen Kaisern einst Lustbarkeiten, heute bringt sie die Besucher mit großen Bootstreffen zum Staunen.

TIPP

Gaeta zählt nicht gerade zu den bekanntesten Orten Italiens. Die Konkurrenz in Form von malerischen toskanischen Städten und bekannten Adriastränden ist einfach zu groß. Touristisch genutzt ist der Landstrich an der Küste des Lazio zwischen Rom und Neapel auch nicht wirklich – jedenfalls nicht von uns Nord- und Mitteleuropäern. Aber wenn Ferragosto vor der Tür steht, die italienische Hochsaison rund um Mariä Himmelfahrt, gehören die Strände zwischen Ostia und Ischia zu den beliebtesten Ferienorten der römischen und napolitanischen Bourgeoisie. Entsprechend vielfältig und umfangreich präsentiert sich denn auch die Beherbergungs- und Bewirtungsindustrie. Und das mit dem Vorteil, außerhalb der lokalen Hochsaison fast nie überlaufen zu sein.

Hervorragendes Beispiel für gehobenen Stil stellt das Grand Hotel Villa Irlanda dar, etwas entfernt vom Zentrum, an der Grenze zum Stadtteil Formia gelegen, wo sich der Bahnhof und der Passagierhafen befinden. Das Hotel macht sich auf dem Gelände eines ehemaligen Konvents breit – bei uns hieße das wohl Schottenstift, aber die Italiener wussten schon, woher die Missionare stammten. Das einstige Refektorium dient standesgemäß als Speisesaal, auch die Kapelle darf mitspielen, nur das Taufbecken unter dem Baldachin harrt noch einer profanen Verwendung. Das Service erledigen ebenfalls Laien, allerdings nur im kanonischen Sinne. So aufmerksam, freundlich und flink wie das Personal hier würden Fratres wohl nicht auf die weltlichen Wünsche der Gäste eingehen können.

Vom Pool schweift der Blick über die Bucht von Gaeta, die vielen bunten Bojen draußen markieren die Muschelkulturen, sie lassen erahnen, welche Genüsse einen erwarten. Dahinter flitzen Tragflügelboote am Horizont in Richtung Pontinische Inseln, um dann hinter der mächtigen Festung von Gaeta und dem Torre d’Orlando aus dem Blickfeld zu verschwinden. Kein Wunder, dass diese Lage etwaigen Siedlern oder Feldherren unwiderstehlich erschien.

Als Erste haben das natürlich die Griechen erkannt – samiotische Kolonien stellen die ältesten nachweisbaren Siedlungsspuren dar. Auch der Name wird wohl im griechischen Wort „Kaiétas“, „Höhle“, seinen Ursprung haben.

Tiberius’ Lusthöhle. Die „Grotta del Turco“, auch „Hafen der Sarazenen“ genannt, ist eine ziemlich beeindruckende Höhle im Torre d’Orlando, jenem Berg, der die Stadt zum Festland hin abschirmt und der wiederum nach dem rasenden Roland benannt ist, einem fränkischen Fürsten, der sich im Abwehrkampf gegen die Sarazenen einen Namen gemacht hat. Den bösen Sarazenen wiederum kam die Aufgabe zu, Gaeta der byzantinischen Herrschaft zu entreißen, welche sich die Stadt quasi als Erbe der oströmischen Filiale unter den Nagel gerissen hatte.
Die römischen Kaiser sahen in der Gegend allerdings in erster Linie eine hervorragende Urlaubs- und Weekenddestination. Ein paar Kilometer die Küste hinauf bei Sperlonga lässt die Höhle des Tiberius erahnen, wie man sich damals die Zeit vertrieb und wo die Spelunke ihren Ursprung hat.

Die mächtigen Mauern, die Gaeta in doppelter Ausführung umgeben, haben die Anzahl der Herrschaften halbwegs überschaubar gehalten. Päpste und Kaiser haben sich daran die Zähne ausgebissen, das Kastell der Häuser Anjou und Aragón beweist in seiner Unversehrtheit, dass sich das Königreich beider Sizilien hier recht lange halten konnte. Erst die Franzosen vermochten die Nuss fast zu knacken: Papst Pius IX. hat hier 1815 Zuflucht gesucht, und schließlich auch der letzte König beider Sizilien, Franz II., den die Truppen Garibaldis hierher getrieben hatten. Der Rest ist Geschichte – immerhin feiern wir heuer 150 Jahre Italiens Einheit.

Der Ausblick von der Festung ist atemberaubend, von hoch oben über den steil abfallenden Klippen sieht man an klaren Tagen den Vesuv und das bezaubernde Ischia. Doch wenn die Winterstürme toben, bläst es die Gischt bis in die vergitterten Wandelgänge hinauf. Der letzte Bewohner einer kleinen Kammer hier oben war übrigens ein gewisser Herr Walter Reder. Als der NS-Kriegsverbrecher 1985 nach Österreich heimkehrte, brachte die zu freundliche Begrüßung durch Minister Frischenschlager Letzteren in gar arge Bedrängnis.

Historische Regatta. Ein bisserl Besatzungsmacht müssen die stolzen Gaetaner aber immer noch ertragen: Auch wenn der Pachtvertrag für den Stützpunkt der US Navy kürzlich ausgelaufen ist, liegt doch weiterhin ein riesiger grauer Kahn im Hafen. Die Besatzung dürfte zurzeit ziemlich beschäftigt sein, dient das Schiff doch als Informationszentrale und Relaisstation für Marineaktivitäten in der Großen Syrte.

Darüber macht sich aber am Wochenende vor Ostern keiner groß Gedanken. Vielmehr stellt sich das zahlreich erschienene Publikum die Frage, welche der vier einstigen maritimen Republiken wohl die Ehre haben würde, sich als Beherrscher der Meere zu bezeichnen. Die ehrenwerten Städte Amalfi, Genua, Pisa und das durchlauchteste Venedig treffen sich nämlich heuer in Gaeta zu einer außertourlichen Auflage der „Regata Storica“, um Gaeta die Ehre zu erweisen. Anlass ist das „Yacht Med Festival“ – eine Bootsaustellung, wie man sie aus Genua oder Cannes kennt, allerdings unter Einbeziehung lokaler Produzenten aus der Lebensmittel- und Winzerbranche sowie der Bevölkerung.

Selbstverständlich wird so eine Veranstaltung hier auch von den lokalen Würdenträgern und Politikern mehr als zelebriert. Die Eröffnung im mittelalterlichen Rathaus beehren die Präsidentin der Region Latium, der Erzbischof, der Bürgermeister, der Präsident der Handelskammer, die drei Letzteren allesamt geschmückt mit der Schärpe offizieller Funktionäre in den dynamischen Farben der Trikolore. Die Moderation hat die prominente Präsentatorin der auf „RAI Uno“, dem „richtigen“ Fernsehsender, laufenden Sendung „Lineablu“ über.

Blauer Keil aus Österreich. So glamourös wie bei den Shows an der Côte d’Azur geht es in Gaeta zwar nicht zu, dafür bietet dieses Festival auch etwas für Besucher, die sich nicht zur Millionärskaste zählen dürfen. Von Bootszubehör bis Segelbekleidung reicht das Angebot für Freizeitkapitäne, Profis informieren sich über die neuesten Trends in Sachen Pantry, Antriebstechnik und Energiesparmaßnahmen. Natürlich liegen am langen Kai jede Menge Boote zwischen 15 und 50 Fuß Länge – zum Leidwesen des Seglers allerdings bis auf ein einziges Exemplar allesamt Motorschiffe. Wenige Anbieter aus dem Ausland findet man noch, einer von ihnen hat dafür ein schnittiges Schinakel am Schwimmsteg festgemacht, das sich als echter Eyecatcher erweist. Der blaue Keil namens 717 GT – ein klassisches Roundabout im Stil der 1930er-Jahre mit langem Bug und knappem Cockpit – wurde von der Firma Frauscher aus Gmunden hergestellt. Dank üppiger Motorisierung 60 Knoten (110 km/h) schnell, reichte dies, um 2010 zum europäischen „Powerboat of the Year“ gewählt zu werden.

Mauro Feltrinelli, Juniorchef der gleichnamigen Werft am Gardasee und Importeur der feinen Ware aus Österreich, sieht in der Show eine Chance, den Küstenbewohnern seine Produkte näherzubringen. „Die Kunden kennen diese Boote nur von Seen. Hier können wir zeigen, dass wir auch auf dem Meer mitspielen können!“ Die Einladung zur Probefahrt wird gerne angenommen. Gleich wird auch das große, doppelt motorisierte Modell 909 Benaco losgemacht, auf dass der Gast schöne Fotos auf dem Meer schießen möge. „In unseren Prospekten erkennt man immer den Gardasee. Mit der bekannten Festung von Gaeta im Hintergrund zeigen wir, dass wir auch auf hoher See zu Hause sind.“

Apfelpüree und Spumante. Zurück an Land locken die Aromen der Würste, Käse und Weine, die Produzenten und Cooperativen aus der Region in ihren Pavillons anbieten. Frischer Büffelmozzarella, erst am Morgen hergestellt, zählt zu den herausragenden Kostenswürdigkeiten des Landstrichs, in ihrer Frische sind die süß-säuerlichen weißen Kugeln mit den bei uns bekannten aus den Plastiksackerln nicht zu vergleichen. Dazu wird gerne ein Schluck Schaumwein genossen. Oder man kreiert anlässlich der Feiern zu den 150 Jahren Einheit Italiens gleich einen Cocktail, wie etwa die Coop von Caserta: Bei ihrem „Aversa Asprinio Spumante“ dürfen sogar die dort heimischen Äpfel, ein Kugerl Mozzarella sowie eine hauchdünne Scheibe Prosciutto mitspielen. Vittorio Zanetta, Consigliere der Camera di Commercio, erklärt die Zusammenstellung – die Äpfel zu flüssigem Püree zerkleinert, mit Spumante aufgegossen, kleines Mozzarellabällchen mit Schinken umwickelt, aufgespießt und übers Glas gelegt – sowie den angemessenen Genussritus: erst ein Bissen von der „Tomatina di Mozzarella“, dann ein Schluck aus der Flöte, wieder ein Bissen und so weiter. „Jommellino“ heißt die nach einem Barockkomponisten aus Caserta benannte Kreation. Und da man vom Produkt total überzeugt ist, gibt es alle Bestandteile im „Bausatz“ via Internet zu bestellen. Da sind die richtigen Gläser gleich dabei: „Sie wollen doch dieses köstliche Getränk nicht aus gewöhnlichen Weingläsern trinken?“ Scusate, Presidente, natürlich nicht, welch abwegiger Gedanke …

Seinen Höhepunkt erreicht das Festival mit einer außerordentlichen Wettfahrt der „Regata Storica“. Zuvor paradieren Musikkapellen, Fahnenwerfer und Würdenträger der Städte in historischen Kostümen über die Promenade, in alphabetischer Reihenfolge marschieren sie an der Tribüne mit ehrwürdigen Funktionären und Politikern vorbei, vorne Amalfi, danach Genua und Pisa, den Abschluss bildet die Abordnung aus Venedig, immerhin ist auch der Doge dabei.

Das Rennen selbst verläuft dann, nicht zuletzt wegen des unwirtlichen Wetters, etwas chaotisch, Genua passiert die Ziellinie zwar mit großem Vorsprung, angeblich hat man aber seine Bahn verlassen … also werden alle vier Teilnehmer zu Siegern erklärt. Macht nix, ernst wird es sowieso erst, wenn am 4. September auf dem Canal Grande gerudert wird. Einstweilen freut sich Luciano Grillo, Teamkapitän der Genueser, wenigstens diesmal die Venezianer auf dem Wasser geschlagen zu haben. „Die gewinnen sonst nämlich immer!“

Unterkunft
Villa Irlanda Grand Hotel – Ristorante: neoklassizistischer 4-Sterne-plus-Villenkomplex ganz in Altrosa mit traumhaften Blick übers Meer direkt an der Strandpromenade von Gaeta. Bauherr der Anlage war ein Kosaken-Offizier des russischen Zaren. Via Lungomare Caboto, 6 Gaeta (LT)
Tel. +39/0771/71 25 81
villairlanda@villairlanda.com
www.villairlanda.com

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