Amanshausers Welt: 298 Burma

Amanshausers Welt: Burma
Amanshausers Welt: Burma(c) Martin Amanshauser
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Kleine Geschichten über große Locations.

Paris hat den Eiffelturm, Pisa den Schiefen Turm, Rangun (oder Rangoon oder Yangon) hat die Shwedagon-Pagode. Dieser Stupa ist ein rätselhaftes Bauwerk. Manche behaupten, er stünde auf ein paar Haaren von Buddha, andere meinen, er sei mehrere tausend Jahre alt. Ziemlich alt ist auch der Mann, der mich schon die ganze Zeit beobachtet, während ich die Besucher beobachte. Soll er nur tun. Vermutlich ist er vom Geheimdienst. In einem Land wie Burma neigt man dazu, jeden, den man nicht einordnen kann, zum Geheimdienst zu zählen.

Ich lasse mich nicht irritieren und fotografiere eine Familie, die einander fotografiert. Sie lacht über meine Idee. Sie bittet, mich ebenfalls fotografieren zu dürfen, also stelle ich mich vor die Shwedagon, und jetzt hat jeder von uns lustige, exotische Fotos. Die Familie geht weiter. Der Alte, der mich beobachtet, steht noch immer da. Jetzt kommt er auf mich zu und lächelt. "My name is Jones", sagt er, obwohl mir sehr unwahrscheinlich vorkommt, dass dieser Einheimische Jones heißt. Vielleicht kriegen sie beim Geheimdienst US-Namen zugeteilt, damit sie sich nicht so kompliziert als Aung Sun Irgendwas oder General Than Ne Win Thaw Soundso vorstellen müssen. Man liebt ja das Gewohnte.

Ich winke Jones ab. Ich brauche keinen Führer. Er sei doch kein Führer, sagt Jones. Er sei Lehrer und privat, zufällig auf der Shwedagon. Ich frage ihn, ob er wirklich Jones heiße. "No, but call me Jones", antwortet er. Erst auf mein Drängen sagt er mir seinen Namen. Er erzählt, dass man einem burmesischen Namen nicht ansehe, ob er männlich oder weiblich sei. Man müsse "U" oder "Daw" dazusagen. Ob ich wisse, wohin die Burmesen in der Shwedagon gingen? Nein. Jones fragt mich, an welchem Wochentag ich geboren sei. Freitag. Er zeigt mir den Schrein für Freitag. Es gebe nämlich einen für jeden der acht Wochentage. "Acht?", frage ich. "Ja", sagt er tiefernst, "Mittwoch ist ein doppelter." Aha. "Man schlägt die Glocke", erklärt er und schüttet Wasser über einen Buddhakopf, so viele Becher, so alt man an Jahren ist. Also los! Ich tue Jones den Gefallen. "Kennst du meinen burmesischen Namen noch?", fragt er. Okay, sage ich, er habe gewonnen, alles in Ordnung, aber jetzt wolle ich wieder allein gehen. "All right, my friend", sagt Jones. Nur, oje, jetzt will Jones Geld, für seine Tochter, die studiert. Ich seufze.

Ort

Pegu-Joma. Die Shwedagon-Pagode auf dem allerletzten Ausläufer des Gebirges Pegu-Joma, einem Hügel, ist der wichtigste Stupa des Landes in Rangun, Burma.

TIPP

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