Kurzbesuch in Wien

Schlingpflanzen in der Alten Donau, Rosé im Schanigarten: ein Kurzbesuch in Wien.

Heute aus gegebenem Anlass ein Bericht aus der Bundeshauptstadt, in der ich momentan weile. Je länger ich in Brüssel lebe, desto mehr erfreue ich mich an der Exotik des Vertrauten. Ja, Sie haben richtig gelesen – das Vertraute kann in Wien nämlich ganz schön exotisch sein. Beispielsweise die Schlingpflanzen in der Alten Donau, die heuer ganz besonders stark zu wuchern scheinen. Beim Schwimmen bin ich mir vorgekommen wie in der Sargassosee. Selbst die amphibischen Rasenmäher, die von tapferen Magistratsbediensteten bemannt werden, können offenbar nichts gegen die Plage ausrichten. Angeblich sei der milde Winter daran schuld – was ich nicht bestätigen kann, da ich den Winter in Belgien verbracht habe, wo es ebenfalls mild war, aber die Brüsseler Flora ist deswegen auch nicht Amok gelaufen.

Apropos Amok: Aus einem mir unerfindlichen Grund ist Wien während meiner Abwesenheit offenbar von wild gewordenen Patissiers überrannt worden. Wo früher der Bäcker seine Golatschen buk, werden heute Tartes, Croissants und Baguettes gereicht. An jedem zweiten Eck eine Boulangerie, jedem Grätzel sein Bistro, in jedem Schanigarten Pastis und Rosé, alles untermalt von melancholischer Akkordeonmusik à la „Fabelhafte Welt der Amélie“. Die einzigen Utensilien, die noch fehlen, sind Baskenmütze, blau-weiß gestreiftes Ruderleiberl und die Gitane im Mundwinkel – dann wäre die Karikatur der Frankophilie perfekt.

Wenn Sie jetzt den Eindruck haben, ich klinge wie ein mieselsüchtiger alter Sack, dann liegen Sie genau richtig. Wo kriege ich meine Handsemmeln her?

michael.laczynski@diepresse.com


Nächste Woche:
Oliver Grimm

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.08.2014)

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