Urlaubsfotografie

5154389
5154389REUTERS (Christian Hartmann)
  • Drucken

Die Urlaubsfotografie wird im Zeitalter digitaler Grenzenlosigkeit zusehends fragwürdig.

Soll man auf Reisen fotografieren? Was für eine Frage! Wir leben doch in einer Zeit, in der jedes Handy gestochen scharfe Bilder liefert, während uns Facebook und Instagram zu lückenlosen und stilisierten Fotoberichten beinahe nötigen. Dennoch möchte ich drei Überlegungen gegen das wahllose Reiseknipsen ins Treffen führen. Die erste ist quantitativ. Haben Sie schon einmal versucht, all die Hunderten digitalen Fotos in eine Übersicht zu bringen? Ich scheitere daran, und die wuchernde Liste abgespeicherter Sammlungen auf meinem Computer lässt mich zusehends verzweifeln.

Das führt zu meinem zweiten Argument, dem qualitativen. Mir scheint, dass die technologische Kapazität einen nivellierenden Effekt hat. Seien wir ehrlich: Auch beim Fotografieren mit den modernen Wundergeräten verfallen wir der Schwarmmentalität, schaut ein digitaler Bildbericht aus wie der andere. Doch mein drittes Argument liegt mir am meisten am Herzen: Je angestrengter wir durch den Sucher blicken, den Selfiestick schwenken, desto flüchtiger ist die Erinnerung, die wir uns von dem Erlebnis machen. Wozu genau hinschauen, sich etwas einprägen, wenn es davon ohnehin einen Schnappschuss gibt?

Nach Neujahr etwa fuhren wir durch eine masurische Schneelandschaft von eisiger Schönheit, auf dem Rücksitz hatte die Tochter einen Separatfrieden mit dem Kindersitz geschlossen, und im Autoradio liefen Lieder von Schumann und Schubert. Hätte man das nicht irgendwie fotografieren sollen? Nein. Im Kopf wird mir diese Fahrt noch dann erinnerlich bleiben, wenn die letzte Speicherkarte unlesbar geworden ist.

oliver.grimm@diepresse.com

Nächste Woche: Timo Völker

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.01.2017)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.