Gestaltung: Der Architekt als Regisseur

Viel Raum, noch mehr Zeit und Maßanfertigung: Das sind die
wichtigsten Ingredienzien für Wohnarchitektur "deluxe".

Bisazza-Fliesen über dem mit Makkassar (das ist ein Ebenholz) furnierten Waschtisch, ein Fiberglas-Esstisch auf Nussböden, die französische Klöster als "Stammbaum" angeben. Der Hightech-Kühlschrank sendet Mails ins Büro, wenn das Gemüsefach leer ist, und aus den 2000 Euro-Titan-Armaturen des Badezimmers plätschert wohltemperiertes H2O in die Glas-Badewanne _ ferngesteuert vom Auto aus, versteht sich. Wohnluxus pur, oder?

(Fast) unendliche Weiten ...

"Luxus allein über die Verwendung edler Materialien und modernster Haustechnik zu definieren, greift viel zu kurz", sieht es Kristof Jarder differenzierter. Der Jung-Architekt, der zuletzt in Zusammenarbeit mit Peter Achhorner mit der Gestaltung eines 270 Quadratmeter-Penthouses in Karlsplatz-Nähe betraut war, nennt andere Kriterien: "Unter Luxus verstehe ich in erster Linie die Chance, Lebensfunktionen mehr Raum bieten zu können."

Quadrat- und Kubikmeter jenseits des üblichen Maßes als Spielraum architektonischer Kreativität: "Es ergeben sich völlig andere Planungsansätze", so Jarder, der es zu schätzen weiß, wenn nicht auf Grund beengter Verhältnisse ein Großteil der konzeptuellen Energie in Überlegungen der kompakten Raumoptimierung fließen. Ein Beispiel: Die Qualität des Arbeitszimmers leitet sich nicht mehr aus einem ins Eck gedrängten Multifunktionsschreibtisch mit Telefon, Fax, PC und sonstigen Utensilien ab, sondern aus einem Tisch mit maximaler Freifläche, weil alles nicht unbedingt Notwendige in einen Extraraum umgesiedelt wurde.

"Das verschwenderische Umgehen mit Raum" ist auch für Christine Diethör Inbegriff von Luxus in der Architektur. Die mit ihrem Büro Raumkunst auf Um-, Auf- und Zubauten spezialisierte Architektin sieht in Reduktion und Minimalismus kennzeichnende Charakteristika für exquisite Wohnlandschaften. Die Konzentration auf das Wesentliche, Funktionen, die dank ausreichenden Wohnvolumens räumlich getrennt werden können und das Schaffen von leerem Raum - darauf komme es an, nicht auf goldene Wasserhähne, Kristallluster oder Marmor-Oberflächen. "Luxus ist nicht allein eine Frage des Geldes. Was nützt eine sündteure Einrichtung, wenn sie an die Bedürfnisse der Wohnenden nicht angepasst ist", betont Diethör. "Wohnungen und Häuser sollten wie perfekt sitzende Maßanzüge sein. Dazu ist es notwendig, sich in der Planung ausreichend Zeit nehmen zu können." Zeit als essenzieller Luxusfaktor - und je enger sich dabei die Kooperation mit dem Auftraggeber gestaltet, umso tiefer und präziser kann Maßarbeit geleistet werden. Von der Auswahl aufeinander abgestimmter Materialien über den Entwurf eigener Beleuchtungsvarianten oder Mobiliarobjekten, die anschließend von Elektronikern und Tischlern gefertigt werden, bis hin zur Planungsintegration von Fachspezialisten für elektronische Bussysteme der Haushaltstechnik - Architektur, die nebst der Raumgestaltung zur Regiearbeit in einem Theaterstück wird, mit dem Wohnungsnutzer als designiertem Hauptdarsteller.

Im Gobelin-Stil

Stehen Zeit und Raum üppig zur Verfügung und ist der finanzielle Rahmen möglichst weit gefasst, übernimmt der Architekt freilich auch die Rolle des Designers. Wie man sich bei Gebrauchsgegenständen wie etwa Kleiderschränken auf kunstvolle Weise vom Diktat der reinen Funktionalität befreit, hat Jarder bei seinem letzten Wohnprojekt gezeigt. "Ich wollte ein Schrankmöbelstück als Raumteiler, das gleichzeitig dem Kunstgeschmack des Bauherren gerecht wird." Die Wahl fiel auf mit Digital-Stoffdrucken im Gobelin-Stil tapezierte Schranktüren, der gestaltende Künstler Andreas Baumann wurde in einem eigens initiierten Wettbewerb ermittelt. Gesamtdauer der Werkserstellung: sechs Monate. "Ein richtiger Produkt-Prototyp, einzigartig und nicht zu vergleichen mit der Anschaffung vielleicht annähernd so kostspieliger Markenware", so Jarder. Mit anderen Worten: Wohnluxus pur.

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