Erdhäuser: Hausen wie die Hobbits

(c) Peter Vetsch
  • Drucken

In der Schweiz hat das Wohnen im Untergrund schon Tradition, in Österreich werden die Vorzüge gerade entdeckt.

Eigentlich ist der moderne Homo sapiens über das Höhlenstadium ja längst hinaus. Für den Baumeister Martin Exel hingegen hat es gerade erst begonnen. Er hat sich seinen ganz privaten „Höhlenwohntraum“ verwirklicht: ein fast unsichtbares, in einen Hügel hineingebautes, frontseitig komplett verglastes Gewölbe mit 190 Quadratmeter Wohnfläche, Hobbykeller und Garage. In den Untergrund getrieben hat ihn die Energiefrage: „Mit dem Dämmverhalten eines Erdhauses können Niedrigenergie- oder Passivhäuser nicht mithalten“, erklärt Exel die Entscheidung für sein ungewöhnliches Bauprojekt. „Während bei Letzteren die Speichermasse relativ schnell erschöpft ist, sorgt bei einem Erdhaus die große Schüttmasse über mehrere Wochen für einen angenehmen Temperaturausgleich.“ Die Energie für Beheizung oder Kühlung bezieht Exel aus einer Erdwärme-Tauschanlage, was neben der exzellenten Dämmung durch die rund ein Meter dicke Erddecke zusätzlich für niedrige Energiekosten sorgt. Dabei handelt sich in erster Linie um Stromkosten. „Fotovoltaikanlagen für Privathäuser“, so Exel, „waren zu Baubeginn 2001 noch kein Thema.“ Unbekanntes Terrain war das Thema damals auch für die Baubehörden. Mehrere Gemeinden lehnten das Projekt ab, erst im niederösterreichischen Gföhl wurde Exel erhört.

Schweizer Pioniere

Ganz anders in der Schweiz: „Wir hatten bisher noch nie Probleme mit behördlichen Genehmigungen“, berichtet Architekt und Erdbautenspezialist Peter Vetsch. Allerdings verfügt die Schweiz bei Erdwohnbauten über eine langjährige Tradition. Vetsch selbst hat sich vor 30 Jahren darauf spezialisiert und mit seinem Team seither nicht nur einzelne Häuser, sondern auch ganze Erdhaussiedlungen verwirklicht.

Von außen machen Vetschs Bauten den Eindruck, als hätten die Hobbits-Behausungen aus Tolkiens „Herr der Ringe“ Pate gestanden. Doch dieses Buch, beteuert er, habe er gar nie gelesen. Sein Konzept stamme vielmehr aus seiner Zeit an der Kunstakademie Düsseldorf, in der er als Schüler des österreichischen Architekten Hans Hollein Bekanntschaft mit dessen Ideen der begehbaren Architektur machte. Auch für Vetsch ist die Energiefrage das wichtigste Argument bei der Entscheidung für ein Wohnen im Untergrund: „Ein Erdhaus verbraucht nur rund ein Drittel jener Energie, die für ein konventionelles Haus aufgewendet werden muss“, so der Experte. „Die Erdbedeckung schützt aber auch vor negativen Umwelteinflüssen wie Lärm oder Staub.“
Wie aber sieht es mit den Lichtverhältnissen aus? Vetsch beruhigt: „Ein Erdhaus ist weit davon entfernt, ein Bunker zu sein. Über große Glasflächen im Front-, Seiten- oder Deckenbereich sowie die weichen Formen des Innengewölbes lässt sich das Tageslicht gut führen. Zuweilen übertrifft es sogar den Lichteinfall eines herkömmlichen Hauses.“ Nachteile gebe es in zwei Bereichen: Die Möblierung sei – etwa aufgrund der oft runden Wände – schwieriger, und die Baukosten können jene eines konventionellen Baus um bis zu zehn Prozent übertreffen.

Vision Diskont-Erdhaus

Die Vorzüge aber, hofft der Freistädter Architekt Christian Hackl, werden über kurz oder lang auch den heimischen Häuselbauer überzeugen. „Besonders bei Bauplätzen in schwieriger Hanglage“, sagt Hackl, „spricht alles für ein Erdhaus.“ Gemeinsam mit anytime architekten linz und dem Kärntner Projektentwickler Günter Pichler hat er die Gruppe „Erdhaus“ gebildet, die an einer Fertigmodulbauweise arbeitet. Die oberste Maxime ist Sparsamkeit: geringstmögliche Baukosten und Energieautarkie durch Geo-, Solarthermie- und Fotovoltaikanlagen. Ein Einfamilienhaus-Prototyp mit 106 m2 Wohnfläche steht bereits in Freistadt. Laut Hackl müssen dafür gerade einmal 120 Euro pro Jahr für Energiekosten aufgewendet werden, die Baukosten beziffert er mit 137.000 Euro. Auch bei den Baubehörden sei ein Umdenken zu bemerken. Hackl: „Grundsätzliche Ablehnungen gibt es kaum noch. Bei manchen Elementen, etwa Kaminen, müssen aber oft Ausnahmegenehmigungen ausgehandelt werden.“

Für Interessierte: Exels Haus (Bild unten) steht zum Verkauf – nicht, dass er den Bau bereuen würde: Er errichtet ein neues, größeres. Und es soll wieder ein Erdhaus werden.

HÖHLENBEWOHNER

Erdwohnhäuser bestechen vor allem durch ihre Energieeffizienz. Auch gegen Lärm, Staub, Allergene oder Elektrosmog bietet der Erdwall Schutz. Verwendet man große Glasflächen, muss man auch bei den Lichtverhältnissen keine Abstriche machen.
■Auf der negativen Seite sind Einschränkungen bei Möblierung, Raumaufteilung sowie zuweilen höhere Baukosten zu nennen. [Martin Exel]

www.erdhaus.atwww.erdhaus.ch

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.07.2008)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.