Design: Endlich Ruhe

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Zehn-Stunden-Arbeitstage, pubertierende Kinder, Doppel- und Dreifachbelastung? Genug jetzt. Design zum entspannen.

TIPP

Messen und Festivals haben bei aller Begeisterung für die Sache etwas sehr Ermüdendes. Man hetzt von einem Ort zum anderen, unter dem Dauerbombardement immer neuer Eindrücke. Letztens so geschehen bei der Helsinki Design Week. Und dann – eine Oase. Im Schauraum des Möbelherstellers Avarte wurden in einem eigenen Raum zwei Entwürfe des jungen Designers Mikko Paakkanen gezeigt: „Tynni“ (finnisch für still), ein Sitzmöbel, aus dem Musik pulsiert, Ambient-Sounds, die extra für diesen Anlass komponiert worden waren. Der ruhige Bass massiert sanft den Rücken, der Puls sinkt. Und während man langsam die Schultern entspannt, den Kopf nach hinten lehnt, fällt der Blick auf eine Leuchte. „Medusa“ besteht aus flexiblen Glasfaserstäben, reihum angeordnet, in deren Mitte eine Schnur wie ein Seilzug. Dieser Seilzug zieht den Schirm, den die Stäbe bilden, zusammen und streckt ihn wieder, sehr langsam, sehr elegant, wie die Bewegungen einer Meduse.

Ein zweites Highlight beim Glashersteller Iittala. Mitten im Schauraum prasselt ein Feuer. Kein Kamin, kein Ofenrohr weit und breit. „Fireplace“ von Ilkka Suppanen wird mit Ethanol beheizt, die Flammen sind zwischen zwei dicken Scheiben feuerfesten Glases gefangen. Der Effekt ist derselbe wie bei einem Kamin: sekundenschnelle Entschleunigung.

Sinnlichkeit und Spiritualität. Die allgegenwärtige Hektik, der Alltagsstress, die Zukunftsängste und täglichen Schreckensmeldungen, all das hat Auswirkungen auf die Gesellschaft: Man zieht sich zurück. „Homing“ nennen das die Trendforscher und bemerken außerdem eine „Dimmerkultur“. Während Homing eine fast biedermeierliche Entwicklung hin zu häuslicher Geselligkeit, zu gemeinschaftlichem Kochen, zu Spieleabenden und gemeinsamem Videoschauen beschreibt, geht es bei der Dimmerkultur um Sinnlichkeit und spirituellen Mehrwert. Fair-Trade- und Öko-Produkte passen da ebenso hinein wie die allgegenwärtigen Buddhafiguren, die sich, so scheint es, zum Kruzifix der urbanen Mittelschicht entwickelt haben.

Zen, Yoga und Meditationskurse, die heute in jeder Volkshochschule angeboten werden, schlagen in dieselbe Kerbe, und auch Officeraumplaner, die heute nicht nur informelle Kommunikationsorte einplanen, sondern auch Bereiche, in denen sich gestresste Büroarbeiter zurückziehen und ausruhen können sollen. „Es geht heute mehr denn je darum, die Produkte den Befindlichkeiten der Menschen anzupassen“, sagte Peter Wippermann vom Hamburger Trendbüro schon vor einem Jahr bei einem Kongress. Dort berichtete er auch von Restaurants mit Betten (das klassische Konzept etwa der Buddha Bar) und von Aroma-DJs, die zum Sound den passenden Duft liefern. Einen solchen hatte das Trend-büro dann auch gleich zum Kongress eingeladen.

Ein halbes Jahr später, die Mailänder Möbelmesse war gerade zu Ende gegangen, rief das deutsche Zukunftsinstitut den Trend zum Wohnen im Badezimmer aus. Auf derselben Messe war beispielsweise „Arne“ präsentiert worden, ein Entwurf des österreichischen Duos Soda Designers für den Hersteller Rapsel, der der „International Herald Tribune“ sogar eine ausführliche Vorberichterstattung wert war. Die Wanne nimmt – so wie ihr Namensgeber, der Egg Chair von Arne Jacobsen – Anleihen beim traditionellen Ohrensessel. Das hohe Rückenteil ist bequem und lässt einen kleinen geschützten Raum entstehen, auch wenn die Wanne mitten im Raum steht. In einer exklusiveren Variante sind in die „Ohren“ der Lehne dann auch noch Lautsprecher eingebaut.

Feuer und Wasser. „Arne“ ist jetzt erstmals in Österreich zu sehen, bei der „Wohndesign“ in Wien. Wenig überraschend lautet der Schwerpunkt der Messe „Feuer und Wasser“. Nicht nur Designer und Hersteller, auch Messebetreiber reagieren auf Trends. Beiden Themen widmet sich übrigens auch das finnische Kollektiv Pentagon Design mit seinem Saunakonzept „Hot & Cool“, für das es sogar den Red-Dot-Designpreis gab. Die Designer greifen dabei die 2000 Jahre alte finnische Saunatradition auf und geben ihr mit Hightech-Materialien und intelligenten Lichtspielen eine frische, urbane Neuinterpretation.

So schick war Schwitzen noch nie. Dass die finnische Sauna übrigens ähnliche Ursprünge hat wie die Schwitzhütten der amerikanischen Ureinwohner und damit eine fundamentale spirituelle Bedeutung hatte, das überrascht jetzt nicht, oder?

Wohndesign Wien
2008 bis 19. 10. im Kongresszentrum Hofburg, 1010 Wien,

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