Stadtgeschichte: Raum für alle, Kunst für alle

Kunstprojekte werten allgemeinen Stadtraum auf. 190 Projekte führten „Kunst im öffentlichen Raum“ in fast jeden Wiener Bezirk. Nun feiert KÖR sein Elf-Jahre-Jubiläum.

Die Säule aus Müllkübeln in der Rahlgasse (von Franz West). Die Nistkästen in einer Kurve der Erdbergstraße (von Josef Bernhardt). Die Röhren an den Wänden der U-Bahnstation Karlsplatz (von Peter Kogler). Vielleicht fallen sie einzeln gar nicht so auf, weil sie sich schon länger oder so gut in ihre Umgebung fügen. Doch wenn man mit einem Stadtplan der KÖR (Gesellschaft der „Kunst im öffentlichen Raum“ in Wien) und deren Geschäftsführerin Martina Taig kreuz und quer durch die Stadt wandert, verdichtet sich ein lebendiger Eindruck von zeitgenössischer Kunst im Stadtbild – vor allem innerhalb des Gürtels. Über fast alle Wiener Bezirke wurde in den letzten elf Jahren Kunst verteilt, vieles auf Zeit, einiges auch permanent wie der „Garten“ von Ingeborg Strobl: Die Fassade eines Wohnhauses in der Novaragasse in der Leopoldstadt wurde mit Emailplatten voller alter Pflanzendarstellungen verkleidet.

„Das Gute ist, dass Kunst im öffentlichen Raum nicht nur der Kultur zugeordnet, sondern auch strategisch in Stadtentwicklungskonzepte einbezogen werden kann. Man hat festgestellt, dass Kunst gerade in weniger entwickelten Gebieten einiges bewirken kann“, sagt Taig über das Ziel, vor allem in den neuen oder weniger attraktiven Gegenden etwas zu unternehmen. Der Vorteil ist, dass es keine Hemmschwellen gibt: Die Grätzelbewohner kommen immer wieder an den Objekten vorbei, sie sind barrierefrei, kostenlos und es gibt Tafeln mit Erklärungen. „Die Projekte schaffen Identifikationsmerkmale für neue Orte oder Stadtquartiere“, meint Taig. Nicht selten werden sie zu Treffpunkten, manche machen Verkehrswege ansehnlicher, wie etwa U2-Stationen oder die Karlsplatzpassage.

Ziemlich versteckt liegt das Büro der KÖR, ganz hinten im Museumsquartier. Dafür kommt Taig auf ihrem Weg in die Arbeit – meist mit dem Fahrrad – an vielen Werken vorbei. Eines der nächstliegenden stammt von Lois Weinberger („I-weed“), der einen Liftschacht hinter dem MQ für ein Sprachspiel nutzte. Die Arbeiten von Iris Andraschek liegen wie ein Teppich auf den Gehsteigen im siebenten Bezirk. Eine Soundinstallation tönt in einem Durchgang zwischen zwei MQ-Höfen.

Vieles entsteht durch Wettbewerbe und Auftragsarbeiten. Zunehmend, bestätigt Taig, kommen die Anregungen, etwas für einen Platz, ein Grätzel und die Bewohner zu schaffen, auch aus den Bezirken und von Stadtentwicklern. Dass die Aufmerksamkeit für den öffentlichen Raum steigt, obwohl Wien immer stärker verbaut wird, sieht Taig positiv. Manchmal ist sie aber auch froh, wenn Raum frei bleibt – ohne jede Bestimmung, vor allem ohne kommerzielle Inhalte, wie sie oft in Fußgängerzonen oder an Event-Plätzen anzutreffen sind. „Konsumfreie Zonen sind wichtig“. Gut sei auch, wenn Kunst, die für alle da ist, auf die Gebäude, Nutzung und Atmosphären um sie herum reagiert: „Man merkt, dass die Arbeiten dann intensiver sind. Da bleibt beim Betrachter mehr hängen.“

Kunst im Gemeindebau

Besonders intensiv sind jene Projekte, die KÖR in Kooperation mit den Wohnpartnern Wien und Wiener Wohnen umsetzt – die „Kunstgastgeber Gemeindebau“. Zuletzt luden im Oktober 2014 einige Bewohner des Robert-Uhlir-Hofs in der Engerthstraße (1020 Wien) Künstler zu sich nach Hause ein, um mit ihnen etwas zu erarbeiten – und danach Besucher, um ihnen die Resultate zu zeigen. Vorgaben gibt es bei den „Kunstgastgebern“ im Gemeindebau keine, außer ein inhaltliches Thema. „Es ist eben nicht nur ein Kunstprojekt, sondern hat auch einen gesellschaftlichen Aspekt“, meint Taig nach erfolgreichen Umsetzungen im Karl-Wrba-Hof oder am Rennbahnweg.

INFO

KÖR. Die Servicestelle „Kunst im öffentlichen Raum“ führt in ihrer Datenbank Objekte ab 1968. Landkarte mit Objekten und Führungen unter www.koer.or.at

„Kunstgastgeber Gemeindebau“ ist ein Projekt gemeinsam mit Wohnpartner Wien und Wiener Wohnen, www.wienerwohnen.at, www.wohnpartner-wien.at

Öffentlicher Raum dient der Allgemeinheit für Begegnung, Kommunikation, Wege. Die Stadt Wien hat dazu ein Leitbild entwickelt, www.wien.gv.at

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.01.2015)

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