Havanna: Häuserhandel unter Palmen

Kuba öffnet sich vorsichtig der Marktwirtschaft. Seit 2013 sind auch professionelle Immobiliengeschäfte erlaubt – noch spielen sie sich aber hauptsächlich auf der Straße ab.

Er ist einer der ersten seiner Art. Ein Revoluzzer vielleicht, ein Querdenker. Einer, der gerne Luftschlösser baut und so manchen Traum erfüllt. Henry Borques ist Immobilienmakler in Havanna, Kuba.

Ein sonniger Samstagnachmittag. Borques steht im Wohnzimmer eines Freundes im alten Villenviertel Vedado. Bald schon, so schwärmt er, wird er hier seine Kunden empfangen. Dann wird über ihm sein Firmenname prangen: „Casaspuntocom“. So sei das mit der Marktwirtschaft, man müsse erst investieren, um zu gewinnen, sagt er, zeigt sein Geschäftsmannlächeln und lässt die Zähne blitzen. Dass er schon bald gewinnen wird, das steht für Borques fest. „Schließlich ist das ein jungfräulicher Markt mit einem Riesenpotenzial.“

Legalisierter Handel

3,7 Millionen Wohnungen gibt es auf der Karibikinsel. Offiziellen Quellen zufolge sind 85 Prozent davon in privater Hand. Im November 2011 erlaubte die kubanische Regierung ihren Kauf und Verkauf. 80.000 Verkäufe wurden 2013 in den ersten zehn Monaten durchgeführt – doppelt so viele wie 2012. Seit September 2013 stehen auch Maklertätigkeiten auf der Liste der erlaubten Privatgeschäfte. Ein kleiner Schritt für den Rest der Welt, in dem der Immobilienhandel schon längst ein lohnendes Geschäft ist. Für Kuba ein großer Schritt in Richtung Marktwirtschaft. Die Regierung nennt es „Aktualisierung“ des sozialistischen Wirtschaftsmodells. Doch Borques ist mit seinem Büro noch einen Schritt weitergegangen, als die Reformen der Regierung reichen. „Die hatten an Händler auf der Straße gedacht, von ganzen Maklerbüros keine Spur“, sagt er.

Wohnen wurde mit der kubanischen Revolution zur Familienangelegenheit. Drei Generationen teilen sich oft nur zwei Zimmer in einem der maroden Altbauten, deren morbider Charme sich so schön in den Fotoalben der Urlauber macht. Immer samstags verwandelt sich der Prado, die Prachtstraße der Altstadt, in eine Freilicht-Tauschbörse und Pappschilder pflastern die Baumstämme. Früher stand darauf „Ich tausche“, heute heißt es meist „verkaufe“. Wer vor 2011 umziehen wollte, tauschte eben. Das war erlaubt, solange beide Objekte denselben Wert hatten.

Die meisten wollen verkaufen

Die Mittagshitze hängt über der Stadt, auf den Prado prallt die Sonne. Sandra Robaina schwitzt und wartet. Ihre 75-jährige Mutter kann die Treppen in die Obergeschoßwohnung nicht mehr steigen. Also wollen sie diese für 10.000 Dollar verkaufen und eine neue im Erdgeschoss kaufen. Billiger, versteht sich, ein bisschen was soll schließlich dabei herausspringen. Nach zwei Stunden gibt sie auf – ein weiterer Samstag ohne Erfolg, wie so viele Samstage im vergangenen Jahr. „Ein, zwei Mal hatte ich endlich die perfekte Wohnung gefunden, aber konnte sie nicht bezahlen, weil unsere noch nicht verkauft war. Das ist echt zum Verzweifeln“, erzählt sie.

Das große Dilemma des jungen Markts. „90 Prozent meiner Klienten wollen verkaufen“, schätzt Borques. Aber in einem Land, in dem das monatliche Einkommen bei durchschnittlich 18 US-Dollar liegt, kann es sich kaum einer leisten, 15.000 US-Dollar in ein neues Zuhause zu stecken. Gleichzeitig ist die Bereitschaft, zu verkaufen und damit den Kontostand aufzupolieren, umso größer.

Ein Haus für 20.000 Dollar

Im Villenviertel Vedado klingelt es. Der Rentner José García schlappt in Boxershorts und Badelatschen zum Gartentor, um Henry Borques zu öffnen. Sein Schoßhund scharwenzelt um ihn herum, von nebenan donnert Baulärm. „Seit der Spanier und seine kubanische Frau das Haus von nebenan gekauft haben und renovieren, landet ihr ganzer Dreck bei mir“, schimpft er. Immer mehr Ausländer würden sich ihr karibisches Feriendomizil über einen Kubaner kaufen, berichtet Borques. Immerhin werde so endlich in die Instandhaltung der alten Villen investiert.
José Garcías Wohnung im Untergeschoß einer Villa ist ein kolonialer Traum – trotz der Altersflecken. Ein Traum, den der Rentner loswerden will, um seinen eigenen zu leben. „Einmal im Leben will ich raus aus Kuba, die Welt entdecken“, sagt er und lächelt leise. Seit drei Monaten ist er Borques' Kunde. Auf 20.000 Dollar haben sie die Wohnung angesetzt – ein Schnäppchen für einen Ausländer. „Ein normaler Kubaner kann sich das mit dem Verdienst seines Lebens nicht leisten“, sagt Borques.

Ein Haus pro Monat zu verkaufen, das ist Henrys Ziel. Ein kapitalistisches, an dem der Staat fleißig mitverdient: zehn Prozent des Kaufpreises plus rund 20 Dollar pro Monat für die Lizenz. Er ist dennoch optimistisch. Der Markt sei mit der Legalisierung förmlich explodiert, außer seinem Büro gäbe es nur wenige – kaum Konkurrenz um viel Nachfrage. Henry lacht, die Zähne blitzen. „Der Markt wird wachsen und ich mit ihm.“

INFO

Zwar ist der Tourismus auf Kuba einer der wichtigsten Devisenbringer, dennoch ist es Ausländern und Kubanern, die im Ausland leben, noch immer gesetzlich verboten, Häuser auf der Insel zu erwerben. Diejenigen, die trotzdem nicht auf ihr Feriendomizil verzichten wollen, wählen oft den Umweg über einen Residenten, der das Haus auf seinen Namen kauft und dann als Hausmeister bewohnt. Ein solcher Handel erfordert allerdings eine hohe Vertrauensbasis,da das Haus offiziell dem Residenten gehört.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.01.2015)

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