Zustrom und Anstieg an der Mur

Markt. Wohnen in Graz ist mittlerweile teuer wie kaum anderswo in Österreich. Jetzt aber scheint der Preisplafond erreicht. Anleger dürfen sich kaum mehr große Gewinne erhoffen.

Ein heruntergekommen wirkendes Viertel mit sozialen Brennpunkten und billigem Mietzins: Das war der Grazer Bezirk Lend, direkt an der Mur gelegen, noch vor einigen Jahren. Mittlerweile gehören Wohnungen dort zu den begehrtesten Immobilien der steirischen Hauptstadt. Am Beispiel dieses Bezirks zeigt sich am deutlichsten der Aufschwung, den der Wohnungsmarkt in Graz in der vergangenen Dekade durchgemacht hat. Mittlerweile zählt die Murmetropole neben Wien, Salzburg und Innsbruck zu den kostspieligsten Pflastern in Österreich, und die Experten prophezeien: Viel teurer kann's nicht mehr werden, die Immobilienpreise dürften sich in den kommenden Jahren auf dem jetzt erreichten hohen Niveau halten.

„Den markantesten Preisanstieg in Graz gab es in den Jahren 2009 bis 2014“, zieht Roland Jagersbacher von S-Real Bilanz. „Damals war das Angebot an Miet- und Eigentumswohnungen deutlich geringer als die Nachfrage – nicht nur wegen der Landflucht, sondern auch weil zur Zeit der Finanzkrise viele Menschen ihr Geld in Immobilien anlegen wollten.“ Vor allem Gebrauchtwohnungen habe es nur sehr wenige auf dem Markt gegeben, was in diesem Segment zu einer besonders rasanten Preisentwicklung geführt habe, sagt er. „Mittlerweile hat sich der Markt aber beruhigt.“ Im Schnitt, so der Experte, seien Wohnungen in der steirischen Hauptstadt heute um knapp ein Drittel teurer als vor der Preisexplosion.

5000 Hauptwohnsitze mehr

Mitverantwortlich für das Abflachen der Preiskurve: Politik und Wohnbauindustrie haben auf die Tatsache reagiert, dass immer mehr Menschen in den Ballungsraum Graz drängen. Rund 5000 Hauptwohnsitze werden alljährlich neu gemeldet, jetzt wird der für diese Menschen nötige Wohnraum geschaffen. Graz erlebt einen Bau-boom, durch den das Angebot der Nachfrage angeglichen werden soll. In den westlichen Bezirken, wo brachliegende Industrieflächen in Siedlungsgebiete umgewandelt werden und allein auf den Gründen der ehemaligen Brauerei Reininghaus Lebensraum für 12.000 Menschen entsteht, sind neue Immobilien vergleichsweise noch am erschwinglichsten. Bis zu 3200 Euro pro Quadratmeter kosten hier die eigenen vier Wände. Dafür nimmt man in Kauf, dass die einstigen Arbeiterviertel den Prestigewechsel noch immer nicht ganz geschafft haben, obwohl heute Jungfamilien oder Studierende der dort ständig expandierenden Fachhochschule den Großteil der Bewohner ausmachen und sich beispielsweise Eggenberg als „Bildungsbezirk“ zu positionieren bemüht. „Lend hingegen, ebenfalls einst Arbeitergegend, hat es geschafft, die Avantgarde anzuziehen“, erklärt Nikolaus Lallitsch von Raiffeisen Immobilien Steiermark das Phänomen des Aufschwungs dort. „Mittlerweile sind in Lend Studenten, junge Künstler und Intellektuelle zu Hause.“ Durch stadtgestalterische Maßnahmen hat der Bezirk dazu ein urbanes, multikulturelles Flair bekommen und den Imagewandel zumindest zum Teil bereits vollzogen.

In den gutbürgerlichen Villenvierteln des Ostens, wo Grundstücke rarer und entsprechend teuer sind und wo auch kleinere Projekte mit höchstens 25 Wohneinheiten entstehen, zahlt man mit bis zu 4500 Euro pro Quadratmeter wesentlich mehr. Und in der City, wo zur begünstigten Lage auch der Umstand kommt, dass die Altstadt Unesco-Weltkulturerbe ist und alle Baumaßnahmen den Auflagen des Altstadt- und des Denkmalschutzes entsprechen müssen, muss man mit bis zu 5600 Euro gut doppelt so viel hinblättern wie im günstigen, weil großteils weniger attraktiven Süden. Gebrauchte Wohnungen sind günstiger, laut Preisspiegel von Raiffeisen Immobilien muss man beispielsweise für 15 Jahre alte Wohnungen in gutem Zustand mit etwa der Hälfte bis zwei Dritteln dieser Beträge rechnen.

1000 Euro als Schallmauer

Viele der neuen Wohnungen werden von Anlegern erstanden und vermietet, wobei das Ost-West-Gefälle der Eigentumspreise sich in den Mieten widerspiegelt. „Weil diese Wohnungen großteils eigenfinanziert und gut vermittelbar sind, besteht nicht die Gefahr einer Immobilienblase, beruhigt Lallitsch. Große Renditen werde man damit in den nächsten Jahren aber kaum machen. „Die Kaufpreiserhöhungen können nicht im gleichen Maß in entsprechende Mietpreise umgewandelt werden.“

Denn: Die Mieter seien von der Kaufkraft her nicht in der Lage, jeden beliebigen Zins zu zahlen. „1000 Euro pro Monat ist die Schallmauer, mehr will kaum jemand nur fürs Wohnen auslegen“, so Lallitsch. Das sei auch der Grund, dass ein guter Teil des in den vergangenen Jahren im Luxussegment errichteten Wohnraums derzeit leer steht. Lallitsch weiß von 120 unvermittelbaren Penthouses in Graz. „Da wird man überlegen müssen, solche Wohnungen in kleinere Einheiten aufzuteilen“, schlug kürzlich Gerald Gollenz, Obmann der Fachgruppe Immobilien der steirischen Wirtschaftskammer, vor.

Und die Grazer Wohnungsstadträtin Elke Kahr (KP) fordert erneut mehr sozialen Wohnbau ein. Dennoch raten die Experten keineswegs vom Immobilienkauf als Vorsorge und Geldanlage ab. „Bei den historisch niedrigen Bankzinsen bleiben Immobilien auch bei geringeren Renditen weiterhin ein sicherer Wert.“

Wo man sich umschauen könnte in . . . Graz

Lage 1

Trendbezirk Lend. Seit Graz 2003 Kulturhauptstadt war, hat sich auf der früher weniger gut beleumundeten Seite der Mur sehr viel getan: Das Kunsthaus, der Lendplatz und sein Markt, die Fuß- gängerzone haben eine kreative Klientel angezogen. Das benachbarte Gries hingegen konnte bei dieser Entwicklung noch nicht mitziehen. Doch auch hier steigen die Preise, vor allem an der Mur.

Lage 2

Im Norden, im Osten. Die noblen Adressen der steirischen Landeshauptstadt liegen am Hügel – sprich am Rosenberg und am Ruckerlberg. Im „Flachland“ wohnt man höherpreisig in den Bezirken Geidorf und St. Leonhard, dort vor allem rund um die schöne Kirche. Die Innenstadt ist, anders als in Wien, nicht die teuerste Lage in Graz, verzeichnet aber wachsendes Interesse.

Lage 3

Im Süden und Westen. Viel diskutiert wurde über das Gelände der ehemaligen Brauerei Reininghaus. Auf dem Areal wird ein neuer Stadtteil entstehen, in dem künftig rund 10.000 Menschen wohnen und arbeiten sollen. Auch entlang der Conrad-von-Hötzendorf-Straße Richtung Liebenau regen sich Zeichen einer weiteren Stadtteilentwicklung.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.03.2016)

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