Matador-Baukasten als Vorbild

Ausweichquartiere. Auf dem wachsenden Markt für temporäre Bauten rittern Holzbauweise und klassische Containerlösungen um die Gunst der Kunden.

Für Christian Leitner war der vergangene Dienstag ein guter Tag: Der Geschäftsführer der im Eigentum von Hans Peter Haselsteiner stehenden Firma Lukas Lang Building Technologies durfte sich über einen schönen Auftrag freuen: Seine Firma wird das Holz-Baukastensystem fertigen, aus dem die temporären Büros für das Parlament am Heldenplatz und im Bibliothekshof errichtet werden. Der Bau für das Ausweichquartier – Generalunternehmer ist die Strabag – beginnt heuer im Herbst. Im April 2017 werden die Pavillons bezogen und während des dreijährigen Parlamentsumbaus Büros und Ausschusslokale beherbergen. Die National- und Bundesratssitzungen finden in dieser Zeit in der Hofburg statt.

Flexible Grundrisse

Das Abgeordnetenhaus hat sich für eine in Österreich entwickelte Holzsteckbauweise entschieden, weil sich diese neben den Kosten „durch Qualität, Funktionalität und Ökologie auszeichnet“, so die Parlamentskorrespondenz in einer Aussendung zur Vergabe des 51,4-Millionen-Euro-Auftrags.

Das gewählte System funktioniert ähnlich wie ein Matador-Baukasten. Der Clou ist eine durchdachte Trägerkonstruktion, wodurch weder Innenwände noch Fassaden statische Funktionen haben: „Daraus resultiert als wesentlicher Vorteil, dass wir den Grundriss völlig flexibel gestalten können“, erläutert Leitner. Die vorgefertigten Teile werden vor Ort zusammengebaut, Umbauten sind jederzeit möglich, nach der dreijährigen Nutzung werden die Pavillons abgebaut und an anderer Stelle etwa als Kindergärten, Schulen oder preisgünstige Wohnungen wieder errichtet.

Ein ähnliches System hat auch der Tiroler Holzwerkstoffhersteller Egger im Programm. Die Firma vertreibt es nicht selbst, sondern stellt das Konzept Architekten und Holzbauern zur Verfügung. Ursprünglich wurde die Lösung zur Schaffung von Unterkünften für Flüchtlinge entwickelt, mittlerweile bietet man sie auch für temporäre und fixe Bauten aller Art an. Das System basiert auf 30 Quadratmeter großen Modulen, die in beliebiger Zahl nebeneinandergestellt werden können. Wie Leitner unterstreicht auch Carsten Ritterbach von Egger die Nachhaltigkeit des Konzepts aufgrund der Nutzung des Werkstoffes Holz und der Möglichkeit, die Bauwerke auf einfache Weise umzubauen oder anderwärtig zu nutzen.

Daraus ergibt sich aber ein Nachteil gegenüber Alternativen, die nach dem Containerprinzip gefertigt werden: Die Statik muss für jeden Bau neu berechnet werden. Aber das sei kein Problem, meint Leitner: „Alle Tragwerkskomponenten haben statische Nachweise. Auf dieser Basis wird das Zusammenspiel der Komponenten am konkreten Projekt mit einem IT-unterstützten Prozess geprüft.“ Gewährleistet werden muss zudem der Brandschutz. Beim Projekt für das Parlament, wo bis zu vier Geschoße hoch gebaut wird, hat man sich nicht zuletzt aus diesem Grund für einen Erschließungskern (Stiegenhäuser, Lifte, WC-Anlagen) in Massivbauweise entschieden, um den herum die Pavillons in Holzsteckbauweise errichtet werden.

Vielseitige Containerlösungen

Die Nachfrage nach temporären Bauten steigt, nicht zuletzt, weil sie eine preisgünstige und vor allem schnelle Möglichkeit bieten, Ausweichquartiere jeder Art zu schaffen. Bislang wurde der Markt von Containern dominiert. Die Raumlösungen auf Basis klassischer Container lassen sich nämlich sehr vielseitig nützen, erklärt Gerhard Müller, Sprecher von Containex, einem führenden Anbieter: „Auf Baustellen, als Ersatzraum für Schulen, Kindergärten, Büros oder Verkaufslokale, bei Hilfs- und Katastropheneinsätzen im In- und Ausland oder als temporäre Wohnstätte für Saisonarbeiter, in der Industrie oder als Asylanten-Wohnheim.“ Selbst Großprojekte können realisiert werden. So hat Containex in Feldbach ein Schulzentrum für 1200 Schüler auf Containerbasis geliefert. Als Vorteile dieser Lösung nennt Müller die rasche Aufstellung – die Lieferzeiten liegen bei rund zehn bis zwölf Wochen –, die flexible Konfigurierbarkeit und deutlich niedrigere Kosten gegenüber Festbauten. Die Container von Containex können gemietet oder gekauft werden.

Neu auf den österreichischen Markt kommt heuer ein auf dem Containerprinzip beruhendes System, das jedoch in Holzbauweise gefertigt wird. Bei der vom Bauequipment-Vermieter Cramo angebotenen Lösung werden die Module ähnlich wie bei Stahlcontainern vorgefertigt auf die Baustelle geliefert und sind dort rasch aufgestellt. Das Cramo-Adapteo-System ist in den nordischen Ländern führend im Bereich temporärer Bauten. „In Österreich wollen wir im Mobilraummarkt eine gute Position erreichen“, erläutert Geschäftsführer Christian Heigl. Die Container werden auch vermietet, im Gespräch sind Mietpreise je nach Ausstattung ab 15 Euro pro Quadratmeter. Heigl möchte das System auf dem Premiummarkt für temporäre Bauten platzieren: „Es ist aufgrund der Holzbauweise ideal für Projekte, die länger genutzt werden und bei denen Wert auf Ökologie und Nachhaltigkeit gelegt wird.“

INFO

Während der Umbauarbeiten im Parlament werden für die Büros des Hohen Hauses temporäre Ausweichquartiere am Heldenplatz bzw. im Bibliothekshof errichtet. Zwei dreigeschoßige und ein viergeschoßiger Bau sind vorgesehen. Entschieden hat man sich für ein österreichisches System in Holzsteckbauweise. Alternativen zu solchen Lösungen sind klassische Containersysteme oder – neuerdings – Containersysteme in Holzbauweise.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 30.04.2016)

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