Raumkonzepte: Klassezimmer

(c) Junger_beer architektur
  • Drucken

Außen hui und innen auch. Wenn sich Experten um Raumkonzepte kümmern, können es Häuser und Wohnungen ganz schön in sich haben.

(c) beigestellt
(c) beigestellt

TIPPS

Schlafen, kochen, essen, entspannen, ein Bad nehmen: All das – und noch viel mehr – tun wir daheim. Und für all das brauchen wir den entsprechenden Platz in unseren Häusern. Wohn- und Schlafzimmer, Essecke, Küche, Bad, all diese Räume – und meist noch mehr – müssen darin untergebracht werden. „Funktionen“ nennen Architekten die unterschiedlichen Aufgaben, die ein Haus für seine Bewohner zu „erfüllen“ hat. Und diese wollen sinnvoll geplant und gestaltet werden. Für jede Funktion ein „Kästchen“ auf dem Plan, das ist nicht genug. Die Räume müssen gegliedert, miteinander verbunden, voneinander getrennt werden. Die Planungsarbeit für die Innenräume sollte dabei gleich mit jener für das Äußere in Angriff genommen werden. Erst mal bauen und später dann die Möbel reinstellen, das geht oft nicht gut. „Plant man das Innere nicht sofort mit, läuft man Gefahr, dass gewisse Räume nicht vernünftig einzurichten sind“, sagt Hans Bürger von „Share Architects“.

Schon im Planungsprozess gilt es etwa, die Position von Schaltern und Leuchten zu bestimmen. Was außerdem ganz früh ganz detailliert feststehen muss: Wie sollen Küche und Badezimmer aussehen? „Für diese Bereiche müssen beispielsweise Leitungen verlegt werden“, erklärt Stefan Beer vom Architekturbüro „junger_beer“. Deshalb sei es wichtig, bereits in der Anfangsphase konkrete Vorstellungen zu haben und die Räume fertig planen zu können.

Geschmacksfragen. Um den – meist ohnehin sehr gut informierten und vorbereiteten – Bauherrn dabei unter die Arme zu greifen, setzt man bei „Share Architects“ stark auf Referenzbilder, zum Beispiel aus Lifestylemagazinen, Wohnzeitschriften oder von bereits realisierten Projekten. „Dann versteht man besser, welche Vorstellungen, Geschmäcker, Vorlieben die Kunden haben. Oder was sie nicht mögen“, sagt Bürger.

Auch Architekt Martin Mittermair empfiehlt Bauherren, schon in der Entwurfsphase die künftige Möblierung mitzuplanen. „Natürlich muss nicht jede Kleinigkeit feststehen, man muss sich nicht entscheiden, ob man lieber den Stoff- oder den Lederbezug auf der Couch hat. Aber das Grundsätzliche muss man wissen: Wohin kommt der Esstisch, wohin die Bücher? Und will ich im Vorzimmer einen Sitzplatz, um mir die Schuhe anzuziehen?“

Innen und außen. Architekten arbeiten, wenn es um die Planung und Gestaltung der Räume geht, hin und wieder auch mit Interieurexperten zusammen. Bei „Share Architects“ etwa kann man auf ein ganzes Netzwerk zurückgreifen, unter anderem von Produkt- und Innenraumdesignern, Visualisierungsexperten, Künstlern. Öfter aber planen sie das Innenleben eines Hauses gleich mit – eine Frage des Budgets der Bauherren. Für Martin Mittermair ist innen und außen aber ohnehin nicht zu trennen. „Das gehört zusammen“, sagt der Architekt, der ab und zu auch gleich passende Möbelstücke für ein Haus mitentwirft.
Seiner Erfahrung nach stehen derzeit offene Grundrisse ganz oben auf der Wunschliste vieler Bauherren. Also wenig Wände, großzügige Räume. Und – abgesehen von Küche, Sanitärräumen – Freiheit bei der Nutzung. „Es soll nicht jede Ecke schon vorab determiniert sein“, plädiert Mittermair für Zonen, deren „Funktionen“ noch nicht feststehen.

Keine Mauern mehr! Weil man die Wände also gerne weglässt, werden die Räume anderweitig gegliedert oder geteilt. Etwa mit Möbeln. Damit schlägt man zwei Fliegen mit einer Klappe. „Man erspart sich nicht nur die Wand, sondern gewinnt durch die Multifunktionalität von Stiegen, Sideboards oder Regalen wertvollen Stauraum“, sagt Hans Bürger. Auch Stefan Beer mag’s multifunktionell. So wird schon einmal aus dem Geländer ein Regal. Oder umgekehrt. Offene Kamine eignen sich ebenfalls sehr gut dazu, einem Raum Struktur zu geben und ihn zu gliedern, sagt Harald Hatschenberger vom „destilat“, einem Büro, das sich mit Interieur und der Planung von Möbeln und Leuchten auseinandersetzt.

Die Generallinie seiner Firma: „Alles, was sehr von der Mode beeinflusst ist und sich rasch ändern kann, bewusst einsetzen.“ Und zwar so, dass man es unter geringem Aufwand wieder ändern kann. Soll heißen: Auch wenn etwa Violett gerade Trendfarbe ist, sollte man nachdenken, ob man das große Einbaumöbel auch in fünf Jahren noch so mag. „Was lang halten soll, sollte dezent sein“, ist Hatschenberger überzeugt. Farb- und Materialkonzepte für die Innenräume zu erstellen, gehört daher zu den Angeboten der meisten Architekten, die sich mit dem Thema beschäftigen, auch bei „junger_beer“. „Alles, was man nicht wegtragen kann“, umreißt Beer das Tätigkeitsfeld seines Büros beim Gestalten eines Hauses.

Änderungen aushalten. Aber auch wenn die räumlichen Strukturen um Farb- und Materialkonzepte und oft um Einrichtungsvorschläge ergänzt werden und das Haus als „Gesamtkomposition“ betrachtet wird –
ein „Gesamtkunstwerk für immer und ewig“ soll es nicht sein, sagt Mittermair. „Es muss auch Individuelles verkraften, Änderungen aushalten können“, betont der Architekt.

Bürger sieht es ähnlich. „Es muss Strategien geben, damit das Haus auf sich ändernde Bedürfnisse eingehen, auf Modeerscheinungen reagieren kann.“ Er empfiehlt daher sehr flexible, offene Lösungen, leicht aus tauschbare (Möbel-)Systeme und wie Hatschenberger auch neutrale, dezente, zeitlose Oberflächen. Beim Ausbau eines Penthouses in Linz etwa hat das Büro „destilat“ einen Großteil der Wohnung in Weiß gehalten, die „zurückhaltende Hülle mit hellen Erd- und Grautönen kombiniert“. Farbtupfer in kräftigen Tönen, so sind sich die Experten einig, können mit einzelnen Möbeln, Bildern, Dekorationselementen wie Vorhängen, Pölstern gesetzt werden.

Und natürlich muss der Bauherr seine Freiheiten haben. Egal, ob es um „kontrollierbare Gestaltungselemente“ geht, wie Bürger fix eingebaute Möbel, Bäder und Küchen nennt, um „mobile Einrichtungs-gegenstände“ (die man mit dem Bauherrn aussucht oder die dieser schon besitzt) oder um „unkontrollierbare Systeme“ (Objekte, die nach der Übergabe durch den Architekten ins Haus gebracht werden).

Grundrisse, Situierung der Fenster, Lichtkonzepte . . . in all diesen Dingen lassen sich die meisten Bauherren auch sehr gern von den Experten beraten. Wird es aber ganz konkret, etwa bei Möbeln, bei Farben, reagieren sie oft unterschiedlich. „Die einen genießen es richtig, wenn man sich beispielsweise über Farbkonzepte unterhält“, erzählt Stefan Beer. „Andere wiederum mögen das gar nicht, es geht ihnen zu weit, sie fühlen sich in ihrer Freiheit eingeschränkt.“

Gute Aussichten. Mehr Luft, Licht und Freiheit – das bekommen die Bauherren allerdings, wenn sie, wie Architekten empfehlen, die Umgebung einbinden, das Draußen nach drinnen holen. Die Voraussetzung dafür: „Man muss die Stärken des Ortes, an dem das Haus entsteht, erkennen. Wo kann das Licht hereinkommen? Wo situiere ich dann demenstprechend die Räume?“, beschreibt Mittermair einige wichtige Punkte.

Ebenso wichtig sind die Ausblicke: Wie verstellt man den Blick auf Störendes? Und hebt gleichzeitig die schönen Aussichten, zum Beispiel auf Weinberge hervor? Ein Problem, das das Büro „junger_beer“ bei einem Haus bei Wien zu lösen wusste, indem die Außenwände ganz gezielt auch nach der Umgebung geplant wurden (Artikelbild).

Pufferzonen. Innen & außen – weil das Haus an der Fassade nicht einfach aufhört, ist es Mittermair auch sehr wichtig, zwischen den Wohnräumen drinnen und den Gartenflächen draußen einen Bezug herzustellen. So sollte man nicht abrupt einfach vom Haus ins Grün gelangen. Der Architekt rät, „Pufferzonen“ einzuplanen. Etwa Terrassen, die erst noch überdacht sind und sich dann schön langsam nach oben öffnen – bis man schließlich unter freiem Himmel ist. Stimmig sei es auch, weiß Mittermair, Materialien von innen nach außen (oder umgekehrt) zu verlängern, zum Beispiel den Farbton des Parketts auf der Terrasse aufzunehmen oder den Steinfußboden aus dem Badezimmer in Elementen im Garten zu verwenden. Die Übergänge zwischen innen und außen fließend zu gestalten, war auch Ziel von „junger_beer“ bei dem Hausprojekt bei Wien. Dort entschloss man sich, mittels einer weit auskragenden Dach-Pergola-Konstruktion „grenzüberschreitend“ zu wirken.

Alt & Neu.
Doch nicht nur bei neuen Häusern oder Wohnungen können durch architektonisches Know-how stimmige, harmonische Raumkonzepte geschaffen werden. „Alles, was statisch möglich ist“, macht „destilat“ etwa, wenn es um die Sanierung bestehender Wohnungen oder Häuser geht. Auch unter alte Dächer lässt sich modernes Wohngefühl bringen, sagt Hatschenberger.
Im Linzer Penthouse – „wo früher die Tauben unterm Dach hockten“ – konnten großzügige Sichtachsen angelegt werden, gezielt gesetzte Durchblicke und Ausblicke bringen Weitläufigkeit in die Räume.

Bodenhaftung. Und auch bei einem Projekt von „destilat“ in Wien wurde eine Altbauwohnung behutsam revitalisiert. Neue Elemente wie ein offener Kamin, das Zentrum des Domizils, harmonieren nun mit den alten (sanierten) Dielenböden, dem Deckenmaterial und den Flügeltüren. Etwas verwundert würden die Bewohner von anno dazumal allerdings angesichts der großen Liegewiese vor dem Kamin reagieren. Sie soll zum „Flooring“ einladen, zum Wohnen auf dem Boden. Denn das hat’s damals, in der „guten alten Zeit“, wohl noch nicht gegeben . . . 

Inspirationen. Elemente moderner Innenraumgestaltung. Von Michael Freeman, Verlag DVA 2009.

Innenarchitektur, und zwar ausgezeichnete! Herausgegeben vom Bund Deutscher Innenarchitekten, Callwey 2009.

www.mittermair.comwww.jungerbeer.atwww.destilat.atwww.share-arch.com

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.