Wohnen mit Motto: Långsåm wåchs ma z'samm

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Anlagen für Radler, Ökoprojekte, Generationenhäuser gibt es bereits. Was die neuen Themenwohnbauten prägen wird? Vor allem eines: viel Miteinander.

Wohnen, ganz ohne Autos, ohne Tiefgaragen. Anlagen, in denen sich alles um das Fahrrad dreht. Gebäude, in denen die Ökologie ganz großgeschrieben wird – von der Baustelle bis zum Türstockanstrich. Das alles gibt es schon in Österreich. In den vergangenen Jahrzehnten wurde nicht nur der Komfort in den eigenen vier Wohnungswänden größer, nach und nach bekamen auch immer mehr Anlagen ein Motto: Themenwohnbauten wie die „Bike City“ oder die „Sun City“ (Fokus auf Solarenergie) sind nur zwei Beispiele; auch im generationenübergreifenden und interethnischen Bereich gibt es Projekte.

Innovationen austesten

Am Anfang solcher Ideen steht eben ein Thema, das es seitens der Bauträger adäquat umzusetzen gilt. Diese Pilotprojekte „dienen dem Austesten von Innovationen. Wenn sich das Thema bewährt, dann fließen die Erfahrungen in den allgemeinen Wohnbau ein“, erklärt Wolfgang Förster von der MA 50, Referat für Wohnbauforschung. Aber: „Wir möchten keine Nischenwohnprojekte ins Leben rufen. Vielmehr geht es um die Umsetzung gesellschaftlich relevanter Bedürfnisse“, fügt Förster hinzu.

Welche Themen künftige Wohnbauten bestimmen werden? Einerseits weiterhin der ökologische Gedanke: „Auch in Zukunft wird es wieder solche Themen geben, die wir austesten möchten: Klimaneutrale Städte etwa werden an Wohnhäuser den Anspruch stellen, nicht mehr Energie zu verbrauchen, als sie selbst erzeugen können“, so der Wohnbauexperte. Robert Korab von der Agentur raum & kommunikation ist derselben Ansicht, erweitert den Ansatz aber: „In den 90er-Jahren gab es viele Ideen auf dem ökologischen Sektor. Jetzt gesellt sich die soziale Nachhaltigkeit hinzu. Bei den Bauträgerwettbewerben für neue Projekte gilt nun neben der Architektur, der Ökonomie und Ökologie auch die soziale Nachhaltigkeit als Kriterium“, so Korab. Aktuelles Beispiel ist das Sonnwend-Viertel im zehnten Wiener Gemeindebezirk nahe dem geplanten Hauptbahnhof. Durch das neue Modell der „Baugruppen“ sollen künftige Mieter in die Gestaltung der Wohnbauten eingebunden werden. Diese Baugruppen sind selbstorganisierte Bewohnergemeinschaften, die mit Bauträgern ihren zukünftigen Wohnraum planen und bauen. Dabei geht es um die individuellen Vorstellungen von gemeinschaftlichem Wohnen. Pilotprojekte, entstanden in Eigenregie engagierter Bürger oder Architekten, sind in Wien bereits zu finden: Die Sargfabrik im 15. Bezirk wird gern als Vorreiter genannt, aber auch das Heimprojekt B.R.O.T.

Architektin Sabine Pollak hat sich für ein Frauenwohnprojekt starkgemacht, „um die Bedürfnisse der Frauen einfließen zu lassen.“ Das Leben in einer Hausgemeinschaft mit nachbarschaftlich solidarischer Unterstützung, das vorrangig den Anliegen von Frauen im Wohnen gerecht wird, finden ihren baulichen Niederschlag nun in „KalYpso“, auf den Baugründen des ehemaligen Kabelwerks in Wien-Meidling. Pollak gibt aber zu bedenken: „Auch diese Wohnprojekte müssen flexibel sein. Ansprüche können sich ändern. Daher sollten die Gemeinschaftsräume beispielsweise ohne großen Aufwand auch wieder umgestaltet werden können.“

Leben unter Gleichgesinnten

„Die Menschen, die sich für solche Projekte interessieren, haben eine Vision. Der kleinste Nenner der Gemeinschaft ist, dass man nicht nur nebeneinander, sondern miteinander leben möchte“, berichtet Annika Schönfeld. Die Stadtplanerin ist im Unternehmen raum & kommunikation für die Umsetzung innovativer Projekte tätig und hat vor Kurzem den Verein „Initiative für gemeinschaftliches Bauen und Wohnen“ ins Leben gerufen. Dessen Ziel ist es, die Entstehungsbedingungen für gemeinschaftliche Wohnformen zu verbessern und die Umsetzung konkreter Projekte zu unterstützen.

„Die Motive für das Leben in einer Hausgemeinschaft sind vielfältig. Ältere Menschen können und wollen sich für kleine Erledigungen im Alltag nicht ständig Dienstleister ins Haus holen oder suchen nach mehr sozialem Kontakt in ihrem Umfeld“, nennt Schönfeld ein Beispiel. Und für Familien mit Kindern zähle etwa der Anschluss zu anderen Familien, was abwechselndes Babysitten erleichtern könnte. „Neben Singles, die vielleicht nach einer Wahlverwandschaft suchen, sind auch Paare anzutreffen, die über ihre Zweisamkeit hinaus Kontakte knüpfen möchten“, erzählt Schönfeld.
www.gemeinsam-bauen-wohnen.org

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.10.2009)

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