Der russische Aktienmarkt zwischen Mythos und Wirklichkeit

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An der Moskauer Börse sieht es wie so oft wieder einmal nach Unterbewertung aus. Aber sind russische Werte wirklich empfehlenswert?

Wien. Erst vor eineinhalb Wochen legte die Investmentabteilung der russischen Sberbank eine Studie zu den Investoren in russische Aktien vor und bestätigte, was Insidern schon länger bekannt war: Bis zu 80 Prozent der russischen Aktien werden von ausländischen Käufern gehalten. Ein Drittel davon sind Fonds aus den USA, ein Drittel aus Kontinentaleuropa, ein Viertel aus Großbritannien. Daraus den Schluss abzuleiten, dass russische Aktien bei den Anlegern dieser Welt schier uneingeschränkt beliebt sind, wäre aber überzogen. Der Grund für das Übergewicht liegt weniger in der Performance, als vielmehr darin, dass der innerrussische Kapitalmarkt einfach schwach entwickelt ist.

Die Performance selbst nämlich hat gerade im vergangenen Jahr enttäuscht. Die Verluste vom ersten Halbjahr konnten nicht mehr wettgemacht werden. Der Leitindex RTS verlor über acht Prozent und gehörte damit zu Europas schwächsten Handelsplätzen.

Öl- und Gaswerte enttäuschen

Gewiss, einzelne Werte zeigten eine beachtliche Entwicklung. So konnte die russische Internetsuchmaschine Yandex, Platzhirsch vor Google im Land, den Kurs verdoppeln. Abermals stark auch der Börsenliebling und größte Handelskonzern Magnit. Umso enttäuschender nahmen sich die dominierenden Öl- und Gaswerte aus. Dies trotz der Tatsache, dass die Erdölproduktion auf dem höchsten Niveau seit dem Ende der Sowjetunion liegt und auch der Gaskonzern Gazprom ein Rekord-Exportergebnis erzielte. Aber hohe Produktionskosten und schwache Rohstoffpreise machten zu schaffen. Dazu eine hohe Steuerlast und Intransparenz gerade bei den staatlichen Konzernen.

Wie ein Mantra wiederholen Analysten, dass russische Aktien zu niedrig bewertet sind und daher Möglichkeiten für einen Einstieg bieten. In der Tat liegt das durchschnittliche Kurs-Gewinn-Verhältnis (KGV) der russischen Werte bei niedrigen fünf. In jedem Fall ein Grund zuzugreifen?

Die Sache ist so eindeutig nicht. Das niedrige KGV hält sich seit Langem. So richtig vom Fleck will es nicht kommen. Und auch für das angelaufene Jahr sieht die Situation nicht rosig aus – schon fließen bereits die sechste Woche in Folge Gelder aus Russlandfonds ab. Beim makroökonomischen Umfeld läuten längst die Alarmglocken. Zwischen Stagnation, Rezession und drohender Stagflation oszillieren die Befunde. Russlands Wirtschaft befinde sich in einer Gegenphase zur globalen, gestand Wirtschaftsminister und Ex-Zentralbankvize Alexej Uljukajew neulich: Russlands Wirtschaft, lange mit Wachstumsraten von über sieben Prozent verwöhnt, werde in den kommenden drei Jahren mit maximal 2,5 Prozent jährlich wachsen, während das globale BIP um 3,5 Prozent zulegen wird.

Putin ist kein Reformer

Die Gründe dafür sind vielfältig. Darunter: Die Zeit der billigen Arbeitskräfte ist vorbei; der Konsum als Wachstumstreiber geht zurück, weil die Haushalte überschuldet sind und die Zentralbank den Kreditboom drosseln muss; für die nötigen Investitionen fehlt das Klima, obwohl es da wie dort Fortschritte gibt; die neue Energieautarkie der USA trifft auch Russland; die Drosselung der expansiven US-Geldpolitik ebenso. Der Rubel ist gleich wie andere Schwellenländer-Währungen in eine lange Abwertungsphase getreten; Kremlchef Wladimir Putin und seine dirigistischen Hardliner sind keine Anhänger mutiger Reformen.

Gewiss, Putin bietet politische Stabilität, sodass politische Risiken auszuschließen sind. Und Russlands Analysten spekulieren längst über die Frage, ob die Olympischen Winterspiele im Februar auch den Börsen jenen positiven Effekt bringen, den sie den Austragungsländern bei fast allen Olympischen Spielen der vergangenen 30 Jahre gebracht haben.

Olympia-Sponsoren wie Sberbank oder Gazprom sowie Sektoren wie Retail könnten profitieren. Kurzfristig wohlgemerkt, bevor die traditionelle Frühlingsschwäche eintreten dürfte. Für Gazprom ein längerfristiger Treiber wäre die lang erwartete Unterzeichnung eines Gas-Exportvertrages mit China. Ob es heuer endlich dazu kommt, wissen nur die Chinesen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 27.01.2014)

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