Verlierer und Gewinner des Euro-Absturzes

(c) EPA (Karl-Josef Hildenbrand)
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Das Jahr 2015 hat auf den Finanzmärkten turbulent begonnen. Die Eurozone befindet sich in der Krise, der Euro im freien Fall. Das ist gut für Inhaber von US-Aktien, aber schlecht für Sparer und Fremdwährungsschuldner.

Wien. Das Jahr 2015 ist noch jung, doch eine Feststellung kann bereits getroffen werden: Die Schuldenproblematik in der Eurozone ist nicht gelöst. Griechenland, das Sorgenkind schlechthin, bereitet den Notenbankern und Investoren wieder Kopfzerbrechen. Der mögliche künftige Regierungschef Alexis Tsipras droht, die Schulden des Landes nicht zurückzuzahlen, und schüttelt damit den Währungsmarkt durcheinander. Der Euro ist im freien Fall. Zuletzt war die europäische Einheitswährung weniger als 1,19 US-Dollar wert. Der Euro notierte zeitweise so niedrig wie seit neun Jahren nicht mehr. Allein seit Anfang 2014 hat er 14 Prozent an Wert verloren.

Der Absturz könnte weitergehen. Denn die Europäische Zentralbank (EZB) versucht mit allen Mitteln, der strauchelnden Konjunktur und vor allem der niedrigen Inflation in der Eurozone entgegenzuwirken. Aus Angst vor einer Deflation dürfte die EZB bald massenhaft Wertpapiere aufkaufen und die Finanzmärkte mit Geld überfluten. Die mittelfristige Konsequenz ist absehbar: Der Euro wird anderen Währungen gegenüber stark unter Druck geraten. Das hat unmittelbare Auswirkungen auf die Unternehmen, Sparer, Anleger und Kreditnehmer.

Realverluste für Sparer

Profiteure des Euroverfalls wären– auch im Kalkül der EZB– europäische Exportunternehmen. Somit können auch österreichische Firmen ihre Produkte in den USA günstiger anbieten und haben damit einen Wettbewerbsvorteil.

Die großen Verlierer sind – wie schon in den vergangenen Jahren – die Sparer. Die Geldmarktzinsen, an denen sich die Sparzinsen orientieren, notieren extrem niedrig. Einer der wichtigsten Referenzzinssätze in der Eurozone ist der Euribor (drei Monate). Er steht aktuell bei 0,07 Prozent (zum Vergleich: 2008 lag er bei über vier Prozent). Die EZB wird die Zinsen noch über Monate, wenn nicht über Jahre hinweg nicht ansteigen lassen. Die Sparer werden sich noch lang mit lächerlich niedrigen Sparzinsen abspeisen lassen müssen. Bei der Erste Bank bekommt man für ein einjähriges Sparbuch einen Zinssatz von 0,2 Prozent p.a., bei der Raiffeisen in Wien 0,25 Prozent. Nach Abzug der Inflation erleiden die Sparer deutliche Realverluste.

Währungsgewinne bei Aktien

Auch der heimische Aktienmarkt kam durch die stotternde Konjunktur in der Eurozone und die Bankenproblematik in Österreich gehörig unter Druck. Der Leitindex ATX fiel seit einem Jahr um 20 Prozent. Die Situation ist angespannt – und für Privatanleger riskant. Jene Anleger hingegen, die im US-Aktienmarkt investiert sind, haben zuletzt hohe Erträge erzielt – vor allem dank des Währungsgewinns. Ein Szenario: Ein Anleger hat vor einem Jahr 20.000 Euro in US-Aktien investiert (und den Dow-Jones-Index abgedeckt). Seit damals hat er (ohne Berücksichtigung von Kosten und Steuern) einen Gewinn von 20 Prozent erzielt. Der echte Aktiengewinn machte dabei neun Prozent aus. Der Rest kam dank des Währungsgewinns zustande, weil der Dollar in der Zwischenzeit zum Euro deutlich zulegte.

Staatsanleihen von sicheren Ländern (dazu zählt nach wie vor Österreich– trotz Hypo-Skandal) waren in den vergangenen Jahren und sind noch immer der Zufluchtsort schlechthin. Ein Beispiel: Eine österreichische Staatsanleihe, die noch knapp zehn Jahre läuft und jährlich Zinsen von 1,65 Prozent abwirft (ISIN: AT0000A185T1), hat seit Juni mehr als zehn Prozent an Wert gewonnen. Aber auch diese Anleihen sind für Anleger riskant. Durch den hohen Kaufkurs erzielen sie Renditen (nach Abzug der Kosten und Steuern) von gerade einmal 0,2 Prozent pro Jahr. Somit würden die Anleger – wie auf dem Sparbuch – hohe Realverluste erleiden. Sie können nur hoffen, dass sie die Anleihen während der Laufzeit auf dem Sekundärmarkt mit Kursgewinn verkaufen können. Aber Achtung: Die Anleihen-Blase, die durch die extrem niedrigen Zinsen entstanden ist, könnte irgendwann wieder platzen.

Schuldner, die sich über einen variablen Eurokredit finanzieren, können sich die Hände reiben. Ihre monatliche Zinsbelastung ist derzeit so gering wie nie zuvor. Ein Beispiel: Für ein endfälliges Eurodarlehen von 100.000 Euro hätte man derzeit monatliche Kosten von 130 Euro (inklusive einer Zinsmarge von 1,50 Prozent). Vor sechs Jahren musste der Schuldner für den gleichen Kredit 380 Euro pro Monat aufwenden. Die Situation für Kreditnehmer, die ein Darlehen in fremden Währungen am Laufen haben, ist hingegen wieder einmal kritisch.

Der Euro hat zum Schweizer Franken wieder verloren. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) musste zuletzt intervenieren, um den Euro über der Marke von 1,20Franken zu halten. Die Franken-Schuldner können sich kaum Hoffnung machen, dass sich der Euro gegenüber der Schweizer Währung mittelfristig wieder erholt. Somit werden die Franken-Kredite noch lang mit großen Währungsverlusten behaftet sein. Wer sich Anfang 2000 im Schweizer Franken zum Gegenwert von 100.000Euro verschuldete, ersparte sich zwar bis heute um die 17.000Euro an Zinsen, erlitt aber zeitgleich einen Währungsverlust von rund 33.000 Euro.

Turbulenzen für Yen-Schuldner

Auch für die Yen-Kreditnehmer war das vergangene Monat schwer verdaulich. Der Euro ist zum japanischen Yen um sechs Prozent abgestürzt und hat damit die gesamten Kursgewinne von 2014 wieder eingebüßt. Ein Yen-Schuldner, der einen endfälligen Yen-Kredit zum Gegenwert von 100.000 Euro zu bedienen hat, hat seit Dezember einen (Buch-)Verlust von 5000Euro erlitten.

Aber in Summe ist die Finanzierungsspekulation mit dem Yen zumindest wirtschaftlich noch immer ein fantastisches Geschäft für ihn gewesen: Seit Anfang 2000 hat der Kreditnehmer einen Währungsgewinn von mehr als 20.000 Euro erzielt und sich zudem rund 34.000 Euro Zinsen erspart. (ker)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 12.01.2015)

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