Kann man mit Kohle noch Kohle machen?

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Vor wenigen Jahren priesen Analysten Kohle noch als „Gold des neuen Jahrzehnts“. Aber seit selbst China in Zukunft weniger Steinkohle verheizen will, sieht die Zukunft des schwarzen Rohstoffs düster aus.

Wien. Drei Millionen Tonnen Kohle. Für diesen Preis machte die Volksrepublik China vor wenigen Tagen die antike Ortschaft Banpo in der Provinz Shanxi dem Erdboden gleich. 200 Einwohner wurden umgesiedelt, die Gebäude aus der Ming-Dynastie eingestampft. Wenn die Abrissbirnen ihren Job erledigt haben, können die Bagger anrücken, um den Rohstoff aus der Erde unter der Stadt zu buddeln. Aber immerhin, die Hoffnung, dass Aktionen wie diese bald der Vergangenheit angehören, steigt.

Denn China, der weltgrößte Erzeuger und Verbraucher von Kohle, kommt langsam, aber sicher weg von einem der „schmutzigsten“ Rohstoffe der Welt. Die Kohleproduktion der Volksrepublik fiel im vergangenen Jahr erstmals seit eineinhalb Dekaden wieder um 2,5 Prozent. Auch der Kohlehunger scheint bald gestillt zu sein. China verbrauchte um knapp zwei Prozent weniger von dem schwarzen Rohstoff. Die schwache Wirtschaftsentwicklung im Land, ein Ende des Immobilienbooms und immer strengere Umweltschutzbestimmungen lassen den weltgrößten Abnehmer der Branche umdenken. Der Gipfel des Kohleverbrauchs in China, das allein so viel Kohle verbrennt wie der Rest der Welt, scheint in greifbarer Nähe.

Probleme „unterschätzt“

Das hat aber Auswirkungen rund um den Globus. Nicht nur für Minenbetreiber in China, Australien und Indonesien, sondern auch für Anleger, denen die Analysten vor wenigen Jahren noch von Kohle als dem „Gold des neuen Jahrzehnts“ vorgeschwärmt haben.

Wenn auch Ihr Geld noch in Minenaktien, Rohstoff-Fonds oder Rohstoff-ETPs (an der Börse gehandelten Wertpapieren, die auf dem Preis eines oder mehrerer Rohstoffe basieren) steckt – hier ein kurzer Abriss, was der Umschwung in China für Sie bedeutet.

Der Kohlepreis hat sich seit dem Jahr 2011 praktisch halbiert und liegt derzeit auf dem niedrigsten Stand seit sechs Jahren. Die Gefahr, dass es von hier aus noch weiter nach unten geht, ist allerdings groß. Denn Chinas Plan, die Kohleimporte zu verringern, wird die exportierenden Unternehmen in den USA, Australien, Indonesien und Südafrika hart treffen. „Der chinesische Immobilienmarkt hat 15Jahre lang den wichtigsten Nachfrageschub für diesen Rohstoff gegeben. Jetzt fällt er Jahr um Jahr“, sagt Richard Knights, Analyst bei Liberum Capital. Die Probleme seien „real“ und „am Markt unterschätzt“. China hat schon im Vorjahr 15 Prozent weniger Kohle für die Stromerzeugung gekauft und 17Prozent weniger Kohle, die zur Stahlproduktion gebraucht wird.

Die Folgen: In China schreiben sieben von zehn Minen rote Zahlen, meldet die staatliche Vereinigung der Kohleindustrie. Hier zu investieren wäre aber vermutlich ohnedies nur den Wagemutigsten eingefallen. Aber auch westlichen Branchenriesen, wie die australische Glencore PLC, der weltgrößte Erzeuger von Kohle zur Stromproduktion, geht es kaum bessern. Über Weihnachten musste der Konzern seine Minen zuletzt für drei Wochen stilllegen. Auch BHB Billiton und Rio Tinto sind stark unter Druck. Ihr größter Vorteil: Sie haben auch andere, höherpreisigere Rohstoffe im Angebot – und ihre Aktienkurse haben bereits deutlich nachgegeben.

Dass sich daran nicht sonderlich viel ändern wird, haben sie nicht zuletzt sich selbst zuzuschreiben. Trotz des massiven Überangebots drücken sich immer noch fast alle großen Minengesellschaften davor, Minen gänzlich stillzulegen. Solang das Öl so billig bleibt, machen sie lieber weiter und warten darauf, dass einem anderen Mitbewerber zuerst die Luft ausgeht. „An welchem Punkt sagen BHB und Rio endlich: ,Genug ist genug!‘?“, fragt Neil Gregson, Fondsmanager bei JPMorgan Chase. Noch ist es nicht so weit: Australien, der weltgrößte Exporteur von Kohle zur Stahlproduktion, wird die Produktion auch heuer steigern, erwartet die australische Regierung.

„Schlechteste Entscheidung“

Die Folgen für den Kohlepreis – und damit auch für viele Rohstoff-ETFs, die an diesen und andere Rohstoffpreise gekoppelt sind– sind drastisch. Langsame Produktionskürzungen bedeuten, dass der „Kohlepreis sich vermutlich bis 2016 nicht erholen wird“, schreibt Moody's Investors Service.

Da ist es ausnahmsweise gut, dass es für Privatanleger eher kompliziert ist, direkt in Kohle zu investieren. Wer dennoch auf ein Anziehen der Rohstoffmärkte spekuliert, sollte sich Rohstoffe nur als Beimischung ins Depot nehmen. Und das bitte nur vorsichtig: Erst kürzlich nannte Goldman Sachs Rohstoffe die derzeit „schlechteste Entscheidung“, die Investoren treffen können. Eine Erholung erwartet die Bank frühestens zu Jahresende. Und auch das nur, wenn mit dem Ölpreis auch die anderen Rohstoffe nach oben ziehen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.02.2015)

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