Emissionen: "Kleiner Grenzverkehr" für mutige Anleger

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Während sich hierzulande ein Jahr ohne Börsegänge abzeichnet, gibt es in Deutschland mehr Erstnotizen als in den Jahren zuvor. Das Risiko ist ungeachtet der Volatilität hoch: Nicht alle Börsenneulinge erfüllten die Versprechungen.

Frankfurt/Wien. 14 deutsche Unternehmen haben seit 2000 bei Börsegängen jeweils mehr als eine Milliarde Euro eingesackt. Zwar ist auch in Deutschland die Zahl der Firmen, die ihre Anteile handeln lassen, wegen der Turbulenzen an den Finanzmärkten zurückgegangen. So strebten 1999 noch 165 deutsche Unternehmen an die Börse, während es seit 2014 nur zwölf Neuemissionen gab. Europaweit wurde mit 350 Unternehmen und einem Volumen von rund 50 Milliarden Euro die stärkste IPO-Aktivität seit Ausbruch der Finanzkrise 2007 verzeichnet.

Während es in Österreich im Vorjahr mit der FACC und der Buwog nur zwei Börsegänge gab und sich heuer ein Jahr gänzlich ohne IPOs (Initial Public Offering) abzeichnet, stehen im Nachbarland einige Anwärter in den Startlöchern. Goldman Sachs erwartet bis zu zehn IPOs bis Jahresende. Zu den wichtigsten zählt Christoph Stanger, der das Europageschäft von Goldman Sachs leitet, die Bayer-Kunststoffsparte Covestro, die Zugsparte von Bombardier und die Reederei Hapag-Lloyd. Dazu kommen Firmen wie der schwedische Online-Konsumfinanzierer TF-Bank, bei dem die Zeichnungsfrist läuft, das Anzeigenportal Scout24 und der Baustoffkonzern Xella (Ytong), die die Erstnotiz im Oktober planen.

Für österreichische Anleger, die ihr Erspartes nicht auf dem Sparbuch dahinsiechen lassen möchten und trotz der chinabedingten hohen Volatilität auch etwas Neues wagen wollen, heißt es daher, den Patriotismus hintanzustellen und über die Grenze zu schauen.

„Deutsche Aktien sind prinzipiell interessant“, sagt Friedrich Mostböck, Chef des Erste Group Research. Gut bekannt seien allerdings meist nur die Werte von Großkonzernen im DAX, die freilich – wie etwa die Deutsche Bank – zuletzt weniger positiv aufgefallen seien. Auch Automotive-Werte wie Daimler und BMW stünden wegen der Turbulenzen in China derzeit stark unter Druck. „Deutschland hat eine Reihe von global aufgestellten Konzernen, aber allein schon aufgrund seiner Größe verfügt das Land auch über ein viel größeres Reservoir und damit auch ein viel größeres Potenzial an mittelständischen Firmen, die durchaus reif für einen Börsegang sind“, erklärt Mostböck.

Dennoch will der Experte Österreichs Licht nicht ganz unter den Scheffel stellen. Hierzulande gebe es noch Potenzial: „Der Markt wird sich wieder drehen, und dann sehen wir möglicherweise jene Kandidaten, die es schon versucht haben“, ist Mostböck mit Börsevorstand Birgit Kuras einer Meinung. Eines müsse man bedenken: Was hierzulande schon als Schwergewicht gelte, sei international gesehen „nur“ ein globaler Nischenplayer, wie etwa der Maschinenbauer Andritz. Und viele solche Unternehmen habe das kleine Österreich halt nicht.

Auch Rainer Schnabl, Chef der Raiffeisen KAG, glaubt, dass sich hierzulande wieder etwas tut, wenn sich das Börseklima verbessert. Außerdem müsse man bedenken, dass international gesehen – nicht nur in Deutschland – viele Unternehmen aus dem Eigentum von Private-Equity-Firmen an die Börse kommen. „Hierzulande werden solche Beteiligungen an andere institutionelle Investoren weiterverkauft“, so Schnabl.

Ob man bei den nächsten IPOs zuschlagen soll, hängt aber nicht nur vom Preis ab. Zuerst einmal muss man bei der Zuteilung zum Zug kommen. Das sei schwierig, auch wenn eine heimische Bank beteiligt ist beziehungsweise wenn man eine Order online platziert, so Mostböck. Ein Aspekt sollte nicht unterschätzt werden: „Sie müssen sich schon vor der Emission fragen, was Ihnen die Firma auf dem Sekundärmarkt wert ist“, sagt Monika Rosen, Chefanalystin Private Banking der Bank Austria. Verfolgt man diesen „disziplinierten Ansatz“, müsste man dann zukaufen, wenn der Kurs fällt.

Abwarten sei oftmals die bessere Strategie, betont auch Schnabl. Die Erfahrung zeige nämlich, dass die Preisvorstellungen der Emittenten „sehr ambitioniert“ seien. Das zeigt auch die Auflistung der Deutschen Börse (www.boerse.de). Wobei die heurigen Erstlistings durchwegs das Problem hatten, voll in den Wirbel des China-Crashs geraten zu sein. Gut über Wasser hielten sich bisher nur der Online-Modehändler Zalando und der Autozulieferer Hella.

Die zwei interessantesten Erstlistings finden laut Rosen heuer in den USA statt: Der Luxusautohersteller Ferrari und die Match-Gruppe, zu der die Datingplattform Tinder gehört, stehen in New York am Start. [ iStockphoto ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.09.2015)

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