Anleihemärkte: Draghi macht Europa zum sicheren Hafen

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Guillaume Rigeade, der für die Rothschild-Gruppe ein Anleihenportfolio im Wert von mehr als 400 Millionen Euro managt, sieht im kommenden Zinsschritt der US-Notenbank einen Stressfaktor für die internationalen Märkte und baut auf den geldpolitischen Schutzschirm der EZB.

Wien. „Es gibt den Satz: Kämpfe nicht gegen die Fed“, sagt Guillaume Rigeade. Und fügt hinzu: Für ihn und jeden anderen Fondsmanager treffe dieser Satz auch auf die Europäische Zentralbank (EZB) zu. Rigeade, der für die Edmond-de-Rothschild-Vermögensverwaltungsgruppe deren Flaggschiff-Portfolio im Wert von 419 Millionen Euro betraut, sollte wissen, wovon er spricht.

Mario Draghis Ankündigung, den Quantitative-Easing-Kurs der EZB möglicherweise über September 2016 hinaus fortzusetzen, sei laut dem Franzosen ernst zu nehmen. Bei diesem Programm der geldpolitischen Lockerung will die EZB Bonds im Wert von 1,14 Billionen Euro aufkaufen, um Staatsanleihen für Banken unattraktiver zu machen und sie zu verstärkter Kreditvergabe zu bewegen. So soll die Inflation in der Eurozone langfristig wieder auf das angestrebte Niveau von zwei Prozent gehievt werden.

Schutzwall EZB

„Jeder baut derzeit darauf, dass einen die EZB beschützt“, so Rigeade. Deren Chef, Mario Draghi, macht die Rolle der Bank als Bewahrerin Europas in regelmäßigem Abstand verbal deutlich. Angesichts dessen setzt Rigeade in seinem Portfolio vorrangig auf Staatsanleihen der europäischen Peripherieländer. „Die Staatsanleihen von Spanien, Italien und Portugal bieten eine höhere Rendite als die der Kernländer, aber denselben Schutz von Herrn Draghi.“ Daneben seien hochverzinsliche Anleihen europäischer Unternehmen eine gute Wahl. Diese böten aufgrund der niedrigen Inflationsrate in Europa eine attraktive Investitionsmöglichkeit.

Mit dem Fokus auf europäische Junk-Bonds versucht Rigeade wie andere Fondmanager das Beste aus der wenig lukrativen Zinslandschaft zu machen. Ein Risiko sieht er in den Anleihen auf Ramschniveau nicht. Dabei beruft er sich auf die Bewertung durch die Ratingagentur Moody's, die bis Ende 2015 mit zwei Prozent sehr niedrige Ausfallsraten für Europas Unternehmen prognostiziert.

Großer Risikofaktor sei laut Rigeade nach wie vor der ausstehende Zinsschritt der US-Zentralbank. Wenn die Fed– und das sei laut dem Rothschild-Experten wohl noch im Dezember der Fall– die Zinserhöhung wagt, könnte das kurzfristig ansteckend auf Europa wirken. Zwei Gründe sprechen aus seiner Sicht zurzeit noch gegen eine Zinserhöhung. Einerseits hat Fed-Chefin, Janet Yellen, vergangene Woche China klar als wirtschaftlichen Instabilitätsfaktor ausgemacht. Ein Zinsschritt hätte nach Meinung der US-Notenbanker in dieser Sekunde zusätzliches Öl ins Nervositätsfeuer gegossen. Rigeade: „Die Nervosität ist mehr als eine Stimmung, da sie zu einer Fed-Entscheidung führt.“

Fed: Warten auf höhere Löhne

Den zweiten Grund für Yellens Abwarten sieht Rigeade in der US-Wirtschaft selbst. Die dortige Inflation wurde durch die Probleme auf den Rohstoff- und Ölmärkten sowie den Einbruch in China gedrückt – und die US-Wirtschaft habe dem trotz einer Arbeitslosenrate nahe null nichts entgegensetzen können. Was es in den Augen des französischen Marktanalysten für ein Durchgreifen der Fed braucht, sei daher ein langfristiger Anstieg des amerikanischen Lohnniveaus. Er zitiert eine Untersuchung der Universität Michigan: Laut dieser erwarten sich die Amerikaner in den kommenden Monaten einen deutlichen Lohnanstieg. Das sei ein starker Indikator, dass die Realität hier bald mitziehen könnte. Rigeade: „Wenn sich dieses Szenario bewahrheitet, hätte die Fed wahren Grund zu handeln und würde sich nicht mehr um den Rest der Welt kümmern.“ (loan)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 28.09.2015)

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