Raiffeisen-Analyst: "Superzyklus bei Rohstoffen ist vorbei"

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Rohstoffe. Aktien- und Rohstoffmärkte laufen seit Monaten nicht mehr im Gleichklang. Das hat vor allem mit der Rolle Chinas zu tun. Die Volksrepublik ist zu einem der wichtigsten Abnehmer zahlreicher Industriemetalle geworden.

Wien. Vor vielen Jahren einmal hat der frühere Chef der US-Notenbank Fed, Alan Greenspan, Kupfer als wichtigen Indikator für die Entwicklung der Weltwirtschaft bezeichnet. Nicht zuletzt deswegen kam das Industriemetall auch zu akademischen Ehren. Doch „Doktor Kupfer“ scheint einen neuen Beinamen zu benötigen.

Denn während die globale Konjunktur heuer vor dem größten Zuwachs seit drei Jahren steht, hat Kupfer den schwächsten Jahresstart seit 1988 hingelegt. In den vergangenen 16 Quartalen hat sich Kupfer nur sechsmal im Gleichklang mit dem weltweiten Bruttoinlandsprodukt entwickelt. Und im Dezember des Vorjahres war die Korrelation des Metalls mit dem wichtigen US-Aktienindex Standard & Poor's 500 so gering wie seit dem Jahr 2008 nicht mehr.

Zwar kommt Kupfer von der Auto- bis zur Bauindustrie in unzähligen Bereichen zum Einsatz. Doch der Preis des Metalls wird mittlerweile von der Nachfrage aus China bestimmt. Das Reich der Mitte ist zum global größten Abnehmer des Metalls geworden. Heute konsumiert China fünfmal mehr Kupfer als die weltweite Nummer zwei, die USA.

Die Dominanz Chinas dürfte auch der Grund dafür sein, warum sich Aktien- und Rohstoffmärkte in den vergangenen Monaten sehr stark voneinander entkoppelt haben. „Bei Industriemetallen dreht sich sehr viel, wenn nicht alles, um die Konjunkturentwicklung in China“, sagt RCM-Analyst Hannes Loacker. Zwar herrsche keine Angst im Markt davor, dass Chinas Wachstum verschwindet, den Konjunkturdaten wird aber nach wie vor große Beachtung geschenkt.

Superzyklus ist vorbei

Derzeit gibt es ein Überangebot an Kupfer. Anleger fürchten, dass Banken ihre Kupferbestände reduzieren könnten, um im Fall von Firmenpleiten an ihr Geld zu kommen: Kupfer wird in China als Sicherheit für Kredite hinterlegt.

Loacker verweist auf Daten, die Chinas Hunger nach Industriemetallen eindrucksvoll veranschaulichen. Sein Anteil am weltweiten Eisenerzkonsum lag 2013 bei fast 80 Prozent. Bei Aluminium, Kupfer oder Zink stellt China die Hälfte der globalen Nachfrage. Noch um die Jahrtausendwende sah das Bild gänzlich anders aus: Chinas weltweite Nachfrage nach Kupfer, Aluminium und Nickel lag bloß zwischen fünf und 15 Prozent, wie Zahlen von Morgan Stanley zeigen. „Für Industriemetalle ist China jedenfalls viel wichtiger geworden als für den Aktienmarkt“, sagt Loacker. Die Öl- und Gasnachfrage aus China liegt hingegen bei rund zehn Prozent.

Aufgrund der aktuellen Entwicklung an den Rohstoffmärkten scheint man eines jedenfalls mit großer Sicherheit sagen zu können: Der Superzyklus bei Rohstoffen, den man zwischen 2003 und 2008 und von 2009 bis 2011 gesehen hat, sei vorbei, so Loacker. Ein neuerlicher Preisanstieg könne dann wieder entstehen, wenn man das Angebot bei den derzeit niedrigen Preisen auch gering halte.

Rückkehr zur Normalität

Dass die Lücke zwischen der Entwicklung des Aktienmarktes und des Rohstoffmarktes bestehen bleibt, ist durchaus möglich, sagt Loacker.

Axel Herlinghaus von der DZ-Bank bezeichnet die seit Monaten auftretende Schere als „Rückkehr zur Normalität“. Rohstoffe und Aktien korrelierten früher nicht miteinander – deswegen wurden Rohstoffe als Beimischung empfohlen. Erst die Finanzkrise habe den außergewöhnlich hohen Grad an Übereinstimmung verursacht: „Die Flut hebt eben alle Boote.“ Rohstoffe seien als homogene Masse betrachtet worden. Inzwischen spielten Angebot und Nachfrage wieder eine „hochrelevante Rolle“. „Wir sehen nun das, was wir von früher kennen“, sagt Herlinghaus. Vor allem bei Industriemetallen. Die Investitionen in dem Bereich waren in der Vergangenheit hoch. Doch wenn die Nachfrage schwächelt, geraten die Preise unter Druck. So wie derzeit.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.03.2014)

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