Börsen testen neue Allzeithochs aus

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Die jüngsten Konjunkturdaten haben die Erwartungen enttäuscht und die Aktienkurse vorerst ausgebremst. Doch die niedrigen Zinsen sollten dafür sorgen, dass es weiter nach oben geht - wenn die Wirtschaft nicht unerwartet einbricht.

Wien. Allen schlechten Nachrichten von der Konjunktur und Sorgen wegen der Ukraine-Krise zum Trotz: Die Börsen haben in der vergangenen Woche neue Höchststände ausgetestet. Der US-amerikanische Aktienindex S&P 500 sprang erstmals in seiner Geschichte kurzzeitig über die Schwelle von 1900 Punkten, der Frankfurter DAX (der es als Performance-Index, in den auch die Dividenden einberechnet werden, allerdings etwas leichter hat) lag für wenige Momente über 9800 Zählern und damit ebenfalls auf einem historischen Allzeithoch.

„Das Umfeld war aber gar nicht danach, dass Aktien steigen“, sagt Horst Simbürger von Volksbank Investments. Sieht man sich die Performance seit Jahresbeginn an, dann haben die einzelnen Indizes keine großen Sprünge gemacht: Der DAX hat seit Jahresbeginn nur um ein Prozent zugelegt. Auch beim S&P 500 gab es mit einem Plus von knapp einem Prozent (auf Eurobasis) keinen weltbewegenden Anstieg. „Aber es gibt einfach einen Mangel an Anlagealternativen“, stellt Simbürger fest.

Die Allzeithochs waren ohnehin nicht von langer Dauer. Kurz nachdem sie erreicht worden waren, fielen die Börsenbarometer wieder deutlich unter diese Schwellen. Bleibt die Frage: Werden die Börsen an diesem Widerstand erneut abprallen, oder können sie den Ausbruch schaffen? Das hänge im Wesentlichen von der Konjunkturentwicklung ab, sagt Raiffeisen-Chefanalyst Peter Brezinschek. Die kürzlich veröffentlichten Daten zum Wirtschaftswachstum in der Eurozone haben die Erwartungen enttäuscht. „Seit zwei Jahren sind die Börsengewinne in Europa vor allem aufgrund der Bewertungssteigerung erfolgt.“

Warten auf Gewinne

Das bedeutet: Aktien sind in Relation zu den Unternehmensgewinnen teurer geworden. Die Kurs-Gewinn-Verhältnisse (KGV) liegen über dem Schnitt der vergangenen 30 Jahre. Das sei noch nicht zu teuer, aber auch nicht mehr günstig, meint Brezinschek. Ziehen die Unternehmensgewinne jetzt nicht nach, könnte das den Höhenflug abrupt beenden. Doch das erste Quartal sei für Unternehmen in Europa gar nicht so schlecht gewesen, sagt Simbürger. Auf der Umsatzseite habe es, etwa bei Rohstoffwerten, zwar Enttäuschungen gegeben. Anders jedoch bei den Gewinnen. „Wir sehen, dass das Geld auf den Märkten irgendwo hinfließen muss. Die Nachfrage nach Aktien hat sich weiter fortgesetzt, auch in den entwickelten Märkten.“

Wichtig dürften freilich auch die Signale aus den europäischen Peripherieländern gewesen sein. Griechenland ist auf den Kapitalmarkt zurückkehrt, auch Portugal hat den Rettungsschirm verlassen. Die Renditen von Staatsanleihen aus diesen Staaten sind in den vergangenen Wochen merklich gesunken– teils wurden bei den Zinsen Zehnjahrestiefs erreicht. Für Alfred Reisenberger von der Valartis Bank ist vor allem interessant, wie die Europäische Zentralbank am 5.Juni vorgehen wird. Dann steht die nächste Zinssitzung der Währungshüter an. Einige Experten gehen davon aus, dass die EZB Maßnahmen ergreifen wird, um die Deflation in einigen Staaten in den Griff zu bekommen. „Die EZB muss diesmal handeln, sonst ist es schlecht für Mario Draghis Reputation“, sagt Reisenberger. Doch es gibt auch Risken.

Ukraine-Konflikt als Risiko

Von allen Experten wird hier vor allem der Konflikt zwischen Russland und der Ukraine genannt. „Die Risken durch die Ukraine-Krise sind in den Kursen fast nicht eingepreist“, stellt Brezinschek fest. Sollte sich die Krise zuspitzen, könnte das die Wirtschaft in der Eurozone und damit die Börsen deutlich ausbremsen.

Die Aktionäre scheinen aber zu glauben, dass keine Trendwende in Sicht ist. Diese Annahme ist nicht unbegründet: Unterstützung erhalten die Börsen nämlich von der Niedrigzinspolitik. Und die dürfte nicht so schnell enden, meint Brezinschek. Die Europäische Zentralbank dürfte ihre Geldpolitik weiter lockern, die US-Notenbank Fed ihre Politik nur langsam und schrittweise straffen.

Charttechnisch handle es sich erst um den Beginn eines Ausbruchs, meint der Analyst: Zwischen 2000 und 2013 habe es an den Börsen eine lange Seitwärtsbewegung gegeben. Jetzt brechen die Indizes aus. Wenn es eine Korrektur gebe, sollte es nicht mehr so tief nach unten gehen. Beim DAX liege eine starke Unterstützung bei 8200 Zählern (derzeit notiert er bei 8650), beim Dow-Jones bei 14.300 (derzeit sind es 16.430), sagt Brezinschek. Es sei denn, die Konjunktur bricht unerwartet stark ein – dann kann es auch weiter nach unten gehen.

ATX hinkt nach

Vom Börsenhype völlig unbeeindruckt zeigte sich bis dato der heimische Leitindex ATX. Dieser bewegt sich seit Jahren seitwärts. Auch heuer kam der stark bankenlastige Index kaum vom Fleck. In ganz Europa schwächeln die Bankaktien, im ATX sind sie jedoch überdurchschnittlich stark gewichtet. Jene Branchen, die etwa die Wall Street vorangetrieben haben– IT- und Pharmawerte–, gibt es im ATX nicht. Dass der Index nicht in Schwung kommt, hat fundamentale Gründe: Die Gewinne der Unternehmen seien seit 2011 kaum gestiegen, berichtet Brezinschek. Heuer sollen sie Schätzungen zufolge stark nachziehen, im Idealfall um bis zu 30 Prozent. Sollten sie wider Erwarten nicht anziehen, wären heimische Aktien teurer bewertet als DAX-Werte.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.05.2014)

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