Niedrige Zinsen und fallender Euro als Chance

(c) APA/Boris Roessler
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Die Europäische Zentralbank senkt die Zinsen und treibt den Wert des Euro in den Keller. Das hat starke Auswirkungen auf heimische Anleger und Kreditnehmer.

Wien. Der Euro ist heute in weiten Teilen des Auslands, also außerhalb der Eurozone, viel weniger wert als noch vor wenigen Wochen. Wenn dieser Wertverlust ein Gesicht tragen würde, dann wohl das eines Italieners. Nämlich jenes von Mario Draghi, dem Präsidenten der Europäischen Zentralbank (EZB). Seine Institution überraschte kürzlich Ökonomen und Finanzmärkte aufs Neue. Die EZB-Notenbanker hatten neben anderen Maßnahmen auch den Euro-Leitzins gesenkt, von ohnehin nur noch 0,15 Prozent auf ein Rekordtief von 0,05 Prozent.

Die Konsequenz: Der Euro hat zu anderen Währungen neuerlich deutlich an Wert verloren. Zum US-Dollar hat der Euro allein seit Anfang Juli um mehr als fünf Prozent abgenommen und ist nur mehr 1,296 Dollar wert. Zum japanische Yen hat der Euro seit Jahresbeginn um drei Prozent verloren, zum britischen Pfund seit März um 4,5 Prozent. Dahinter steckt – so ist anzunehmen – reines Kalkül der EZB. Ein schwacher Euro hilft den exportorientieren Unternehmen in der Eurozone, weil er ihre Produkte wettbewerbsfähiger sind, etwa in den USA.

Für heimische Kleinanleger und Kreditnehmer haben die Zinskürzungen und der damit verbundene Euro-Absturz starke Auswirkungen, viele sind erst auf den zweiten Blick sichtbar – und sorgen auch für gute Anlagemöglichkeiten.

• Anleger in fremden Währungen. Ein Beispiel: Ein Anleger, der Anfang Juli 10.000 Euro in US-Aktien investierte, hat seither allein schon einen Währungsgewinn von 5,5 Prozent erzielt. Da sind noch gar keine Aktienkursgewinne berücksichtigt. Laut diversen Analysten-Prognosen könnte der Euro bald auf 1,25 Dollar abstürzen. Davon könnten auch Kleinanleger profitieren.

Ein Szenario: Ein Anleger investiert heute 10.000 Euro und deckt den US-Leitindex Dow Jones ab. In drei Monaten notiert der Euro tatsächlich bei 1,25 Dollar. Allein durch den Euro-Abfall bzw. den Dollar-Höhenflug hätte er einen Währungsgewinn von fast vier Prozent erzielt (Steuer und Kosten sind dabei noch nicht berücksichtigt). Wenn in der Zwischenzeit der Dow Jones auch noch steigt, sahnt der Anleger zusätzliche Aktiengewinne ab.

• Anleger in festverzinslichenAnleihen. Wenn die EZB die ohnehin schon mickrigen Zinsen noch weiter nach unten drückt, dann gewinnen festverzinsliche Anleihen an Attraktivität – auch, wenn sie in der Zwischenzeit nur noch sehr teuer zu haben und ihre Renditen gering sind. Deswegen konnte auch der Kurs einer österreichischen Staatsanleihe, die noch neun Jahre läuft und nur einen Kupon von 1,65 Prozent abwirft, seit Juli um rund drei Prozent steigen (ISIN: AT0000A185T1). Die Rendite macht nur noch 1,2 Prozent aus, nach Abzug der Kosten und der Steuer würde der Anleger heute nur mehr eine jährliche Rendite von 0,5 Prozent erzielen.

• Sparer: Die einfachen Sparer dagegen bleiben die Leidtragenden der EZB-Zinspolitik. Die Sparbücher werfen nicht genug Zinsen ab, damit die Kunden die Inflation nur annähernd abdecken könnten – und diese Situation wird über Jahre hinweg so bleiben. Draghi hat erst im Sommer angedeutet, dass die Niedrigzinsphase bis Ende 2016 anhalten werde. Das hat er wohlgemerkt vor der neuerlichen Lockerung der Geldpolitik gesagt.

Somit bekommt ein Sparer beispielsweise bei der Raiffeisenbank in Wien für ein einjähriges Sparbuch nur noch einen Zinssatz von 0,25 Prozent (Stand: Freitag). Nach Abzug der Steuer und der Inflation ist er zwölf Monate später um rund 1,5 Prozent ärmer (sofern man mit der „offiziellen“ Inflationsrate kalkuliert, die reale würde hierzulande noch höher liegen).

Für täglich fällige Sparbücher gibt es bei österreichischen Filialbanken ohnehin nur noch Zinssätze von 0,125Prozent oder weniger. Also praktisch nichts. Damit könnte der Tiefpunkt noch gar nicht erreicht sein. „Ich kann heute nicht sagen, ob der Sparzins noch einmal reduziert wird“, sagt ein Erste-Bank-Berater einer Filiale im sechsten Wiener Gemeindebezirk.

• Kreditnehmer: Jene Kreditnehmer, die derzeit ein Eurodarlehen mit variabler Verzinsung ausständig haben, reiben sich die Hände. Deren Zinsbelastung ist äußerst gering. Der europäische Referenzzinssatz Euribor (drei Monate) notiert derzeit bei rund 0,08 Prozent. Für einen endfälligen 100.000-Euro-Kredit auf Basis des 3-M-Euribor und mit einer Kreditmarge von 1,5 Prozent läge die monatliche Belastung bei rund 135Euro. Im Jahr 2011 lag der Euribor zwischenzeitlich bei 1,6 Prozent, die monatliche Belastung hatte damals noch rund 260 Euro ausgemacht. Im Vergleich dazu erspart sich der Schuldner heute fast die Hälfte.

Anders ist die Situation für jene, die in fremden Währungen verschuldet sind. Die Franken-Kreditnehmer etwa blicken seit der Finanzkrise auf hohe Kursverluste zurück. Wer Anfang 2000 ein Franken-Darlehen zum Gegenwert von 100.000 Euro aufnahm, steht heute mit einem (Buch-)Währungsverlust von rund 32.000 Euro da.

Auf Jahre hinweg wird sich dieser Währungsverlust aller Voraussicht nach nicht verringern, da der Euro „dank“ der lockeren Geldpolitik zum Franken kaum an Wert gewinnen wird. Bei den Yen-Kreditnehmern schaut es grundsätzlich besser aus, aber seit Jahresbeginn mussten auch sie einen Währungsverlust von fast 4000 Euro verbuchen (für ein Darlehen im Gegenwert von 100.000 Euro). (ker)

Was Sie beachten sollten bei ... Währungen

Tipp 1

Höhere Sparzinsen. Die Direktbanken schaffen es noch immer, die Sparzinsen höher zu halten als heimische Filialbanken. Für ein täglich fälliges Sparbuch bekommt man beispielsweise bei der Denizbank aktuell einen Zinssatz von einem Prozent, bei den Filialbanken gibt es 0,125 Prozent oder weniger. Sparguthaben sind hierzulande bis zu 100.000 Euro gesichert.

Tipp 2

Währungsgewinne. Ein fallender Euro bietet Anlegern mit einem Eurokonto die Möglichkeit, im Ausland Währungsgewinne zu erzielen. Etwa, wenn sie Aktien oder Anleihen in US-Dollar oder britischen Pfund kaufen. In diesem Fall haben sie derzeit einen Währungsgewinn. Freilich hat das nichts mit dem Aktiengewinn zu tun. Außerdem muss man Kosten und Steuern abziehen.

Tipp 3

Hochzinsanleihen. In dem aktuellen Niedrigzinsumfeld greifen Investoren zu allen Zinsprodukten, die noch höhere Renditen abwerfen. Somit kommen auch hoch riskante Unternehmen leicht zu Kapital. Experten warnen bereits vor einer möglichen Preisblase bei Hochzinsanleihen. Ein Kleinanleger bewegt sich dort schon auf sehr heißem Pflaster.

Tipp 4

Lebensversicherungen. Im aktuellen Zinsumfeld gibt es eine Anlageklasse, die man – zumindest aus Renditesicht – vermeiden sollte: Lebensversicherungen. Nicht nur, dass die Versicherungen ein extrem schwieriges Anlageumfeld vorfinden, sie müssen auch Garantiezinssätze alter Verträge bedienen. Neue Regulierungen machen hohe Renditen schwierig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.09.2014)

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