Biotech: Investieren in Innovationen

(c) Bloomberg (Freya Ingrid Morales)
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Keine andere Branche hat einen solchen Wertzuwachs erlebt wie die Biotechindustrie. Der Boom ist noch nicht zu Ende, Gesundheit hat immer Saison, sagen Fondsmanager.

Wien. Bis 29. Juli will die EU-Kommission entscheiden, ob der US-Pharmakonzern Mylan sein 34 Mrd. Dollar schweres Angebot für den irischen Arzneimittelhersteller Perrigo fortsetzen darf. Mylans feindliche Offerte für Perrigo gilt als Flucht nach vorn: Der US-Konzern ist selbst Übernahmeziel. Die israelische Ratiopharm-Mutter Teva will Mylan um mehr als 40 Mrd. Dollar übernehmen – diese hat das Angebot zurückgewiesen.

Kaum eine andere Branche sorgt für so viel Bewegung auf dem Markt wie die Pharma- und vor allem die Biotechindustrie. Die Pharmaindustrie hat im Vorjahr ihr Formtief überwunden und Umsatz sowie Gewinn steigern können. Dank umfangreicher Effizienzprogramme haben die Firmen auch wieder Geld in der Kasse, um auf Einkaufstour zu gehen. Auslaufende Patente, die große Konkurrenz durch Nachahmerprodukte (Generika) sowie der Kostensenkungsdruck der öffentlichen Haushalte zwingt die Konzerne zum Bündeln der Kräfte: „Viele große Pharmaunternehmen haben ganze Gebiete untereinander ausgetauscht. Damit streben sie nicht in erster Linie Umsatzwachstum an – das Ziel ist eine höhere Effizienz. Sie setzen auf Skaleneffekte in Forschung und Entwicklung sowie in der Produktion, holen sich gezielt Kompetenzen von außen in das Unternehmen und wollen so ihre Wettbewerbsfähigkeit steigern“, sagt Erich Lehner, Partner für Life Sciences bei EY Österreich (vormals Ernst&Young).

Zukäufe auf Rekordniveau

Im Vorjahr erreichte das Volumen der Zukäufe und Fusionen 300 Mrd. Euro – fast so viel wie in den drei vorhergehenden Jahren zusammen, heißt es in einer Studie von EY. Im ersten Quartal 2015 betrug das M&A-Volumen bereits fast 100 Mrd. Euro. Mit den Transaktionen, die derzeit in der Pipeline sind, dürfte der Gesamtwert heuer auf 201 Mrd. Euro steigen.

Die Big Player in der Pharmaindustrie schielen aber nicht nur auf Kaufobjekte aus den eigenen Reihen: Sie zielen vor allem auf Biotechfirmen ab. Die wiederum haben sich teilweise aus ihrem Start-up-Dasein schon zu Big Playern entwickelt. Das gilt nicht nur für die ihre Größe – laut EY schnellte der Umsatz der Biotechfirmen im Vorjahr um 24 Prozent auf 123 Mrd. Dollar, der Nettogewinn stieg um 231 Prozent auf 14,9 Mrd. Dollar –, sondern auch ihren Marktwert. Denn viele Biotechfirmen sind selbst an die Börse gegangen und haben das Augenmerk der Anleger auf die ganze Branche gelenkt.

Wie lang herrscht diese Goldgräberstimmung noch? Harald Kober, Fondsmanager des Espa Stock Biotec der Erste Sparinvest, differenziert: „Im Unterschied zur Jahrtausendwende, als es auch schon einen Biotechboom – mit anschließend starkem Rückgang – gegeben hat, fußt die rasante Kursentwicklung jetzt auf Substanz.“ Damals habe nur die Fantasie die Kurse getrieben – inzwischen hätten viele Unternehmen Produkte erfolgreich auf den Markt gebracht und erzielten gute Umsätze und Gewinne.

Das trifft vor allem auf den Branchenstar aus den USA, Gilead Sciences, zu. Der hat im Vorjahr seinen Umsatz auf 18,8 Mrd. Euro verdoppelt. Und auch ein Großteil des Gewinnzuwachses der Branche geht auf das Konto von Gilead. Dementsprechend hat sich der Aktienkurs des Konzerns, der in der Therapie gegen HIV, Hepatitis B und C sowie Influenza stark ist, seit Anfang 2013 fast verdreifacht. Aber auch Amgen und Biogen fielen in diese Kategorie, betont Norbert Janisch, der den Raiffeisen Healthcare Fonds managt. Auf diese etablierten Schwergewichte sollten sich Anleger konzentrieren, sagt Janisch, während er von kleinen Firmen, die noch nicht über die Forschungsphase hinaus sind, abrät.

Finger weg von Einzelwerten

Auch wenn Biotechaktien teurer geworden sind – ein Investment zahle sich allemal aus, sind Kober und Janisch einig. Es werde weiter nach oben gehen, wenn auch nicht in dem Ausmaß wie zuletzt. Und das für die Branchengrößen für 2016 prognostizierte KGV liege mit 23 durchaus noch im grünen Bereich. „Das ist eine der Branchen mit echter Wachstumsfantasie, Gesundheit hat immer Saison“, sagt Janisch. Vor allem Medikamente gegen Krebs, Multiple Sklerose, Alzheimer, aber auch Fettleibigkeit und Diabetes würden den Firmen hohe Margen und somit hohe Bewertungen bescheren.

Einen Tipp – der übrigens nicht nur für Pharma- und Biotechpapiere gilt – sollten Anleger aber auf jeden Fall beherzigen: Finger weg von Einzeltiteln. „Biotechwerte sind zwar keine Zykliker, aber sie reagieren extrem volatil, wenn etwa eine Zulassung nicht klappt“, sagt Kober. Er rät daher zu Fonds, mit denen das Risiko gestreut werden könne. Erfolgt der Einstieg zudem noch über einen Ansparplan, könne man Kursausschläge nach unten nützen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.07.2015)

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