Rohstoffe: Viel mehr nach unten kann es nicht gehen

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Der schwächelnde Nachfrageriese China hat die Preise für Industrierohstoffe kräftig in den Keller geschickt. Der richtige Zeitpunkt zum Einstieg lässt noch auf sich warten – er könnte mit der US-Zinswende kommen.

Wien. Öl, Gold, Kupfer, Nickel, Aluminium, Platin: Nicht nur Megaplayer wie Rio Tinto, Shell, BP und die Barrick Gold Corporation, auch risikofreudige Anleger haben mit den Rohstoffen, die die Industrie befeuern, Milliarden gescheffelt. Diese Zeiten scheinen jedoch auf längere Sicht vorbei zu sein. Seit Längerem sind die Preise auf Talfahrt – und der Abwärtstrend hat sich in den letzten Monaten noch beschleunigt. Aluminium pendelt seit Anfang August auf einem Sechsjahrestief, andere Rohstoffe sind nicht weit davon entfernt.

„Ein Rückgang um rund 40Prozent vom Höchststand im Frühjahr 2011 sollte beim Bloomberg Commodity Index genug sein“, schreiben die Experten der LBBW in ihrem vor Kurzem erschienenen „Commodity Yearbook 2015“. Ihre Einschätzung, dass der vier Jahre andauernde Abwärtstrend nun enden könnte, scheint aber verfrüht. Denn die chinesische Zentralbank hat mit ihrer Abwertung der (nicht frei handelbaren) Landeswährung Renminbi die Rohstoffpreise erneut auf Talfahrt geschickt. Die Maßnahme verteuert nämlich den Import von Rohstoffen und bremst damit die ohnedies schwächere Nachfrage in der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt.

Chinas maue Konjunktur sei auch der Hauptgrund für die negative Preisentwicklung, sind Analysten sich einig. Die Volksrepublik ist unter anderem der weltgrößte Abnehmer von Kupfer, das zur Herstellung von Stromkabeln und Wasserrohren benötigt wird. Derzeit übersteigt das Angebot bei vielen Rohstoffen die Nachfrage, was die Preise extrem unter Druck setzt.

Schlechte Stimmung

„Die Fundamentaldaten Chinas sind ja gar nicht so schlecht. Hätte Europa nur Wachstumsraten von rund sieben Prozent“, sagt Bernhard Wenger von ETF Securities zur „Presse“. Außerdem würden die zunehmende Urbanisierung in dem riesigen Land und die Infrastruktur viele Investments vertragen. Das Problem sei aber, dass den Zahlen zusehends misstraut werde, was bedeute, dass es viel Interpretationsspielraum gebe. „Es ist enorm viel Sentiment im Markt“, so Wenger. Die Yuan-Abwertung hat Skeptiker bestätigt und die Unsicherheit erhöht.

An der Londoner LME hat sich Aluminium seit Jahresbeginn um 13Prozent verbilligt, Kupfer um knapp 17 Prozent und Platin um 20,5 Prozent, geht aus Reuters-Daten hervor. Das in Autokatalysatoren eingesetzte Palladium hat 25Prozent verloren, das zur Stahlerzeugung benötigte Nickel steuert auf einen der größten Jahresverluste seit den 1970er-Jahren zu. Goldman Sachs hat daher seine Prognose für den Aluminiumpreis für die Jahre 2016 bis 2018 um 21Prozent gekürzt– angesichts eines erwarteten Angebotsüberhangs von 2,5 bis drei Millionen Tonnen. Für Kupfer, das so wieNickel auf einem Sechsjahrestief notiert, hat die UBS ihre Prognose für das Nachfragewachstum um 30 Prozent gesenkt.

Nicht viel anders ist die Situation beim Öl: Die Opec lässt die Hähne offen, außerdem wird erwartet, dass der Iran nach der Einigung im Atomstreit bald die Förderung aufnimmt. Chinas Hunger nach dem schwarzen Gold ist aber deutlich zurückgegangen. Derzeit pendelt der Preis für ein Fass Öl der Nordseesorte Brent um die 50 Dollar, ein Fass West Texas Intermediate (WTI) kostet rund 44 Dollar. Börsianer halten es für durchaus möglich, dass das zu Jahresbeginn markierte Sechsjahrestief von 45,19Dollar für ein Fass Brent bald wieder getestet wird.

Belastet werden die Ölpreise zudem durch den immer stärkeren Dollar. Die US-Währung profitiert von der Aussicht auf eine baldige Zinswende der amerikanischen Notenbank. Weil Rohöl in Dollar gehandelt wird, verteuert ein starker Dollar Rohöl für Investoren außerhalb des Dollarraums und belastet damit die Nachfrage.

Eine moderate Zinserhöhung sei zwar schon eingepreist, meint Wenger. Aber steigende Zinsen dämpfen auch die Furcht der Anleger vor einer anziehenden Teuerung. Damit verlieren Edelmetalle als Absicherung an Attraktivität.

Schon in den letzten Monaten haben Anleger Rohstoffinvestments im großen Stil den Rücken gekehrt: Allein im Juli gab es nach Angaben der Bank of America Merrill Lynch Abflüsse aus Edelmetall-Fonds von 1,1Mrd. Dollar.

Auch beim Goldpreis mischt China kräftig mit – und Anleger haben nichts zu lachen. Allein im vergangenen Monat rutschte der Goldpreis um fast sieben Prozent ab und notierte erstmals seit über fünf Jahren zeitweise wieder unter der Marke von 1100 Dollar je Feinunze. „Die Stimmung für Gold ist am Boden“, sagen Händler. Nach Einschätzung der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) könnte kurzfristig auch ein Test der 1000-Dollar-Marke ins Haus stehen. „Gold zahlt keine Zinsen“, meint Wenger.

Ist die Bodenbildung überhaupt schon in Sicht? „Ich bin für das vierte Quartal beziehungsweise das nächste Jahr verhalten optimistisch“, sagt Wenger. Im zweiten Halbjahr müsste sich – nach der Zinswende in den USA – abzeichnen, wohin die Reise geht. Denn: „Viel mehr nach unten kann es nicht gehen.“ Eine ähnliche Einschätzung kommt von der Saxo Bank: „Zunächst könnte es zu weiteren Schwächen kommen, bevor es zu Jahresende wieder besser wird“, meint Rohstoffexperte Ole Hansen.

USA kehren als Motor zurück

Optimistischer klingen die LBBW-Experten: Sie erwarten eine Erholung der US-Wirtschaft, die wieder die Rolle der Lokomotive für die Weltkonjunktur übernehmen könnte. Eine Preisumkehr sieht die LBBW nicht nur bei Paladium und Platin, sondern auch bei Gold: „Das Recycling von Altgold ist rückläufig, die Minenproduktion dürfte bald ihren Zenit überschreiten, und die Notenbanken stehen weiter auf der Käuferseite – damit sind die Chancen gut, dass die vierjährige Leidenszeit für Goldbullen demnächst auslaufen wird“, sagt LBBW-Spezialist Frank Schallenberger.

Wann kommt also der Zeitpunkt zum Einstieg? „Rohstoffe sind für Kleinanleger ein gefährliches Terrain“, warnt Wenger. Die derzeit extreme Volatilität würde die Risken weiter erhöhen. Wer dennoch investieren möchte – und in Europa gebe es derzeit viel billiges Geld –, sollte sich eher sogenannte ETPs (Exchange Traded Products) ansehen. Das sind börsengehandelte Wertpapiere, die einen unterliegenden Basiswert (etwa einen Rohstoff) verbriefen. Oder man sucht sich entsprechende Fonds (Exchange Traded Funds/ETF), die Indizes nachbilden. Ein solcher ist etwa der ETFS Longer Dated All Commodities, der die erwartete Entwicklung des Bloomberg Commodity Index drei Monate im Voraus abbildet. Er ermögliche, in einen breiten Rohstoffkorb mit 22 Komponenten zu investieren, was das Risiko aufteile, sagt Wenger. Seit Jahresbeginn verlor dieser Fonds nur 1,4 Prozent. [ istockhphoto.com ]

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.08.2015)

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