Warum alle auf China schielen

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Der chinesische Aktienmarkt gibt über den Zustand der Wirtschaft kaum Auskunft. Dennoch ist er weltweit zur Richtschnur für Aktienmärkte geworden.

Hongkong/Frankfurt. Wer am vergangenen Mittwoch zwischen 3.30 und 9.30Uhr mitteleuropäischer Zeit die Kurscharts von US-Aktien-Futures in Chicago, Kupfer in London und dem Yen in Japan verfolgte, rieb sich die Augen. Die Charts waren kaum voneinander zu unterscheiden. Treiber der gleichförmigen Entwicklung war in allen Fällen der chinesische Aktienindex Shanghai Composite Index.

Lang führte Chinas Benchmark-Aktienindex ein Eigenleben. Plötzlich aber wurde der Index zur führenden Richtschnur für Aktienmärkte weltweit, da Händler nach Anhaltspunkten suchen– nach irgendetwas, was ihnen bei der Abwägung hilft, wie es wohl um die weltweit zweitgrößte Volkswirtschaft bestellt ist. Das Problem, so einige der erfahrensten Vermögensverwalter in Asien, besteht darin, dass Aktienkurse in China wenig Aufschluss über den Zustand der Wirtschaft geben. Zum einen wird der Handel von Privatleuten und Investoren beherrscht, die mit staatlichen Institutionen in Verbindung stehen und wirtschaftlichen Fundamentaldaten wenig Beachtung schenken. Chinas Aktienmarkt kämpft auch mit Verwerfungen, die sich aus der Auflösung von auf Pump betriebenen Wetten auf steigende Kurse ergeben haben.

Diese Wetten hatten die Bewertungen im Juni in Höhen getrieben, die weltweit zu den höchsten zählten. Gleichzeitig waren Kennziffern zum Wachstum der Volkswirtschaft im laufenden Jahr auf Mehrjahrestiefstände gefallen, obwohl der Shanghai Composite Index im Vorjahr in die Höhe geschnellt war.

Starke Schwankungen

„Der chinesische Markt ist hochspekulativ – ein Casino“, sagt Hugh Young, der seit 1985 in Aktien von Unternehmen aus Asien investiert und derzeit bei Aberdeen Asset Management in Singapur tätig ist. Seit Handelsbeginn 1990 sind die Kursausschläge im Shanghai Composite Index extrem. Das Börsenbarometer verzeichnete von Ende 2005 bis Oktober 2007 einen Anstieg um das Fünffache, ehe es zu einem Einbruch um 72 Prozent im Zeitraum bis November 2008 kam. In den zwölf Monaten bis zum heurigen Juni hat der Index zunächst um 150 Prozent zugelegt, um dann um 40 Prozent einzubrechen.

Während sich der Einbruch bei chinesischen A-Aktien, die in Yuan notieren und vor allem von Einheimischen gehandelt werden, beschleunigte, nahm die Korrelation des Markts mit Vermögenswerten weltweit zu.

Noch nie war die Korrelation des Shanghai Composite Index mit den Futures auf den S&P 500 Index und dem Yen höher gewesen als zuletzt, zeigen Bloomberg-Daten. „Alle Augen richten sich auf die A-Aktien“, sagt Chen Ruiming, Stratege bei Haitong Securities Co. in Shanghai. (Bloomberg/red.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 31.08.2015)

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