Autoaktien: Vom Leben nach dem Scheintod

Der VW-Skandal wird das Interesse an der Branche nicht schmälern. Neue Technologien werden gefragter.
Der VW-Skandal wird das Interesse an der Branche nicht schmälern. Neue Technologien werden gefragter.AFP
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Nur weil VW Mist gebaut hat, sind Aktien der Branche noch nicht obsolet. Manche Firma wird vom Skandal gar profitieren. Investoren auch, wenn sie differenzieren können.

In Zeiten hoher Börsenvolatilität, hervorgerufen von mageren Konjunkturaussichten und fortwährender Unschlüssigkeit der US-Notenbank hinsichtlich einer Leitzinserhöhung, ist der VW-Abgasskandal ungefähr so nötig wie ein Kropf. Nicht nur der ganzen Dieseltechnologie und Autobranche bescherte er einen Rücksetzer. Mit seiner Wucht stellt er sogar ein Risiko für den Wirtschaftsaufschwung für Europas größter Lokomotive, Deutschland, dar. Diese Einschätzung gaben Deutschlands führende Wirtschaftsforscher von sich, als sie am Donnerstag das Herbstgutachten für die Bundesregierung vorstellten. Nichts Geringeres als das Gütesiegel „Made in Germany“ könnte durch den deutschen Paradekonzern international in Mitleidenschaft gezogen werden, so Ferdinand Fichtner, Konjunkturchef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).

Die Sorge verwundert nicht, schließlich ist die deutsche Autoindustrie die Leitindustrie des Landes, die 385 Mrd. Euro pro Jahr – und damit mehr als Österreichs gesamte Volkswirtschaft – erwirtschaftet.

Gewiss, so schnell geht das mit dem Imageverlust nicht. Zwar ist das Image von VW angekratzt und damit auch die Aktie für längerfristig orientierte Kleinanleger ein Tabu, bis Klarheit über das Ausmaß der Entschädigungszahlungen herrscht. Aber Konkurrenten können sich in diesem Umfeld durchaus halten.

Der Mercedes-Hersteller Daimler(ISIN DE0007100000) etwa, der an der Börse zwar seit Mitte März bis Ende September vor allem wegen der Konjunktureintrübung in China und des Branchenabsturzes durch den VW-Skandal um ein Drittel gefallen ist, der aber mit seinen Verkaufszahlen in China dieser Tage gezeigt hat, dass er sich erfolgreich gegen die Schwäche auf dem wichtigsten Automarkt stemmt. Aber auch in Europa und den USA läuft es für Daimler durchaus rund. In einer Gegenbewegung hat die Aktie im Oktober bereits zwölf Prozent auf 72 Euro zugelegt. Wenn die Anlegerstimmung auf dem Gesamtmarkt nun – in Erwartung einer späteren US-Zinswende – so positiv bleibt wie in dieser Woche, könnten Analysten wie jene der Commerzbank recht behalten, die dem Papier die Kaufempfehlung mit einem Kursziel von 110 Euro beließen. Andernfalls dürfte Morgan Stanley mit konservativen 75 Euro näher an der Wahrheit liegen.

Daimler ist in dem Sinn kein Nutznießer des VW-Abgasskandals. Als solchen haben Experten etwa die deutsche Bertrandt AG(ISIN DE0005232805) ausgemacht. Das Unternehmen bietet Entwicklungslösungen für die internationale Automobil- und Luftfahrtindustrie. Die Privatbank Hauck & Aufhäuser hat am Mittwoch ihre Kaufempfehlung mit einem Kursziel von 142 Euro bestätigt. Ergibt ausgehend von den jetzigen 111 Euro ein Potenzial von 28 Prozent. Allerdings hat die Aktie seit Anfang Oktober bereits um knapp 20 Prozent zugelegt, weshalb die DZ Bank sie von der Spezialempfehlungsliste „Equity Ideas Long“ gestrichen. Die Empfehlung „Kaufen“ bleibt aber gleich wie beim Bankhaus Lampe aufrecht, zumal davon ausgegangen wird, dass Bertrandts Kunden nun die Forschungsausgaben eher erhöhen werden.

Dass der VW-Skandal schnell das Segment der Elektroautos beflügelt, dürfte sich als Trugschluss erweisen. Aber der noch schwache Trend dorthin wird wohl dennoch gestärkt. Gerade was den größten Stimmungsmacher, Tesla(ISIN US88160R1014), betrifft, zeigt sich, dass viel Glauben in der Aktie steckt. Seit 2013 hat sich der Kurs mehr als versechsfacht. Neue Modelle heizen zwar die Fantasie an, und Morgan Stanley erwartet gar eine Kursverdoppelung auf 450 Dollar. Aber das Papier ist volatil, und zur Stützung des Aufwärtstrends braucht es bald ein neues Hoch.

Da sieht der chinesische Elektroautospezialist BYD(ISIN CNE100000296) im Moment etwas verführerischer aus. Kürzlich hat er die langfristige Trendlinie zum ersten Mal seit Juli wieder nach oben durchbrochen, innerhalb des vergangenen Monats auch schon um gut 40 Prozent zugelegt. Das Unternehmen ist in China Marktführer bei Elektroautos. Zugute kommt BYD, dass der Staat beschlossen hat, den Ausbau dieses Sektors zu forcieren. Und gleich wie Tesla ist BYD eine der führenden Firmen in der Entwicklung von Speicherbatterien.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.10.2015)

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