Amazon setzte in seiner 20-jährigen Geschichte stets mehr auf Wachstum als auf nachhaltige Gewinne. Mit Erfolg, doch ist die Aktie teuer.
Seattle/Wien. Amazon sorgt immer wieder für Schlagzeilen. Vergangene Woche gab der Internethändler bekannt, dass er Bücher künftig auch ganz klassisch, offline, verkaufen will. In der ersten Amazon-Buchhandlung in Seattle sollen die Bücher angeboten werden, die auf der Internetplattform des Konzerns besonders beliebt sind und gute Bewertungen erhalten. Auch können die Kunden Lesegeräte wie den Kindle testen.
Dass sich der Aktienkurs seit Jahresbeginn mehr als verdoppelt hat und Amazon-Gründer Jeff Bezos auf Platz drei in der Rangliste der reichsten Amerikaner aufsteigen konnte (hinter Bill Gates und Warren Buffett), hat jedoch andere Ursachen: Das Unternehmen hat zwei Quartale in Folge Gewinne geschrieben. Diese fielen zwar gemessen am Aktienkurs, der dieser Tage schon wieder ein Allzeithoch erklommen hat, äußerst gering aus, doch hat das Unternehmen stets mehr auf Wachstum und neue Ideen als auf nachhaltige Gewinne gesetzt. Mit Erfolg: Zum Umsatzplus trug zuletzt weniger der Internethandel selbst als vielmehr die Cloud-Sparte bei, die viele Unternehmen mit Rechenleistung aus dem Netz versorgt. Die Sparte war ursprünglich aus der Idee entstanden, technische Überkapazitäten für Stoßzeiten wie das Weihnachtsgeschäft im Rest des Jahres zu vermieten.
Kritik schadete nicht
In seiner 20-jährigen Geschichte musste Amazon auch Flops verkraften, etwa das Smartphone Fire Phone, das sich als Ladenhüter erwies. Die Kritik, Amazon würde kleine Buchhändler zerstören und Mitarbeiter schlecht behandeln, konnte dem Wachstum allerdings nicht wirklich etwas anhaben.Mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von mehr als 300 ist Amazon freilich sehr ambitioniert bewertet. Das bedeutet: Nur bei weiterhin sehr starkem Wachstum ist ein solcher Preis gerechtfertigt.
Die Analysten sind sich allerdings einig wie sonst selten, dass das Unternehmen diese Vorgabe schaffen kann. 34 Experten empfehlen das Papier zum Kauf, wie aus Bloomberg-Daten hervorgeht, acht raten zum „Halten“, Verkaufsempfehlung gibt es keine.
Im Schnitt sehen die Aktienstrategen ein Kursziel, das um 15 Prozent über dem gegenwärtigen Kurs liegt. (b. l./ag.)
("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.11.2015)